Es hilft ja nichts


Goldfrapp sind raus und runter vom Club. Weil: Alison Goldfrapp will keine Diva mehr sein. Und Will Gregory brauchte einfach Raum zum Atmen.

Am Anfang, da waren Goldfrapp feinfühlige Soundmaler, Menschen mit erlesenem Geschmack und ruhiger Hand für einen feinen Strich. Doch dann verknallte sich das Duo aus London in biestige Beats, Disco, die fixe Idee, Donna Summer auch das letzte Stückchen Unschuld zu nehmen. Das funktionierte zunächst ganz gut, doch schon auf ihrem dritten Album supernature, auf dem sie es gleich ein zweites Mal versuchten, waren Verschleißerscheinungen zu hören. Es hilft ja nichts. Alison Goldfrapp wird nie Madonna werden, da kann sie sich noch so viele Pfauenschwänze oder anderes Zeug an den Hintern pappen. Und Will Gregory wird nie ein Giorgio Moroder oder Nile Rodgers, obwohl er, der mit Klassik und Filmmusik aufgewachsen ist, wohl insgeheim nichts lieber wäre als das.

„Ich mag Kopfsachen, aber irgendwann ist es auch mal gut damit. Jeder Mensch möchte irgendwann das Tier in sich herauslassen, nur auf sein Bauchgefühl hören, abtanzen. Klassik befriedigt diese animalischen Instinkte nicht.“

Aber es hilft ja nichts. Auf Dauer kann die Bewegungs- und Rampenlicht-Therapie für Will und Alison keine Lösung sein. Sie sind Studiogespenster, verflucht zur Tüftelei. Und schon erzählen sie auch schon wieder darüber, wie es zugeht in ihrer „Bastelstube“. Das neue Album, seventh tree, bietet eine Art akustischen Rundblick nicht zuletzt über ihre handwerklichen und musiktheoretischen Möglichkeiten. Von dieser Platte will kein einziger Song mehr in die Disco, seventh tree ist aber auch kein Paradigmenwechsel. Es lässt sich vielmehr und tatsächlich sagen: Goldfrapp rudern zurück. Aber das klingt gleich wieder so böse… seventh tree ist ein nichtsdestotrotz hörenswerter Kornpromiss zwischen dem Wunsch, wieder den cineastischen Sound des Debüts felt Mountain aufzuspannen, und der Absicht, sich vorsichtig am ätherischen Pop einer Kate Bush, Liz Fraser oder – nicht erschrecken – Sinead O’Connor auszuprobieren. Gregory kann die Gründe für dieses Vorgehen sehr genau benennen: „Wir waren sehr lange mit dieser wuchtigen Musik auf Tour, da entstand das Bedürfnis, wieder Sachen zu schreiben, die über mehr Raum zum Atmen verfügen, wärmer klingen, die Stimme reiner wirken lassen. Wir überlegten, wie wir aus weniger Aufwand möglichst viel machen können. Das lief sehr harmonisch ab.

Wir waren uns beide schnell einig.“ (Nun, selbst Wikipedia verweist zwar darauf, dass die Aufnahmesession im Winter 06/07 eher schwierig gewesen sein müssen, aber für den zweiten Versuch im Frühling wird das wohl stimmen, was Gregory erzählt…) Alison Goldfrapp indes wollte nicht nur anders klingen, sie wollte weg von dem Image der Discodiva, welches sie über vier Jahre gefüttert hatte. „Alle Augen waren auf mich gerichtet und erwarteten eine Frau, die mit meterhohen Absätzen und all dem Flatterkram über die Hauptstraße stolziert und schreit: ,Hallo, hier bin ich!‘ Mir wurde angedichtet, diese Bühnenpersönlichkeit, das sei ich selbst. Das ging mir irgendwann auf die Nerven. Immer nur dieses eine Bild von mir: dieses Monster, diese verdammte Schlampe.“

Dabei hatte die Welt gerade erst begonnen, sich an das Tanztheater von Goldfrapp zu gewöhnen. „Ooh La La“ (2005) war die bis dato erfolgreichste Single des Duos im heimischen Britannien. In den USA gab es eine Grammy-Nominierung. Und jetzt ziehen sich Goldfrapp wieder in ihren Fuchsbau zurück. „Wir tun das, was uns in den Kram passt, sonst hat die ganze Sache keinen Sinn“, bellt Alison. Gregory nickt nur. Es ist nämlich so: Wer Goldfrapp tatsächlich ins Nähkästchen schauen will, kriegt was gebellt und genickt. Da werden sie immer kürzer und knapper. Alison kichert höchstens noch ein bisschen seltsam.

Dabei könnten Goldfrapp so viel erzählen. Über das Albumcover, auf dem die Sängerin wie die Darstellerin in einem Historiendrama aussieht. Über die ständigen Anspielungen auf Naturerscheinungen in Album- und Songtiteln. Und wie es wohl ist, in einem Studio in der südwestenglischen, lieblich-ländlichen Grafschaft Somerset aufzunehmen. Weshalb Sinnlichkeit doch schöner ist als Glamour. Selbst wenn es umso etwas Einfaches geht, wie den Song „Cologne Cerrone Houdini“ und die eindeutigen Referenzen darin zu erklären, reden sie herum und lachen sich dann ins Fäustchen. Vielleicht ein Abwehrmechanismus: Goldfrapp wollen nicht zu viel verraten. Oder es steckt einfach nicht mehr dahinter. Kann auch sein. Sehr gut sogar. >»www.goldfrapp.com