Erdige Haltung


John Legend hat sich selbst so genannt. Dabei ist der doch eigentlich ein Anti-Star.

Man stelle sich vor: Da kommt ein Neuling daher und bezeichnet sich gleich im ersten Anlauf als „Legende“. Die Welt würde ihn für verrückt erklären. Ein gewisser John Stephens hat genau das getan: Lange bevor er sein erstes Album unter die Leute brachte, nannte sich der aus Ohio stammende Sänger und Pianist schon John Legend. „Ich war mit Kanye West im Studio, als den Leuten dort meine Neigung zu altem Soul auffiel. Meine Stimme schien für sie aus einer legendären Ära dieser Musik zu stammen. Einer nannte mich dann John Legend, was ich zuerst ziemlich albern und übertrieben fand. Aber es hat sich festgesetzt. „Und nun? „Mit so einem Namen setze ich mich natürlich extra unter Druck. Ich muss jetzt umso harterarbeiten, um ihm gerecht zu werden“, weiß der 27-Jährige. Einen Teil dieser Arbeit hat schon hinter sich. Besagtes erstes Album, GET lifted, stieß auf viel positive Resonanz und brachte dem Musiker obendrein drei Grammysein. A star was born. Damit dieser Stern nicht gleich wieder verblasst, arbeitet Legend konzentriert weiter. Eine bessere Platte wollte er im zweiten Anlauf machen – aber auch eine mit mehr Betonung auf Dramen, die sich außerhalb des Schlafzimmers abspielen… Ich habe, als ich zu Hause in Ohio war, von Freunden unserer Familie erfahren, dass sie ihren Sohn im Irakkrieg verloren haben. Im Studio habe ich daran gedacht und gemerkt, dass mein Album ohne einen Song über das Thema Krieg nicht komplett wäre. Ich will damit keinen Anstoß erregen oder in irgendeiner Weise zu den Leuten predigen, aber der Hörer soll schon spüren, auf welcher Seite ich stehe.“

Legend versteht sich stilistisch und inhaltlich als Soulmann der alten Schule. Die Scheinwelt an der Grenze zur Schwerkriminalität, das Zuhälterimage und ewige Ghettogerede im heutigen Hip-Hop und R&B sind nicht sein Ding. John Legend mag es einfach und lebensnah. Ein Resultat seiner eigenen Geschichte: Früher verbrachte er den größten Teil seiner Freizeit in der Kirche, wo er sich als Chormitglied und später weiter wichtige musikalische Grundkenntnisse aneignete. Davon profitiert er nun.

„Popmusik braucht Seele, Inspiration und Hingabe. Wo ist das alles geblieben – Ich lege viel Wert auf Gefühl und Spiritualität. Dadurch hebe ich mich vom Rest des Geschehens etwas ab. „Kein Zweifel: Der Mann ist selbstbewusst, aber er hat sich eine erdverbundene Haltung bewahrt, die für einen, der im US-amerikanischen Unterhaltungszirkus eine große Rolle spielt, ganz schön erfrischend wirkt.