Faith No More
Billy Gould blinzelt in die hochstehende Sonne. „Heute wird’s bestialisch“, orakelt er düster. Daß dem Faith No More-Bassisten schon vor dem Open-Air-Auftritt in Sunrise/Florida der Schweiß von der Stirn läuft, liegt nicht allein am subtropischen Klima – die Band steckt mitten im Sommer in Hemden und adretten Anzügen. Warum, kann keiner so recht sagen. Keyboarder Roddy Bottum rechtfertigt das ungewöhnliche Outfit mit anderen Bands, die auch schon so musiziert hätten. Billy Goulds Witzelei, 15 Jahre seien Faith No More wie die Schweine herumgelaufen, nun sei es Zeit, endlich ordentlich auszusehen, ist auch nicht gerade zum Brüllen komisch. Mike Patton murmelt etwas von „mal was anderes machen“, und Drummer Mike Bordin meint, FNM würden eben in keine Schublade passen und trommelt wie zum Beweis halbnackt in seinen Shorts. Jon Hudson schließlich, der neue Gitarrist, stiert vor seinem zweiten US-Auftritt nur finster vor sich hin. Kurz: der ungewöhnliche Look wirkt irgendwie aufgesetzt.
Und genau so wirkt auch das Konzert. Faith No More schrubben – von der Hitze und technischen Problemen sichtlich angegriffen – lustlos jene 13 Songs herunter, die sie für diesen Festivalnachmittag ausgewählt haben. Nur ihr 90er Hit „Epic“ sorgt kurzzeitig für Begeisterung. Die gut 9.000 Fans versuchen lieber, Wasser aus den Feuerwehrschläuchen zu erhaschen, mit denen der Veranstalter für Abkühlung sorgen will, und sich mit Bier in Stimmung zu bringen. Doch die lasche, alkoholreduzierte Brühe, die hier ausgeschenkt wird, verfehlt ihre Wirkung. Keinen Mangel an Alkohol dagegen gibt’s bei Mike Patton. Er hat eine Flasche „Stolskovskaja“ mit auf die Bühne gebracht, aus der er sich zwischen den einzelnen Songs bedient. Der Wodka stachelt seine Aufsässigkeit an: „Habt ihr Idioten auch brav eine Flagge mitgebracht?“ grölt er das Publikum am Tag nach dem amerikanischen Unabhängigkeitstag an. Was im liberalen San Francisco, der Heimatstadt der Band, als kritisch-provokante Äußerung wohlwollend aufgenommen worden wäre, führt im konservativen Florida zu säuerlichen Reaktionen: Die Fans bewerfen Patton mit schlammigen Rasenstücken. Am Ende der 55minütigen Show ist sein Anzug arg mitgenommen, die Bühne eine Rutschbahn. Billy Gould hatte recht: Es war wirklich bestialisch.