Exklusiv-Konzert von Blur in Berlin: Magische Momente mit der Eiscreme


Am 20. April spielten Blur ein exklusives Konzert im Studio der TV-Sendung „Circus HalliGalli“, wo sie ihre neue Platte THE MAGIC WHIP vorstellten. Mit Krautrock und polterndem Art-Pop verzauberten die Britpop-Helden rund 300 Leute.

Vom ersten Ton des Konzerts an macht Damon Albarn klar, wer der Herr im Haus und zwischen der Eiscreme-Bühnendeko ist. Im Fernsehstudio von „Circus HalliGalli“ gaben Blur für eine Handvoll glückliche Fans, die Tickets gewinnen konnten, sowie für einige Medienvertreter ein exklusives Konzert. Anlass ist THE MAGIC WHIP, ihre erste Album-Veröffentlichung seit zwölf Jahren. Der charismatische Sänger springt am Bühnenrand auf und ab, gestikuliert wild und bespritzt das Publikum mit Wasser, die Möglichkeit sichtlich genießend, mal nur vor rund 300 Leuten aufzutreten. Normalerweise pilgern Massen zu Blur-Konzerten, die für gewöhnlich in riesigen Locations wie dem Hyde Park in London stattfinden. Ob ihm nun 500.000 oder lediglich fünf Leute lauschen, scheint Damon Albarn egal zu sein – sie hängen ohnehin an seinen Lippen.

Umso erstaunlicher ist dies am Abend des 20. April. Denn ein Großteil der Setlist besteht aus allen neuen Songs von THE MAGIC WHIP, die noch niemand wirklich gut kennt. Zwar gab es bereits eine Handvoll von ihnen vorab zu hören, doch die Gefahr, von so viel Neuem erschlagen zu werden, besteht natürlich immer. Doch das Showcase funktioniert einwandfrei, nicht nur wegen der erstklassigen Songs und wegen Albarns Bühnenpräsenz, sondern auch wegen der sympathischen Tempi-Variationen im Set. In der ersten Hälfte folgt zumeist auf einen schnellen Song ein langsamer. Nach der Single „Lonesome Street“ mit dem so herrlich schrägen Akkord von Gitarrist Graham Coxon in der Mitte folgt das nachdenkliche „New World Towers“, an die geballte, zweieinhalb Minuten lange Energie von „I Broadcast“ schließt sich das elektronische „My Terracotta Heart“ an.

Als das System droht, theoretisch allzu vorhersagbar zu werden, variieren Blur immer mehr und lassen einige der besten Songs in der zweiten Konzert- und Plattenhälfte hören. Beim krautrockigen „There Are Too Many Of Us“, das in Noise-Schichten ausläuft, gibt sich Albarn schlagartig ernst und rezitiert die zynisch-depressiven Zeilen über die Überbevölkerung beinahe stoisch, bevor er in der zweiten Hälfte des Songs schließlich doch nach vorne tritt, Augenkontakt mit dem Publikum herstellt und fast wie ein Prediger wirkt. „The Church of Blur“ – passend zum kleinen Gospelchor, der das Quartett live unterstützt.

Während das düstere „Pyongyang“ etwas an Joy Division erinnert, groovt „Ghost Ship“, zusammengehalten von Alex James‘ Bassspiel, beinahe wie ein verschollenes Dub-Experiment vor sich hin. Schließlich droht „Ong Ong“, das zielsicher irgendwo zwischen der Musik der Beatles, der Kinks und Blurs eigenem Song „Tender“ (von 1999) landet, zur etwas peinlichen Mitgröhl-Nummer zu werden, doch der einprägsame „La la la“-Chorus schwingt sich zum Sethighlight auf. Keine Pub-Stimmung, sondern schönes Singalong. Beim kurzen Keyboard-Zwischenspiel des Songs ruft Albarn gar ein enthusiastisches „Specially for you, Börlin!“ aus. Am Schluss fügt er noch eine kleine akustische Coda hinzu – die er aber schelmisch nach nur einem Durchgang des Refrains beendet. Fast wie ein Test, ob seine Message auch angekommen ist. Ist sie. Es kommt zusammen, was zusammengehört. „I wanna be with you“.

„Beetlebum“ und „Trouble In The Message Center“, die Blur direkt im Anschluss an THE MAGIC WHIP spielen, fügen sich bemerkenswert gut ins Set ein. Vor allem der Song vom unbetitelten Album, welches 1997 erschien, könnte in der dargebotenen Version, bei dem Drummer Dave Rowntree die Band durch ein überlanges Outro peitscht und Coxon ein fantastisch krachendes Solo spielt, auch auf THE MAGIC WHIP enthalten sein. Eine Tatsache, die durchaus für die Qualität des Songwritings spricht.

Am Schluss des Konzerts bleibt jedoch vor allem ein Bild in Erinnerung. Beim elektronischen „Thought I Was A Spaceman“ singen Albarn und Coxon in trauter Einigkeit, als hätten sie nie damit aufgehört. Oh ja, Blur sind wirklich wieder da.

THE MAGIC WHIP erscheint am 24. April.