„Euphoria“: 7 Gründe, warum Ihr Euch die US-Erfolgsserie auf keinen Fall entgehen lassen solltet
Sei es der grandiose Soundtrack, die geschickten Genrewechsel oder der sensible Umgang mit Themen wie Sucht, Sexualität und Gender: Wir erklären Euch, warum „Euphoria“ absolut sehenswert ist.
Seit dem 16. Oktober ist „Euphoria“, die US-amerikanische und von Drake co-produzierte Erfolgsserie mit israelischem Ursprung, auch endlich bei uns in Deutschland zu sehen. Nun können wir Woche für Woche mitverfolgen, wie Rue und ihre Highschool-Freunde und -Feinde in der von Smartphones und Sozialen Medien bestimmten Welt um das gesellschaftliche und tatsächliche Überleben kämpfen.
Im Detail dreht sich „Euphoria“ um eine Gruppe Teenager, von denen jeder für sich sein ganz eigenes psychisch-belastendes Päckchen zu tragen hat. Protagonistin und Erzählerin Rue wurde schon als Kind mit einer Reihe mentaler Erkrankungen diagnostiziert und hat deshalb im Laufe der Jahre gelernt, ihre inneren Kämpfe mit den verschiedensten Drogen zum Schweigen zu bringen. Ihre neue beste Freundin Jules hat wegen ihrer Identität als Trans-Frau ebenfalls mit einer düsteren Vergangenheit zu kämpfen. Die beiden Alphamännchen Nate und McKay ringen mit dominanten Vaterfiguren, die kurvige Kat mit dem gesellschaftlichen Schlankheitswahn und die moralisch-ambivalente Maddy mit ihrem gewalttätigen Freund, während das Schwesternpaar Cassie und Lexi sich aufgrund seiner alkohol- und drogenabhängigen Eltern selbst erziehen muss.
Warum es sich trotz (oder gerade wegen) des inhaltlich harten Tobaks dennoch lohnt, „Euphoria“ eine Chance zu geben, erfahrt Ihr hier.
1. Der Soundtrack
Der Soundtrack zu „Euphoria“ ist so vielfältig wie die darin porträtierten Charaktere selbst. Mal schluchzt Maddy herzzerreißend zu Billie Eilishs „when the party’s over.“, als ihr eine Beamtin die Kleider vom Körper schneidet, um sich die Wunden des jungen Mädchens anzusehen. Ein andermal lässt Rue ihren schmerzhaft ereignisreichen Sommer zu Bobby Womacks „Fly Me To The Moon“ Revue passieren, und auch der von Labrinth komponierte Original-Score geht immer wieder ganz tief unter die Haut.
Am musikalisch (und auch visuell) eindrucksvollsten ist wohl aber die letzte Szene der ersten Staffel: Hier wird die von Zendaya gespielte Rue im Drogenrausch zum Titelsong der Serie „All For Us“ (gesungen u.a. von der Schauspielerin selbst) überraschend zur Protagonistin eines (alb-)traumhaften Musicals. Außerdem Teil des bunt gemischten Soundtracks: Fiona Apple, Jamie xx, Agnes Obel, DMX, Solange und viele mehr.
2. Die surreal-schönen Aufnahmen
Der größtenteils sehr düsteren Handlung der Serie stehen ästhetisch wahnsinnig ansprechende Bilder gegenüber. Seien es bestechende Farbkombinationen, mühelos ineinander fließende Szenen oder aber der überraschende Wechsel zwischen verschiedenen Kamera- und Erzählperspektiven: „Euphoria“ ist ein absoluter Augenschmaus.
Ganz besonders viel Spaß macht zum einen die One-Shot-Aufnahme der Jahrmarktereignisse der vierten Folge, mit der eine regelrecht eigene surreale Welt erschaffen wird. Ein weiteres Highlight ist die visuelle Darstellung von Rues Drogenrausch auf einer Hausparty, durch den nicht nur der Teenager selbst, sondern auch der Zuschauer jegliches Gefühl für Raum und Zeit verliert.
3. Die überraschenden Genrewechsel
Pauschal lässt sich „Euphoria“ ohne Zweifel als Teenager-Drama einstufen. Dennoch gelingt es der Serie immer wieder, für kurze Momente die Genregrenzen verschwimmen zu lassen oder sogar komplett in ein anderes Format einzutauchen.
Neben der zuvor erwähnten Musical-Sequenz des Staffelfinales lässt sich als weiteres Beispiel für dieses Stilmittel außerdem eine Szene aus der siebten Episode nennen, in der Rue versucht Nates und Jules‘ Geheimnis auf den Grund zu gehen und sich dabei ganz plötzlich in eine Teen-Noir-Detektivin verwandelt. Auf diese Weise wird immer wieder für erfrischende Tempowechsel gesorgt, die der dunklen Materie eine überraschend verspielte Note verleihen.
4. Der sensible Umgang mit Themen wie Sexualität und Gender
„Euphoria“ verdeutlicht erfrischend anschaulich, warum sexuelle Orientierung und Identität heutzutage von vielen Wissenschaftlern als Spektrum bezeichnet werden. So weiß Jules zwar von klein auf, dass sie im falschen Körper geboren wurde und als Frau leben möchte, fühlt sich aber komplexerweise gleichermaßen zu älteren, homophoben Männern sowie zu sensiblen, jungen Frauen hingezogen. Auch Quarterback Nate führt seit Jahren eine leidenschaftliche Beziehung zu Maddy und treibt sich dennoch auf Dating-Apps für queere Singles herum.
Ebenfalls erwähnenswert ist die Tatsache, dass zwar zu keinem Zeitpunkt verschwiegen wird, dass es sich bei Jules um eine Trans-Frau handelt. Es ist jedoch nicht das erste, das der Zuschauer über den vielschichtigen Teenager erfährt. So ist Jules‘ Transsexualität ohne Zweifel ein Teil ihrer Geschichte, jedoch nicht die Eigenschaft, die sie als Person ausmacht. Chapeau!
5. Die Aufforderung zur Körperpositivität
Obwohl „Euphoria“ mit Schauspielern wie Zendaya, Alexa Demie, Jacob Elordi und Sydney Sweeney über zahlreiche Darsteller verfügt, die ohne Zweifel dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechen, so ist dennoch hervorzuheben, dass die Serie sich darum bemüht, die Attraktivität aller darin porträtierten Charaktere zu validieren. Neben Jules ist es vor allem Kat, gespielt von Barbie Ferreira, die im Laufe der Serie nicht nur lernt, ihren kurvigen Körper zu lieben, sondern ihn außerdem zu ihrem eigenen Vorteil einzusetzen.
Dass eine solche Selbstermächtigung nicht von heute auf morgen stattfindet und seine Tücken mit sich bringt, wird auch hier erkenntlich. So muss Kat zum einen lernen, dass nicht jeder Mann, der nach ihrem Make-over plötzlich Interesse signalisiert, auch ihre Aufmerksamkeit verdient. Zum anderen stellt sie schließlich fest, dass es die inneren Werte sind, die am Ende wirklich zählen. Wissen wir zwar sowieso alle, trotzdem schön, dass sich auch „Euphoria“ dieser Message anschließt.
6. Die Darstellung psychischer Erkrankungen
Trotz all der positiven Entwicklungen in Richtung Aufklärung und „Awareness“ ist das Thema „Psychische Erkrankungen“ für Nichtbetroffene leider oft immer noch schwer greif- und nachvollziehbar. „Euphoria“ schafft es, diesbezügliche komplexe Sachverhalte so treffend in Worte zu fassen, dass sie ein bisschen weniger fremd erscheinen. So leidet Rue beispielsweise an einer bipolaren Störung, die schwere depressive Phasen mit sich bringt. Wie es sich anfühlt, von einem auf den anderen Moment komplett im Elend zu versinken, wird dem unwissenden Zuschauer in der dritten Folge verdeutlicht.
Darin beschreibt Rue unangenehm treffend, mit welchen Veränderungen eine solche depressive Phase einhergeht: „Plötzlich verschwimmen alle deine Tage miteinander und erschaffen so eine endlose und dich erstickende Zeitschleife. Langsam beginnt dein Gehirn sämtliche Erinnerungen zu löschen, die dir jemals Freude bereitet haben. Und irgendwann ist alles, woran du denken kannst, dass dein Leben schon immer so war. Dass es für immer so bleiben wird.“
7. Der Umgang mit Drogenabhängigkeit
Auch Drogensucht ist nach wie vor ein stark mit Vorurteilen behaftetes Thema. Eines davon ist die Annahme, dass jeder Drogenabhängige eine traumatische Kindheit hinter sich hat. Rue erläutert innerhalb weniger Sekunden, warum sie das beste Gegenbeispiel für diese Hypothese ist: „Ich bin niemals körperlich misshandelt worden. Oder habe unter Wasserknappheit gelitten. Oder bin von einem Familienmitglied missbraucht worden. Also erklärt mir diesen Scheiß.“
Statt vor negativen Erinnerungen flieht sie vor einer genetischen Prädisposition, die dafür sorgt, dass die simpelsten Aufgaben wie Atmen oder das familiäre Abendessen ihr häufig schier unmöglich erscheinen. Während Rue ihren ersten Rausch so anschaulich beschreibt, dass der hiervon ausgehende Reiz selbst dem größten D.A.R.E.-Sympathisanten nachvollziehbar erscheint, verhindern Rückblenden ihrer letzten und fast tödlichen Überdosis jegliche Romantisierung des schwierigen Themas. Auf diese Weise klärt „Euphoria“ realistisch über Drogenkonsum bei Jugendlichen auf, ohne dabei den Zeigefinger zu erheben.
„Euphoria“ wird seit dem 16. Oktober 2019 immer mittwochs um 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Atlantic HD ausgestrahlt. Eine weitere gute Nachricht: HBO hat bereits eine 2. Staffel der düsteren A24-Erfolgsserie in Auftrag gegeben. Wann diese erscheinen soll, wurde allerdings noch nicht bekanntgegeben.