Eros Ramazzotti – Edel, schon und gut gekleidet
In Italien ist sein Erfolg bereits Guiness-Buch-reif Aber daß der 24jährige Römer auch im kalten Germanien eine halbe Million LPs absetzte, macht neugierig. Oder auch mißtrauisch: Ist er vielleicht nur der fleischgewordene Traum deutscher Italien-Urlauberinnen? ME/Sounds-Mitarbeiter Jürgen Haake machte sich ein Bild.
Einen deutschen Sangesjüngling erkennt man bereits nach der ersten Single an Armani-Hose, Kaschmir-Pulli und Rolex. Mein Gegenüber beim Interview kann auf die Symbole des Erfolges verzichten: Selbst mit Jeans und Pulli macht er eine dermaßen gute Figur, daß ihn jeder Dressman beneiden würde. Die lockigen Haare sind pudeigetrimmt kurz, Nase und Ohren stehen gegen den Wind. Nein, ein Touristen-Pappagallo ist er nicht.
Aber seine dunklen grünen Augen verraten ihn. Sie strahlen, wenn er über Musik redet. Und werden stumpf, wenn er zum hundertsten Mal seine Biografie abspult.
Die allerdings ist für einen 24jährigen schon beeindruckend. Aufgewachsen in Cinecitta bei Rom, mit 20 Sieger im Nachwuchswettbewerb von San Remo. Zwei Jahre später gewinnt er mit „Adesso Tu“ bei den „Erwachsenen“. Seine bisher drei LPs erhielten Gold und Platin-Auszeichnungen in Ländern wie Spanien, Kanada und Japan, wo man italienisch – genau wie bei uns – für eine Speisekartensprache hält.
Die letzte LP IN CERTI MOMENTI gehört in Italien seit Monaten zu den meistverkauften. Bei uns sind die Umsätzte immerhin so hoch, daß er für eine Deutschland-Tournee im April ebenso große Hallen im voraus „ausverkauft“, wie es bisher nur Gianna Nannini gelang.
Für seinen Erfolg im anderssprachigen Ausland hat er eine simple Erklärung: J& wird an der Musik und den Harmonien liegen; die sind auch bei mir international. Man muß sich doch nur die deutschen Hitparaden betrachten: Da dominieren, genauso wie vor einigen Jahren auch in Italien, die anglo-amerikanischen Platten.
Das italienische Publikum ist mittlerweile etwas anspruchsvoller geworden, nicht zuletzt durch Leute wie Lucio Dalla oder Fabrizio de Andre. Was den musikalischen Anspruch betrifft, können wir mit den Amerikanern längst mithalten.“
Zu den Kollegen, die er schätzt, gehören Vasco Rossi und Zucchero, deren neue LPs auch hier veröffentlicht wurden, allerdings nur von einem Insiderkreis gekauft werden. Dagegen hat er, um es höflich auszudrücken, eine Aversion gegen Al Bano & Romina Power. „Natürlich gibt es auch in Italien Disco-Schrott. Da bewegen Fotomodelle ihre Lippen synchron zu einer vom Computer entwickelten Melodie. Und die ist meist noch von Phil Collins geklaut.“
Ramazzotti spielt zwar ebenfalls mit seinem Drumcomputer im eigenen Mailänder Studio. Aber dank einer fundierten Klavier- und Gitarrenausbildung und fragloser musikalischer Kreativität muß er nicht bei anderen klauen. Texte, Musik und Arrangements wachsen ausschließlich auf seinem Mist. „Ich hänge in jeder freien Minute im Studio. Mein Hobbv ist mein Beruf.“
Auch wenn der Vergleich anderweitig hinkt. In dieser Hinsicht erinnert er ein wenig an Peter Maffay. Und noch eine weitere Parallele verbindet die zwei Musikfanatiker: Das Jet-Set-Leben ist für sie ein Greuel.
Jch habe die Nase schon voll, wenn ich in Mailand essen gehe und überall erkannt und angestarrt werde. Da koche ich lieber für mich zuhause.“
Seinen Massenerfolg erklärt er sich und anderen mit den Worten eines Politikers: „Ich bin ehrlich: Ich mache meine Musik so gut ich es kann.“
Sein 26 Jahre älterer Kollege Paolo Conte meint: „Ramazzotti ist der jüngste alte Sänger. Die Jungen mögen ihn wegen seines Alters, und die Alteren hätten ihn gerne als Schwiegersohn. Außerdem,“ ergänzt er feixend. „ist er öfter im Fernsehen.“
Also doch ein Erfolg von gutem Aussehen und geschickter Promotion?
Die Unterstellung bringt Eros auf die Palme. „So oft trete ich nun auch nicht im Fernsehen auf. Mir sind Live-Auftritte viel lieber und wichtiger.“
Er gibt zu, detailbesessen zu sein.
„Ich kümmere mich um jede Kleinigkeit: vom Plakat bis zum Sound und dem Licht. Alles muß meinen Vorstellungen entsprechen.“
Das Bühnenbild jedenfalls liegt ihm mehr am Herzen als sein eigenes Erscheinungsbild. „Natürlich ist das wichtiger als Aussehen und Kleidung! Bei der achte ich allenfalls darauf, daß die Farben zum Licht passen. Ich brauche keine zehn Assistenten. Ich brauche keinen Make-up-Mann. Wichtiger sind die Musiker und die Roadies. Ich kann sogar meine Gitarre selber stimmen.“