Flieg nicht so hoch …
Der Band Super700 wurde internationaler Erfolg prophezeit. Zum Teil hat sich das sogar erfüllt. Aber ist es das, was für sie zählt?
Ich träume davon, eines Tages mit einem Hubschrauber-Rucksack auf dem Rücken zu fliegen“, sagt Ibadet Ramadani und muss lachen bei dieser Vorstellung. Schließlich hatte man ihr schon einmal prophezeit, dass sie bald abheben würde. 2006 war das, als ihre Band Super700 mit sphärischen Gitarrensounds das allgegenwärtige Deutsch-Pop-Allerlei vom Acker fegte. Der Alarmstart in eine internationale Karriere schien nur noch eine Frage der Zeit. Darin waren sich die Kritiker und auch der einstige The-Strokes-Produzent Gordon Raphael einig, der am vielschichtigen System der damals siebenköpfgen Band mitbastelte. Doch der Höhenflug blieb komischerweise aus.Zu komplex? Zu außergewöhnlich? Letztlich gab es keine schlüssige Erklärung, warum die Band mit den drei Schwestern und den vier Jungs kommerziell nicht so recht gezündet hat.
Super700 erkennen: Man könnte den Erfolg vielleicht erzwingen, talentiert, hübsch, interessant genug dafür sind sie – aber das würde eben auch bedeuten, sich „selbst zu kommerzialisieren“ wie die Sängerin es nennt. Doch sie wollen mit einer Pop-Idee überzeugen, die auch mal ausufern darf, mit Jazz-Elementen, Harmoniegesängen und TripHop-Versatzstücken. Was sie außerdem wollen: spielen, touren, immer weiter.
Eine Tour führt die Berliner Band auf den Balkan und in den Kosovo, der Heimat von Ibadet, später bis nach China. Ihr zweites Album Lovebites erscheint dort inzwischen zum dritten Mal, schätzt Bassist und zweiter Songschreiber Michael Haves. Ganz sicher kann er sich nicht sein, da ihr dortiges Label und die staatliche Prüfstellen sich in guter chinesischer Tradition nicht in ihre Veröffentlichungspolitik schauen lassen. „Wahrscheinlich ist eher so, dass längst eine chinesische Band unsere Songs covert“, scherzt er.
Shanghai mit seinen LED-Lichtern, die Blade-Runner-Kulisse und das unwirkliche Licht, das vom Himmel fällt, wenn der Smog den Sonnenschein dimmt, haben auch akustisch Spuren hinterlassen. Das neue Album Under The No Sky ist jedoch nicht nur Ergebnis äußerer, sondern vor allem innerer, zum Teil bewusst initiierter Umbrüche. Michael Haves, der wie Ibadet Ramadani neben einer musikalischen Ausbildung seine Wurzeln im Jazz hat, nimmt für den neuen Longplayer als „wohlwollender Diktator“ erstmals den Platz des Produzenten ein und rekapituliert: „Es ist ein ewiger Kampf gegen sich selbst und das eigene Unwissen. Doch irgendwann hat man genug gelernt, um diese Rolle übernehmen zu können.“ Das Bandgefüge selbst ist kompakter geworden. Ibadets Schwestern Ilirjana und Albana sind nach Lovebites ausgestiegen, ebenso Keyboarder Simon Rauterberg und Gitarrist Johannes Saal. Inzwischen sorgt Jan Terstegen dafür, dass Super700 heute kantiger klingen. Bewunderer könnte Under The No Sky damit nicht nur in China finden. Und Erfolg ist am Ende ja, was die anderen daraus machen.
Ina Göritz
Albumkritik S. 104