Eros Ramazotti, München, Olympiahalle
Die Frage quält schon lange: Was sind das nur für Menschen, die das neue Album eines 25jährigen Italieners in die Top Ten der deutschen Charts kaufen, obwohl das vorherige sich cbenfalls noch wacker in den Hitlisten hält? Und obwohl dieser Mann hartnäckig in seiner Landessprache singt. Sind es die frühreifen kleinen Mädchen, die schon vor dem ersten Blick in diese grünen Römer-Augen in Ohnmacht fallen? Oder sind es deren Mütter, so um die Ende 30, für die der knackige Eros inzwischen zum würdigen Nachfolger von Peter Maffay als Objekt ihrer Seitensprung-Träume geworden ist? Oder sind es vielleicht gar die gepflegten Herren, Freunde der Knabenliebe, die glauben, daß in Ramazzottis ganz privater Po-Ebene Dinge passieren, die ihnen nicht unbekannt sind? Ein Blick über die 8500 in der Halle genügt: Es sind alle drei.
Doch nur an seiner Optik kann es nicht gelegen haben, daß noch vor dem Refrain des Einstieg-Songs die ersten Tränen weggewischt, die ersten Töchter weggetragen werden müssen: Schlicht, fast schon im Grönemeyer-Look, schreitet Ramazzotti die Bühnentreppe herab, im richtigen Moment die Hüfte schwingend, die vom blauen Klempner-Kittel lässig umspielt wird. Nur gut, daß er den Blaumann erst kurz vor der stürmisch geforderten Zugabe auszieht: Ramazzotti im knappen Muscle-Shirt ist für viele doch mehr Eros, als sie vertragen können.
Dennoch — die Handwerker-Kluft ist geschickt gewählt: Zweieinhalb Stunden solider Italo-Songpop zeigen, daß musikalisches Handwerk doch eine Zukunft hat. Eros überzeugt in vielen Rollen — als versierter Gitarrist, Arrangeur und vor allem natürlich als Meister der leisen Sanges-Töne. Ein Rock’n‘ Roller ist er beileibe nicht, seine schüchternen Versuche, dann und wann auch mal etwas Dampf zu machen, enden meist schon bei einer warmen Brise.
Dafür entschädigt der südländische Edel-Mann mit seinen butterflockigen Balladen. Nur ein Italiener traut sich zur Zeit an solche Songs: Einfachste Harmonien, natürlich längst bekannt, aber trotzdem noch immer gern gehört, dazu die sonnengereifte Schmacht-Stimme, und alles wundervoll verpackt in Arrangements wie Tiramisu — verführerisch süß und dennoch leicht verdaulich. Band und Mischer-Mann unterstützen das mit CD-Sound für verwöhnte Ohren.
Ein moonwalk-fester Performer ist Eros nicht, den geilen Italo-Hengst sucht man ebenfalls vergeblich. Doch wenn er sich, fürchterlich ungeschickt allerdings, in den Schoß seiner Chor-Frau legt, die mit ihm (in Vertretung von Patsy Kensit) „La Luce Buona Delle Steile“ singt, um nur zwei Songs später weitaus erotischer seinem Bassisten über den Glatzkopf zu streicheln — dann sind alle zufrieden.
Mütter, Töchter und Kerls. Und — ehrlich gestanden — Ramazzotti ist ja auch wirklich ein ganz süßes Bärli.