Fucked Up


Die Kanadier demonstrieren am legendären Gegenbeispiel im Berliner SO36, wie man Sturm macht.

Vor zwanzig Minuten stand eine Legende auf dieser Bühne. Damian Abraham, in voller Fahrt schon wieder irgendwo mitten ins Publikum gefahren, muss das gerade noch einmal betonen: Mit einer großartigen Band sei man da gerade unterwegs – Off!, das 2009 aus alten US-Hardcore- und Energisch-Rock-Helden zusammengestellte Quartett. Und deren kleiner Frontmann, dem immer noch ansehnliche Rastaschwänze aus dem Kopf wachsen – das ist Keith Morris. Ur-Shouter von Black Flag, später Chef der sagenhaften Circle Jerks. „This guy is really old“, berichtet Abraham: Der habe 1972 die Stooges live gesehen. Keith Morris, 55. Shoutet immer noch am liebsten Songs unter zwei Minuten. Mit Titeln wie „I Don’t Belong“ oder „Rat Trap“. Alles eine Frage der Energie. Der Wut. Morris kann von beidem noch was abgeben.

Was Damian Abraham nicht sagt, weil es ihm als ausführende Gewaltigkeit vielleicht gar nicht bewusst ist, vielleicht verbietet es ihm aber auch der Respekt: Seine Band Fucked Up ist gerade dabei, diese Geister der vergangenen HC-Weihnacht zu pulverisieren. Nein, die jungen Kanadier holzen nicht einfach nur doller. Sie gehen dafür, dass sie als (Post-)Hardcore-Kapelle gelten, eher fast schon absurd reflektiert und geistreich zu Werke. Dass ihre aktuelle Doppel-LP wie als Gegenentwurf zur Kurzatmigkeit der 1 000 Jahre alten Off!-Schule als Konzeptalbum ausformuliert wurde, ist nur eines der offensichtlichsten Zeichen dafür. Live erzählen Fucked Up aber nicht die lange Geschichte, sondern konzentrieren sich darauf, ihre Songs zu Stürmen zu machen. Dazu brüllt einen Damian Abraham rein. Alle Energie und Wut verwandelt sich schließlich in Schönheit. Die 1 000-jährigen Typen in ihren Descendents-Shirts nicken dazu ein bisschen mit den Köpfen, wie sie es schon bei Off! getan haben. Stumpfe Brut!