Feine Sahne Fischfilet


Während Deutschland über die Gefahr von rechts diskutiert, rückt in Mecklenburg-Vorpommern eine Punkband ins Visier des Verfassungsschutzes. Der Vorwurf: Feine Sahne Fischfilet vertreten eine antistaatliche Haltung. Die Band selbst und ihre Fans sehen sich als linksalternativen Lichtblick im ansonsten braunen Alltag in der nordostdeutschen Provinz.

„Ich bin komplett im Arsch.“

Es ist bereits das zweite Mal an diesem Abend, dass Sänger Monchi diese Zeile in die vorpommersche Nacht brüllt; nur seine Stimme ist jetzt kratziger und Monchi betrunkener als vor einer Stunde. Es ist kurz vor ein Uhr nachts, das Gebälk des alten Speichers am Demminer Hafen ist nass von der kondensierten Atemluft der 600 Gäste. Die reißen noch ein Mal ihre Fäuste in die Luft und grölen gemeinsam mit dem Sänger und seiner Band die ersten Zeilen des Liedes „Komplett im Arsch“. Ein brachialer Chor, nicht mehr ganz taktsicher, der den Klang der Instrumente aus der unterdimensionierten Lautsprecheranlage zu einem kaum mehr wahrnehmbaren Hintergrundrauschen verschwimmen lässt.

Einen Song zweimal spielen, für viele Musiker ein Unding. Nicht für Monchi. Nicht für seine Band. Nicht für die Zuschauer. Freunde, Verwandte, Weggefährten. Musikbegeisterte, Freigeister, Antifaschisten. Von allen scheint in diesen letzten Minuten des Konzertes eine Last abzufallen. „Komplett im Arsch“ ist in dieser Nacht ihre Hymne. Und es sind Monchis Worte, es ist seine Band, es ist dieses Konzert, das alle kurz vergessen lässt, dass es solche Veranstaltungen hier eigentlich nicht gibt.

Im vorpommerschen Kulturalltag sind Punkkonzerte die Ausnahme. Es gibt kaum Gelegenheiten, als alternativer Jugendlicher, als Punk oder Antifaschist einen Abend mit Gleichgesinnten zu verbringen. Ein Realität, die zu bekämpfen sich Feine Sahne Fischfilet auf die Fahnen geschrieben hat.

„Wir wollen den Leuten hier eine Alternative bieten“, sagt Monchi, der eigentlich Jan Gorkow heißt. „Wir hätten uns zu Schulzeiten den Arsch abgefreut, hätte hier so etwas stattgefunden.“ Darum organisiert der 25-jährige bekennende Antifaschist schon seit Jahren Konzerte in seiner Heimat, dem Raum Demmin, in Rostock und Greifswald, auf denen er mit seiner Band spielt, aber auch befreundete Musiker einlädt. So wie heute: Gemeinsam mit Künstlern wie den neuen Labelkollegen Egotronic feiern Feine Sahne Fischfilet die Release-Party ihres dritten Albums Scheitern & Verstehen, das beim Hamburger Label Audiolith erscheint.

Natürlich wäre es dank des Deals mit einem etablierten Label einfach gewesen, die Veranstaltung in einer großen Stadt wie Berlin oder Hamburg abzuhalten. Monchi gibt zu, dass es sehr viel mehr Arbeit macht, die Party hier in der mecklenburg-vorpommerschen Provinz zu organisieren: „Aber es ist es wert, die Arbeit hier vor Ort zu investieren.“ Für ihn ist es ein politischer Auftrag, er will etwas bewegen in seiner Heimat, wenn auch nur im Kleinen. „Ich finde es wichtig, dass Kids hierherkommen können und nicht auf die Fresse bekommen, weil sie auf irgendeine Scheiß-Party in die nächste Großraumdisko müssen.“

Bei ihren Veranstaltungen beschränken sich Monchi und seine Bandkollegen meist nicht nur auf Konzerte, sondern organisieren mitunter politische Aktionstage. Monchi ist bereits seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen. Der stämmige Musiker, mit kurz geschorenen Haaren, Kinnbart und nicht immer freundlichem Blickt, trägt trotz Temperaturen nahe des Gefrierpunktes nur eine kurze Hose und ein leichtes, schwarzes Hemd. Trotzdem kommt er mehrmals ins Schwitzen. Monchi ist Headliner, Produktionsleiter, Booker, Moderator, Pressesprecher und Zahlmeister in Personalunion. Bereits am frühen Nachmittag eröffnet er einen politischen Vortrag über den Terror des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ in einem benachbarten ehemaligen Blumenladen. Monchi zählt 112 Zuhörer. Ein Erfolg. Es folgt eine Podiumsdiskussion über einen jährlich in Demmin stattfindenden Naziaufmarsch. Gleichzeitig koordiniert er in einem alten Backsteinflachbau am Hafen die Aufbauarbeiten für das Konzert. Über Stunden arbeiten Dutzende Helfer an Bühne und Bar.

Es ist die besondere Einsatzbereitschaft, die Monchi und seiner Band eine Art Kultstatus in antifaschistischen Kreisen ihrer Heimat, aber auch über die Grenzen Mecklenburg-Vorpommerns hinaus beschert hat. Sie gelten für viele Jugendliche als Vorbilder, die trotz widriger Umstände in der braunen Provinz Stellung gegen rechte Ideen beziehen. Eine Rolle, mit der sich die Band abgefunden hat: „Ich würde natürlich viel lieber chillen, als mich täglich mit diesen Naziwichsern rumzuplagen“, sagt Monchi. „Aber meine Realität und die Realität in Mecklenburg-Vorpommern ist eine andere.“

Nun allerdings hat das Engagement von Feine Sahne Fischfilet das Interesse des mecklenburg-vorpommerschen Staatsschutzes geweckt. Im vergangenen Oktober erschien der Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz für das Jahr 2011, in dem die Geheimdienstler, wie jedes Jahr, über aktuelle politische Gefahren im Bundesland informieren. Eine ernste Bedrohung sehen die Verfassungsschützer dabei offenbar in Monchis Band und widmen ihr ein eigenes Kapitel. Der Vorwurf: Feine Sahne Fischfilet sei mehr ein politischer Zusammenschluss als eine Band – mit einer „explizit-antistaatlichen Haltung“.

Als Monchi zum ersten Mal von dem Bericht hörte, ein Bekannter erzählte ihm davon, hielt er die Sache für einen Scherz. Beim Lesen folgte dann die Fassungslosigkeit: „Der ganze Bericht ist für mich total erbärmlich“, wettert Monchi. „Von Anfang bis Ende merkt man, dass da einfach Leute vor dem Computer hocken und irgendwelche Blogbeiträge abschreiben.“

Doch ganz so einfach machen es sich die Ermittler des Landesamtes für Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern nicht. Wie ein Mitarbeiter der Behörde erklärt (aus Gründen der Geheimhaltung kann er nicht mit Namen genannt werden), ist es richtig, dass ein nicht unerheblicher Teil der Erkenntnisse aus frei zugänglichen Quellen gewonnen würde. So würden zur Recherche Internetseiten und gedruckte Veröffentlichungen genutzt, aber auch Veranstaltungen besucht. Der größere Teil der Erkenntnisse allerdings werde aus geheimdienstlichen Ermittlungen gewonnen, die aber aus Geheimhaltungsgründen nicht im Bericht öffentlich gemacht werden könnten.

Im Fall von Feine Sahne Fischfilet habe es bestimme Anhaltspunkte gegeben, die zur Entscheidung führten, die Band zu beobachten. So seien Mitglieder der Band wegen unterschiedlicher Delikte aufgefallen, zum Beispiel Landfriedensbruch und Körperverletzung. „Anzeigen wegen Landfriedensbruch gab es bestimmt“, gibt Monchi zu. In der Vergangenheit nahmen Mitglieder der Band immer wieder an Veranstaltungen gegen rechte Demonstrationen teil. „Wir setzen uns oft auf Blockaden und finden es auch mehr als richtig, Naziaufmärsche zu blockieren.“

Laut Verfassungsschutz sei besonders besorgniserregend, dass die Band die Grundrechte der politischen Gegner, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, Recht auf körperliche Unversehrtheit, nicht akzeptiere. Monchi erklärt es so: „Wenn ein Nazi auf die Fresse bekommt, wirst du von mir kein Mitleid hören. Es passiert so viel Scheiße auf der Welt, da werde ich für Leute, die solch eine menschenverachtende Politik befürworten, keine Träne vergießen.“ Allerdings sei es nicht so, dass jemand aus der Band wegen Körperverletzung verurteilt worden sei. „Eine Anzeige bekommen und verurteilt werden, sind ja zwei grundverschiedene Dinge“, sagt Monchi.

Ein anderes Stichwort lautet: Antistaatlichkeit. „Wenn damit anti-nationalistisch gemeint ist, dann ist das keine Beleidigung“, winkt Monchi ab. Mit dem Prinzip der Nation könne er sich nicht anfreunden, egal in welchem Land. Doch besonders in Deutschland gebe es viele Sachen, die er „scheiße“ fände: Abschiebepolitik, Reaktionismus, der NSU-Skandal. „Du wirst nicht erleben, dass ich eine Nation abfeiere, die für solchen Scheiß verantwortlich ist.“ Eine Revolution werde er deswegen aber nicht vom Zaun brechen. „Aber das heißt für mich nicht, dass ich nicht viel scheiße finden kann.“

Trotz der Erwähnung im Bericht räumen die Verfassungsschützer ein, dass die Zahl der linksextremen Bands in Mecklenburg-Vorpommern deutlich geringer sei als die rechtsextremer. Andere Beispiele außer Feine Sahne Fischfilet gebe es nicht. Auch seien die Texte der Band im Vergleich zu denen rechter Gruppen eher harmlos.

Ein Eingeständnis, das einerseits die Zweifelhaftigkeit der Erwähnung der Band verdeutlicht, andererseits die Realität in Mecklenburg-Vorpommern widerspiegelt. Die Heimat von Feine Sahne Fischfilet gilt als eines der Bundesländer mit dem größten Gefahrenpotenzial von rechts. Laut Zahlen des Verfassungsschutzes und des Statistischen Bundesamtes von 2011 leben, bezogen auf die Einwohner, in Mecklenburg-Vorpommern mit Abstand die meisten Rechtsextremen, auf 100 000 Einwohner kommen rund 84 extreme Rechte. An zweiter Stelle steht Sachsen mit rund 63 Rechtsextremen auf 100 000 Einwohner. Dem gegenüber stehen rund 24 Linksextreme pro 100 000 Mecklenburgern.

Neben subkulturell organisierten Neonazis ist es vor allem die NPD, die das Leben nicht mehr nur am rechten Rand der Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns bestimmt. Im Jahr 2011 gelang der Partei mit sechs Prozent der Wählerstimmen der Wiedereinzug in den Schweriner Landtag, in einigen Orten gab jeder Vierte seine Stimme der rechten Partei.

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es rechte Wohnprojekte und Begegnungsstätten, nationale Aktivisten betreiben Internetportale und Versandhandel und laut Verfassungsschutz gibt es eine gut organisierte Musikszene mit 15 aktiven rechtsextremen Bands (Stand 2011).

Es war diese Realität, die Monchi und seine Bandkollegen dazu bewogen hat, etwas unternehmen zu wollen. Obwohl man ja nicht als Antifaschist geboren werde, sagt Monchi. Er kenne noch eine ganze Menge Lieder von Landser, einer Rechtsrockband, die im Jahr 2005 als kriminelle Vereinigung verboten wurde. „Doch irgendwann fängt man an nachzudenken und muss sich positionieren“, sagt Monchi. 2007 gründet er gemeinsam mit Freunden die Band Feine Sahne Fischfilet, anfangs noch mit sexistischen Texten, für die sich Monchi heute schämt. Doch mit der Zeit wurden sie politischer.

Damit begann ihr Leben als Zielscheibe rechter Gewalt. Monchi spricht von Angriffen auf den Bandbus, Buttersäure-Attacken und Prügel. „Ich habe oft auf die Fresse bekommen. Gott sei Dank habe ich einen guten Zahnarzt.“ Im gesamten Bundesland hingen Aufkleber, die ihn mit einem gespaltenen Schädel zeigen. Ein Artikel auf dem rechten Internetportal „Freies Pommern“, betrieben vom NPD-Landtagsabgeordneten Tino Müller, verhöhnt einen Angriff auf ihn. Als Opfer will er allerdings nicht verstanden werden. Schließlich wisse er, worauf er sich einlasse. „Was jetzt kein Märtyrer-Gequatsche sein soll.“

Als Märtyrer werden Feine Sahne Fischfilet von ihren Fans nicht angesehen, dennoch genießen die sechs Musiker einen gewissen Heldenstatus. Auf die Band angesprochen, fallen die Antworten immer gleich aus. „Gut, dass es diese Jungs hier gibt.“ Oder: „Sonst würde doch niemand etwas tun.“

Auch bei der Meinung zur Erwähnung im Verfassungsschutzbericht herrscht Einigkeit. Man nimmt es mit einer Mischung aus Unverständnis und Humor. So auch die Band. Am Merchandise-Stand verkaufen sie T-Shirts mit der Aufschrift „Vorpommerns gefährlichste Band“. Zum Dank für die kostenlose Werbung durch den Verfassungsschutz – das Medienecho war enorm und das Album Scheitern & Verstehen musste wegen großer Nachfrage bereits zweimal nachgepresst werden – übergab die Band einen Präsentkorb samt Album an einen Mitarbeiter des Innenministeriums in Schwerin. Seine Tochter werde sich über den Besuch sicherlich freuen, sagte der überraschte Beamte. Sie sei ein Fan.

Trotz rechter Drohungen im Vorfeld gibt es an diesem Abend keine Vorfälle. In der Vergangenheit sei das auch schon mal anders gewesen. Auf die Frage, ob Monchi auch die nächste Record-Release-Party in Demmin feiern werde, antwortet er: „Wenn es nach mir geht, könnten wir die nächste Party auch in einem Jacuzzi feiern.“ Und er meint es ernst. Gegen das Reichwerden mit seiner Musik habe er nichts. Gesicht zeigen und in Mecklenburg-Vorpommern auftreten werden er und seine Band trotzdem weiterhin.