Faces Split – Rod Stewart Solo


Gekriselt hatte es ja lange genug. Aber daß die Sache ein so plötzliches Ende nehmen würde, konnte keiner ahnen. Ein paar Wochen vor dem Split war noch die Rede von einer umfangreichen Europa-Tournee gewesen, und dann, von einem Tag auf den andern, gab Stewarts Presseagent, Tony Toon, Rods endgültige Trennung von den Faces bekannt.

Entsprechende Gerüchte hatten sich seit immer hin zwei Jahren hartnäckig gehalten und die Klatschspalten gefüllt. Insider konnten sich freilich denken, daß über kurz oder lang ein Split über die Bühne gehen würde. Stewarts Solo-Alben waren im Schnitt durchweg unvergleichbar erfolgreicher als jede der Faces-Platten. Und Rods Wunsch nach einem Solo-Konzert nahm immer grössere Ausmaße an und schwebte die ganze Zeit wie eine düstere Wolke über der Gruppe.

Unzufriedenheit

Wann genau die Trennungsgerüchte einsetzten, ist heute kaum noch zu rekonstruieren. Allerdings war jedem seit langem bekannt, daß Rod von den bisher fünf Faces-LPs so gut wie gar nichts hielt und sie bei fast jeder Gelegenheit herunterputzte. Vergleicht man die Platten mit seinen eigenen, kann man ihm nur beipflichten: Im Gegensatz dazu wirken sie eher chaotisch und fehlerhaft und sind ohne Ausnahme miserabel aufgenommen und abgemischt. Die lockere Alkohol-Atmosphäre, auf die sie so großen Wert legten, schlug den Faces zumindest im Studio jedesmal ein Schnippchen.

Die alte Freundschaft

„Wir habens viermal im Studio versucht, und es ist nie das herausgekommen, was eigentlich geplant war. Meine Alben waren immer besser als die der Faces – immer! Ich denke, wir werden keine LP mehr aufnehmen, sondern nur noch Singles produzieren“, meinte Rod Ende ’74, als gerade „Faces Live – Coast To Coast“ erschienen war, deprimiert und niedergeschlagen. Angesichts dieser völligen Unzufriedenheit ist nur schwer zu verstehen, daß er sich nicht schon früher zu diesem Entschluß durchringen konnte. Aber irgendwie lag ihm sehr viel an seinen Kumpels, wie er sie nannte. Sie waren gemeinsam durch dick und dünn gegangen, hatten vieles zusammen erlebt, und vor allem verband sie Vorliebe für edle Rotweine und Cognac. Es hingen zu viele Erinnerungen daran, um die Flinte zu schnell ins Korn zu werfen.

Vorwürfe

Aber es sollte nicht beim Vorwurf der schlechten Platten bleiben. Stewart richtete seine immer stärker weidende Enttäuschung bald auch gegen die Musiker. Freilich nie persönlich, sondern immer durch ein Interview, dessen Glaubwürdigkeit er allerdings unter vier Augen meist wieder in Frage stellte (Es waren aber nicht immer die „bösen Zeitungsschmierer“, die sich da wieder etwas aus ihren Fingern gesogen hatten.) Rods Vorwurf, die Faces wären schlechte, verweichlichte Musiker, traf sie hart: „Ja, das tat weh! Wir fragten ihn später danach, und er meinte nur, er hätte das alles nicht gesagt. Ich denke, sowas wäre nicht passiert, wenn wir uns öfter gesehen hätten.“ Damals war Tastenmann Ian McLagan noch recht zuversichtlich…

Anderweitige Interessen

In der Tat gab es Zeiten, in denen die Bandmitglieder bis zu fünf Monaten nichts voneinander hörten, geschweige denn sich traten. Insbesondere die Tage vor der breit angelegten US-Tour im letzten Herbst stellten eine harte Belastungsprobe, für die Gruppe dar. Ron Wood, ihr Leadgitarrist, spielte „aushilfsweise“ bei der Rolling Stones Sommertour mit. Stewart befand sich in Memphis und war mit seinem immens erfolgreichen „Atlantic Crossing“-Album zugange, während der Rest Ian, der Drummer Kenny Jones und der japanische Bassist Tetsu Yamauchi – in England ihr Dasein fristeten und darauf brannten, daß es endlich losging. Die Tourneevorbereitungen Hessen auch nicht lange auf sich warten, aber mit ihnen kamen die Schwierigkeiten, die schließlich im Dezember zum endgültigen Bruch führen sollten.

Die US-Tour

Die races-World-Tour begann am 15. August in Miami und sollte neben den USA. Kanada, Australien. Japan und Europa heimsuchen. Ein/ig und allein für die Staaten engagierte Rod ein zwölfköpfiges Streichorchester, die Memphis Horns. und einen zusätzlichen Gitarristen, Jesse Ed Davis. Die Streicher gegen den Willen von McLagan, der für diese „Naniby Pamby‘-Strings absolut nichts übrig hatte. Das wäre nichts für eine Rock’n’Roll-Band, aber Rod könne sie gern behalten, wenn er sie selber bezahle. Er, Mac, würde jedenfalls keinen Pfennig für sie ausgeben. Also zahlte Stewart, und die Streicher blieben!

Ebenso erging es ihm mit Jesse, denn eigentlich war der legendäre Steve Cropper, der auch auf „Atlantic Crossing“ mitgemischt hatte, im Gespräch gewesen. Aber da machte Ron Wood nicht mit! Ihm lag Jesse’s Art weitaus mehr, und außerdem würde er sicher ungezwungener und weniger befangen spielen, wenn er nicht ständig neben einem seiner großen Idole stehen müßte. Stewarts ultimative Forderung nach einem anständigen Livesound und sauber gespielten Arrangements lastete noch zusätzlich auf der Gruppe und sorgte auch nicht gerade für das beste Feeling untereinander. Er hatte, wie ME (im November) berichtete, vor der Tour klipp und klar gedroht, es wäre seine ; Zusammenarbeit mit den , wenn diese Dinge nicht lieh bereinigt würden.

Disziplinierte Faces

Und diese Drohung half! Die Konzerte waren, an Faces-Maßstäben gemessen, geradezu uncharakteristisch. Sie spielten diszipliniert, sauber und gaben ihr Letztes. Stewart konnte zufrieden sein. Allerdings wurde auch sehr schnell deutlich, daß sich die Gruppe zu einer „Backing-Band“ für den Superstar entwickelt hatte. Wenn auch möglicherweise die geeignetste, die er je finden würde. Die Fronten hatten sich eindeutig verschoben.

Sowohl Rod als auch die Band reisten mit eigenen Presseagenten und Rod noch zusätzlich mit seiner neuen Freundin Britt Ekland, dem Hollywoodtraum einer süßen Schwedin.

Deep in Hollywood

Diese Miss Ekland dürfte ebenfalls nicht ganz unbeteiligt an Rods folgenreichem Entschluß gewesen sein. Bereits während der Tour mußte er sich von seinen Mitstreitern den Vorwurf gefallen lassen, ganz gehörig in den Bannkreis Hollywoodsund seiner Macher geraten zu sein. „Rod ist schon soweit, seinen englischen Akzent und seine englische Art zu verlieren. Er steckt so tief drin, daß er sich immer weiter von sich selbst entfernt. Wir andern dagegen sind stolz darauf, Engländer zu sein, denn wer könnte sich Bands wie Grateful Dead oder die Beach Boys in England vorstellen“, gab Mac zu bedenken. Kenny Jones mokierte sich währenddessen noch immer über die 80 000 Pfund, die ihm angeblich durch Stewarts Auswanderung in die Staaten verlorengegangen waren. Der Erfolg von „Atlantic Crossing“ schließlich bestätigte Rods Ansichten einmal mehr, und die Trennung schien mit jedem Tag wahrscheinlicher.

Small Faces Comeback

Im letzten November, einige Wochen nach der Konzertreise, tauchten dann bereits die ersten Gerüchte eines Small Faces-Comebacks auf, der Band, aus der die Faces 1969 hervorgegangen waren. Die Vermutung war nicht ganz unbegründet, denn zu diesem Zeitpunkt kletterte „Itchycoo Park“, der uralte Small Faces-Klassiker, langsam aber stetig erneut in die britischen Charts. Aber wie üblich stritten sowohl Management als auch Plattenfirma sämtliche Vermutungen diesbezüglich ab und wollten von nichts eine Ahnung haben. Die sofort an die Presse ausgegebene Meldung über eine kommende Englandtour verfehlte denn auch nicht die beabsichtigte Wirkung: Die Trennungsgerüchte verstummten wieder einmal für kurze Zeit.

Der Split

Aber die Sache war gelaufen! Es waren noch keine drei Wochen vergangen, als offiziell bekanntgegeben -wurde, Rod würde sich zugunsten einer Solo-Karriere von den Faces trennen, und Ron Wood würde in nächster Zeit fest bei den Rolling Stones einsteigen. Was aus den restlichen drei „Gesichtern“ werden sollte, stand noch nicht fest. Die Gründe, die Rod für seinen Austritt nannte, schienen an den Haaren herbeigezogen: Ron Wood wäre öfter bei den Stones anzutreffen als bei den Faces, und er hätte ihn ewig nicht gesehen. Natürlich spielte das auch eine Rolle, da Ronnie von sämtlichen Stewart-Platten nicht wegzudenken wäre, aber im großen und ganzen hatten sich die einzelnen Gruppenmitglieder derart auseinandergelebt, daß eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich war!

Stewarts Zukunft

Wie sollte es nun weitergehen? Stewart hatte bereits im Oktober ein eigenes Label an Land gezogen, wobei er allerdings nicht als einer der Direktoren fungiert, letzten Endes aber allein entscheidet, wer oder was unter Vertrag genommen wird. Es trägt den Namen Riva, und die erste Veröffentlichung war kürzlich Rods ausgekoppelte Single „This Old Heart Of Mine“. Demnächst soll auch das gemeinsame Album von Ronnie Lane und Ron Wood, die Filmmusik „Mahoney’s Estate“, dort erscheinen. Daneben steckt Stewart tief in der Arbeit für seine nächste LP, die in New Orleans und in Los Angeles, vermutlich mit den Meters, aufgenommen wird. Und außerdem muß er sich langsam um eine neue Backing-Group kümmern, da für den Sommer einige Konzerte in englischen Football-Stadien geplant sind. (Die gesamte englische Musikpresse rätselt schon seit Wochen, wer ihn dabei wohl begleiten wird.)

Ron und die Stones

Ronnie ist inzwischen festes Mitglied der Stones. Er wirkt bereits kräftig auf dem brandneuen Album mit und wird uns, wenn alles klar geht, in den nächsten Wochen mit ihnen einen Besuch abstatten. Für seine auf bisher zwei LPs begründeten Solo-Ambitionen wird wird er sicher auch in Zukunft genügend Zeit finden. Es wäre zu schade, wenn er sie an den Nagel hängen würde, denn jede von ihnen könnte allen Faces-Scheiben leicht den Garaus machen. Außerdem steht er damit als einzig ernstzunehmende musikalische Konkurrenz der Stones auf weiter Flur. Was Ian, Kenny und Tetsu angeht, sehen die Prognosen nicht so günstig und rosig aus. Mit Sicherheit werden sie aber keine völlig neue Band aus der Taufe heben, wenn sich die Comeback-Sache als Niete herausstellt und wieder im Sande verlaufen ist.

Ronnie Lane und Slim Chance

Dabei steht so gut wie sicher fest, daß der Small Faces-Rummel zeitlich stark begrenzt und eingeengt ist. Denn die beiden übrigen Ur-Mitglieder verspüren offenbar wenig Lust zu einer Neuformierung. Ronnie Lane, der die Faces nach der eher langweiligen „Ooh La La“-LP verlassen hatte, liegt momentan mit seiner Band Slim Chance nicht schlecht im Rennen: Neben ihrem frisch veröffentlichten Album „One For The Road“ verspricht auch die Single „Don’t Try To Change My Mind“ einiges, wobei sich viele fragen, ob in diesem Titel nicht bereits eine Absage an das Nostalgie-Unternehmen vorweggenommen ist. Steve Marriott, der andere, ist ebenfalls, geraume Zeit nach Auflösen seiner Humble Pie, wieder Chef einer vielversprechenden Truppe: Steve Marriotts All Stars.

Fest steht lediglich, daß die Urbesetzung der Small Faces zunächst einmal einen Promotionfilm für ihre „Itchycoo Park“-Single aufzeichnen und zwei groß angelegte Konzerte im Sommer geben wird. Es hat den Anschein, als wenn sich insbesondere Ronnie und Steve einen ungetrübten Blick für „Ursache und Wirkung“ im Rockbusiness bewahrt haben. Sie liegen bestimmt nicht falsch, wenn sie ihre eigenen Projekte denen eines kurzlebigen Reunion-Rausches vorziehen. In Tagen, in denen sich fast wöchentlich fast vergessene, alte Bands neu formieren, um noch etwas am „großen Geld“ zu schnuppern – sei es auch nur für ein paar Monate – scheinen einige Leute inzwischen doch etwas gelernt zu haben…