Frequency-Festival Im Green Park, St. Pölten
Ältere Herrschaften rocken neues Gelände: das Frequency als (famose) Ü30-Fete.
Grace Jones, Marc Almond, Jarvis Cockerjello Biafraund, ja, Radiohead sindauch nicht mehrdie jüngsten. Ein wenig fühlt man sich an 90-Jahre-Festivals zurückerinnert, bei denen Aerosmith und Genesis als Headliner verpflichtet wurden. Unterschied: Damals hinkten die Oldie-Acts der Zeit hinterher, heute gehen sie ihr voraus. Den energetischen Sound von Ex-Dead-Kennedy Jello Biafra muss man erstmal hinbekommen. The (immer abgehalfteteren) (International) Noise Conspiracy schaffen das genauso wenig wie Bloc Party. Das zweifellos grandiose Liedgut Letzterer ersäuft mal wieder in verwässertem Klangbrei. Und dann noch diese „Show“: Songs wie „The Prayer“ und „HuntingForWitches“ büßen im Rahmen hohler Anmachsprüche („Areyou having a good timei … I can’t hear you!“) denn doch einiges an Aussagekraft ein. Dagegen glänzen die Zwischenmoderationen von Jarvis Cocker, dem sei ne beständig wachsende Zuschauerschaft gegen Ende des Kurzkonzerts aus den Händen frisst. Unter den U30-Bands gelingt es einzig Kasabian, eine derartige Zutraulichkeit des Publikums zu erreichen. Mit schwurbeligen Lichteffekten hypnotisieren die Nu-Psychedeliker die Massen; schnell ist hier allen Serge Pizzornos stimmschwacher Gesang egal. Überraschungssieger ist Marc Almond: 17 Jahre nach seinem letzten Hit kann er die Treue seiner Fans kaum fassen und bedankt sich trotz beträchtlicher Wampe mit immer tollkühneren Tanzmanövern. Kurz darauf wird ihm die Show auch schon wieder gestohlen: Ladies and Gentlemen, it’s Miss Grace Jones. Wie gewohnt präsentiert sich die 61-Jährige als alterslose Kunstfigur, zeigt, dass man mit reduzierten, geschmackvollen Kostümwechseln mehr erreichen kann als eine Lady GaGa, die sich für jeden Song ein komplettes Modehaus überwirft: Während des achtminütigen „SlaveToTheRhythm“ lässt sie einen pinkfarbenen Hula-Hoop-Reifen über ihren irrealen Knackpo kreisen und entschädigt spätestens damit die tausend Leute, die sich das historische Ereignis auf der Hauptbühne – Radioheads Osterreich-Livedebüt! – entgehen lassen. Für die Oxforder findet die Jamaikanerin nur abfällige Worte: Man müsse jetzt mal richtig Gas geben, sonst mache einen die „drama music“, die von der Megabühne herüberschwappt, noch ganz schläfrig. Ziemlich parallel zu diesem Affront zollen Radiohead übrigens der Jones Tribut, widmen ihr den „Pyramid Song“. Nur einer von vielen großen Momenten (ein anderer ist die Uraufführung des neuen Songs „These Are My Twisted Words“) unter einem gigantisch-graziösen Lichtvorhang, der die emotionale Wucht dieser Songs noch potenziert.
Wucht recht anderer Art bieten The Prodigy: Die reihen unbeirrt Mcdiokres aus ihrer Spät- an Grandioses aus ihrer Früh/Mittelphase, zerstören damit ihr eigenes Denkmal – egal. Hauptsache zerstören. Das leichte Ziel eines volltrunkenen Publikums mit optischem Altersdurchschnitt von 20 Jahren leistet keine Gegenwehr: Begeistert lässt es sich von den Basswalzen dem Erdboden gleichmachen. Apropos Erdboden: Der ist ja nicht mehr derselbe wie in den Jahrenseit 2002. Das Frequency ist von einem idyllischen Tal am Salzburgring auf ein St. Pöltcncr Gelände mit dem Charme eines Möbelhausparkplatzes gezogen. Solange ein Line-up wie in diesem Jahr das Ödland aber ignorieren lässt, soll man nicht klagen.