Eric Clapton


Erich war hier. Erich Klapptschon, wie ihn manche Leute mangels göttlicher Vergleichsmöglichkeiten hierzulande nennen. In vier oder fünf Städten servierte er den Konzertbesuchern Neues oder Altes - je nachdem, von welcher Seite man das betrachtet. Und ein Großteil des Publikums blieb leicht bis mittelschwer verwirrt zurück....

Gib Gas, Erich“, brüllte ein Bartmann in der Düsseldorfer Philipshalle, und einige Umsitzende nickten beifällig, obwohl wahrscheinlich niemand verstand, was der Bartmann meinte. War’s die Aufforderung an den just einen langsamen Blues zupfenden Erich, nun zum Solo anzuheben? Oder war’s eine Absage an Clapton’s Blues Power und der Wunsch nach mehr und schnelleren Rocksongs? Gleichwie, Eric Clapton blueste weiter, eingedenk eines Songs aus seinem ersten Soloalbum von 1970, wo er behauptete, er lebe nun von der „Blues Power“.

Rund achtzig Prozent der diesjährigen Konzerte bestritt Clapton mit jener zwölftaktigen Musikform nach dem AAB-Schema, wo so viele punktierte und blaue Noten auftauchen. Nicht immer zur Freude aller Fans: Die Zahl derer, die im zweiten Drittel des Konzerts Booze statt Blues genossen, ihren Unmut also durch Biertrinken in der Vorhalle oder gar durch Nachhausegehen freien Lauf ließen, war nicht unerheblich. Die Mutmaßung eines Fans, dies seien durchweg Besucher von Discotheken, die Clapton seit einem guten halben Jahr durch „Lay Down Sally“ und „Cocaine“ kennengelernt hätten und weder Ahnung noch Hörbereitschaft für den echten Erich besäßen – nun, diese Mutmaßung hatte etwas für sich. Richtig ist ja, daß Clapton seit jeher als blueslastig gilt: Deshalb hat er seinerzeit die Yardbirds verlassen, hat bei John Mayall gespielt, oder mit Steve Winwood in der Band Powerhouse. Cream lebten hinlänglich vom Blues und Derek und die Dominoes kaum weman andere Projekte eher als Ausflüge betrachten, deren Anfang und Ende doch immer wieder zur Liaison „Erich und der Blues“ hinführte.

‚Sei’s drum, man kann die Konzertbesucher verstehen, die sich live „Lay Down Sally“ oder „I Shot The Sheriff‘ gewünscht hätten, und man könnte Clapton hier Mangel an Einfühlungsvermögen (nicht Fingerspitzengefühl!) bescheinigen. Anderseits gilt es, den unkommerziellen Hang des Eric Clapton hervorzuheben, der offenbar der alten Musiker-Devise nachhängt, das zu spielen, was ihm gefällt. Wenn’s dem Volke ebenso gefällt: umso besser. Und tatsächlich schien das Publikum auch größtenteils zufrieden, obwohl Eric gleich zu Anfang „Layla“ und „Badge“ zupfte und damit zwei Höhepunkte vorwegnahm. Dazwischen ging’s, wie gesagt, vorwiegend punktiert zu, wobei „Further On Up The Road“ vom „Last Waltz“-Album und „Double Trouble“ aus „No Reason To Cry“ noch zu den bekannteren Songs zählten.

Zwischendrin offenbarte Erich sich (zumindest in Düsseldorf) von ungeahnter Seite: Aufgekratzt, wortreich, Witzchen reißend und den Hintern hochhebend, um die Bedeutung des Titels seiner neuen LP anzudeuten: „Backless“. Nach „Layla“ erschien Pattie, verheiratete Clapton und geschiedene Harrison, auf der Bühne und gab Küßchen, damit jeder merkte, wem Erich dieses „Layla“ einst gewidmet hat. Der Gitarrist befragte das Publikum nach seinen Wünschen, juxte mit seinen Kollegen Dick Sims (keyb), Carl Radle (bg) und Jamie Oldacker (dr) herum, und daß er keinen Steptanz aufführte, war wohl Zufall. Jedenfalls eine persönliche Kehrtwendung, volle 180 Grad.

Clapton, das Chamäleon? In Hamburg nämlich sah man einen recht zugeknöpften Erich, also jenen, den man geheimhin zu erwarten gewohnt ist. Möglicherweise erlebte das Düsseldorfer Publikum einen ebenso kurzzeitigen wie seltenen Vitalitäts-Schuß.

Was der Musik keinen Abbruch tat. Clapton trat ohne seine sonst üblichen Mitspieler Marcy Levy (voc), George Terry (g) und sowieso ohne Yvonne Elliman auf, die sich mit ihren eigenen Erfolgen im Disco-Bereich wieder selbstständig gemacht hat. Und vom ebenfalls angekündigten Perkussionisten Sergio Pastora war auch nichts sichtbar.

Nun benötigte Erich auch niemanden außer Oldacker, Sims und Radle, um seine Blues Power zu zelebrieren: Dafür weiß er immer noch eine zu gute Gitarre zu spielen. Clapton mal solo und akustisch zu erleben, wäre sicherlich interessant. Lediglich nach dem Schlußsong „Cocaine“ betraten für die Zugabe einige Musiker der Muddy Waters-Band zur verhaltenen Jam Session die Bühne – es gab einen erneuten Blues, nebenbei bemerkt.

Apropos Muddy Waters-Band: Das Clapton-Konzert war eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen dem Publikum für sein gutes Geld auch eine entsprechende Vorgruppe geboten wurde. Nachdem die Band sich warmgespielt hatte, betrat nämlich zur allseitigen Freude jener Dreiundsechszigjährige die Bühne, der zu den wichtigen Männern zählt, von denen fast alles abstammt: McKinley Morganfield alias Muddy Waters. Der große alte Mann des Blues wurde beinah familiär empfangen und begeisterte durch sein archaisches, gefühlvolles (wenn auch nicht immer sauberes) Gitarrenspiel. Und dann diese Stimme! Hier merkte man, weshalb Eric Clapton ein fabelhafter Gitarrist, aber ein doch sehr mäßiger Sänger ist. Muddy röhrte wie der ältliche Hirsch, der mit den Frauen durch ist, aber pro forma nochmals sein Gebiet abstecken wollte. „Im A Man“, ebenfalls im „Last Waltz“ enthalten, geriet zum mitgestampften Höhepunkt. Das Seltsame daran ist, daß man stets weiß, was als Nächstes kommt, selbst der Vorspann des Songs ist immer der gleiche (und sinngemäß Bestandteil manch anderer Bluessongs): „Ooooh Yeeeah! Everything’s gonna be allright… this morning!“ Nur, man glaubt dem Muddy, daß alles in Ordnung ist… heute morgen, auch gegen 21.10 Uhr in der Philipshalle. Eben das macht den Wert des Blues aus. Und dies macht auch verständlich, warum Clapton weiterhin und schon wieder den Blues zupft. Diejenigen, die früher gegangen sind, irrten!