Warum die Netflix-Serie „Friends from College“ so viel besser ist als ihr Ruf
Thirtysomethings mit Erwachsenenproblemen kurz vor ihrer Midlife Crisis, die gerne wieder ein unbeschwertes Studentenleben hätten: Die 2. Staffel dieser sträflich unterschätzten und topbesetzten Comedy-Serie ist noch kurzweiliger als die erste. Goutiert haben das offenbar zu wenige.
Die Netflix-Serie „Friends from College“ hatte es von Beginn an nicht leicht. 24 Prozent bei „Rotten Tomatoes“, 44 von 100 Punkten bei „Metacritic“, Kritikerurteile wie „Even a cast of talented comedic actors can’t keep Friends from College from being anything but underwhelming“, „Each character may be unpleasant in his or her own right, but the sheer charmlessness of the group is hard to overstate. If they were sitting at a table near you, you’d leave the restaurant“ und, aus Deutschland, „(…)bleibt als humoristisches Zimmerfeuerwerk so weit unter den Erwartungen, dass die Wettbewerber für einen Moment durchatmen können. Originelle Drehbücher kann selbst Netflix nicht auf Knopfdruck bestellen. Eine ausbaufähige Serie für Regentage, an denen nichts anderes läuft“ sprechen eine deutliche Sprache.
Wir wollen deshalb eine Lanze brechen: Wer über 30 ist und die erste Staffel „Friends from College“ 2017 verpasst hat, weil ihm weder der Streamingdienst-Algorithmus noch Werbeplaner, rezensierende Medien oder die echten Freunde bisher die Großartigkeit oder bloße Existenz dieser Comedy-Serie nahelegten, erfährt von uns gleich zwei gute Nachrichten: 1. Freut Euch, dass Ihr dieses kurzweilige Vergnügen noch vor Euch habt. 2. Freut Euch noch mehr darüber, dass die zweite Staffel nun da und noch kurzweiliger als die erste ist. Die schlechte Nachricht heben wir uns bis zum Schluss auf. Aber der Reihe nach.
Fremdgehen und Fremdschämen
In „Friends From College“ treffen sich, richtig, alte Freunde aus College-Zeiten wieder. Sie sind alle über 40 und haben andere Probleme als damals: Anwältin Lisa und der erfolglose Buchautor Ethan sind mittlerweile verheiratet, ziehen gerade nach New York und planen eine künstliche Befruchtung. Innenarchitektin Samantha hat einen Mann, zwei Kinder und seit der Uni eine On-Off-Affäre mit Ethan. Literaturagent Max‘ Freund Felix ist Gynäkologe und soll Ethan und Lisa helfen. Nick ist arbeitsloser, aber wohlhabender Single, Marianne ist Yoga-Lehrerin und arbeitslose Schauspielerin. Gemeinsam studierten sie in Harvard, gemein haben sie heute, dass ihre neuen Partner aus nachvollziehbaren Gründen nicht allzu viel vom alten Freundeskreis halten: Sobald die „Friends from College“ aufeinandertreffen, benehmen sie sich nämlich allesamt wie aufgedrehte Teenager, bei denen es nur um Partys und Inside Jokes geht. Die erste Staffel erzählt hauptsächlich davon, wie Ethan und Sam ihre Affäre vertuschen und gipfelt in einer Geburtsfeier für Sam, bei der diverse Geheimnisse ans Licht kommen.
Achtung, Spoiler zur 2. Staffel von „Friends From College“
Die zweite, Mitte Januar gestartete Staffel knüpft zeitversetzt an das Finale von Staffel 1 an: Max und Felix wollen heiraten. Auf ihrer Verlobungsfeier trifft der zerstrittene Freundeskreis nach langer Auszeit erstmals wieder aufeinander. Lisa, die selbst einen One-Night-Stand mit Nick hatte, hat sich von Ethan getrennt und will nun von ihrem neuen Freund Dominic schwanger werden. Sams Mann Jon spammt nach der Trennung ihren Bekanntenkreis zu, Max hilft Ethan beim Pitchen und Schreiben eines hanebüchenen Young-Adult-Romans und dessen Fortsetzung („Boy Horse“) und so weiter.
Stimmt schon: Im Grunde ist „Friends From College“ keine Besonderheit, aber das Drehbuch und die Hauptdarsteller sind stellenweise urkomisch. Die weiße Mittelklasse – mutmaßlich also Netflix‘ Hauptzielgruppe – dürfte sich früher oder später unschwer in den Lebensentwürfen der Protagonisten und in den Existenzfragen bzw. First World Problems, die sie beschäftigen, wohl oder übel wiederfinden. Ehe, Kinder, Karriere, Scheidung, Vereinbarkeit, Sehnsucht nach Unbekümmertheit: Klar, Zuschauer und Kritiker unter 30 können mit dieser Lebenswelt wohl wirklich nicht viel anfangen. Für Nostalgie als Auffangkissen sorgt innerhalb der eigentlichen, älteren Zielgruppe der Cast: Max wird gespielt von Fred Savage, Kindern der 80er noch als Kevin Arnold aus „Wunderbare Jahre“ bekannt. Die in Staffel 2 für ein paar Folgen auftauchende College-Bekannte Merill spielt Sarah Chalke, unter Comedyfans weltbekannt als Dr. Eliott Reid aus „Scrubs“. Lisa wiederum wird von Cobie Smulders aus der schrecklich erfolgreichen Sitcom „How I Met Your Mother“ gemimt. Und ach, einen Gastauftritt von Seth Rogen gibt es auch.
https://www.youtube.com/watch?v=jubZte-PZUE
Der zweiten Staffel kommt dabei gelegen, dass die acht neuen Folgen nun jeweils rund 30 Minuten kurz sind. Moment, die acht Folgen aus der 1. Staffel waren auch nicht länger? Kamen dem Autor aber so vor – was entweder gegen die Gag- und Dramadichte in Staffel 1 oder für die Gag- und Dramadichte in Staffel 2 spricht. Die beste Folge ist die vorletzte: Max, Nick und Marianne scheitern grandios daran, Ethan und Sam das Gefühl zu geben, dass es ihnen nichts ausmache, dass die beiden so alten Freunde von ihnen nun ein Paar seien. Dabei haben sie doch sogar unbeeindruckt und unangewidert aussehende Gesichtszüge geübt!
Eine weitere Stärke von „Friends form College“ ist gleichzeitig eine Schwäche: Der Soundtrack ist mit Pavement, Eels, Breeders, Ben Folds, The Wallflowers sowie Wilco hervorragend und dazu mit Hanson und Chris De Burgh auch hervorragend trashig bestückt. Die Omnipräsenz von Britpop (Oasis, Cornershop, Stone Roses, James, Radiohead) aber wirkt mitten im hochpolierten Manhattan stets deplatziert.
Aber was soll’s: Am 18. Februar gab Regisseur Nicholas Stoller via Twitter bekannt, dass Netflix keine dritte Staffel bestellen wird – die Serie wird damit abgesetzt. Schade!
https://twitter.com/nicholasstoller/status/1097679916357738496