Florence and the Machine
Mode-Ikone Florence Welch bestätigt mit Orchester in der Berliner C-Halle ihren Ruf als Dämonen bekämpfende Engelserscheinung und Lieblingsmädchen von nebenan.
Seit Karl Lagerfeld Florence Welch zu seiner Muse erklärt hat, liegt die Modewelt der 25-Jährigen zu Füßen. Entsprechend stilbewusst steht das Publikum des seit fünf Monaten ausverkauften Konzerts vor der Berliner C-Halle Schlange: Stylomädchen, Fashionblogger, Hipsterpärchen, die Checker aus der letzten Reihe. Da kann man sich schon mal kurz Sorgen machen: Geht es hier auch noch um Musik oder interessieren sich diese Menschen nur für die Abengarderobe der Londonerin?
Das erste Mal kommt Welch (Klamotten: casual) auf die Bühne, nachdem die Vorband Spector sich durch eine anbiedernde Version von „Shake It Out“ polterte. Die Gecoverte bedankt sich und verschwindet. Eine Stunde später und unter frenetischem Jubel erscheint sie wieder, die Grande Dame des Bombast-Pop, mit nichts als ihrem Stimmwunder und einem weißen Engelskleid. Hinter ihr und vor einem Kirchenglas-Imitat baut sich eine siebenköpfige Band an Gitarre, Harfe, Orgel, Pauken und Percussion, Bass, Schlagzeug, Tasten und Backgroundmikrofon auf. Und so sehr diese Band den Sound zu dem Theater macht, das er ist, so sehr bleibt Welch der magnetisierende Mittelpunkt der folgenden 80 Minuten.
Mit „Only If For A Night“, dem programmatischen Opener ihres zweitens Albums Ceremonials und des Abends, gibt sie dessen Takt vor. Sie zelebriert den Song, als ob es bereits der letzte wäre. Sie tanzt, hüpft herum, wirft die ausladenden Arme ihres Kostüms wie Flügel durch die Gegend – und verfängt sich im menschlichsten Moment darin -, erhebt und verneigt sich, steht dann wieder still da, breitet die Arme aus wie eine Prophetin vorm Jüngsten Gericht, umarmt die Welt, wendet sich von ihr ab, singt voller Inbrunst düstere Zeilen wie „Looking for heaven, found the devil in me“, sucht Katharsis. Dann lacht sie wieder derb, erzählt Geschichten davon, dass sie ein bisschen Deutsch könne: „Ich habe eine Katze“, etwa, oder: „Ich habe ein Haus.“ „Das stimmt beides, ich lüge nicht“, sagt sie hinterher und lacht so laut und herzlich, dass man selbst hier an Hall und Dopplung glauben will. Kurzum: Sie ist eine nahbare Königin, ist Diva und das süße Mädchen von nebenan zugleich.
Manchmal kommt nicht jedes Wort und nicht jeder Ton in seiner eigentlichen Reinform an, „Shake It Out“ etwa klingt beinahe blechern. Der Stimmung tut das keinen Abbruch: Die Mädchen lächeln, ihre Freunde auch, sogar die Checker am Tresen haben ein Funkeln in den Augen. „Dog Days Are Over“ geht im Mitgeklatsche auf und unter, eine britische Frauenfußballgruppe pfeift und johlt, als seien sie im Stadion auf der Tribüne. Nein, der Abend ließ keinen kalt. Weil er von Florence inszeniert wurde, als ob es der letzte wäre. Und das macht Bühnenwunder schließlich aus. Fabian Soethof