„Fusion Festival“-Veranstalter: „Mit einer derartigen Polizeipräsenz wäre die Fusion einfach keine Fusion mehr“
Eine anlasslose Bestreifung des Fusion Festivals müsse vehement juristisch bekämpft werden. Auch Meret Becker stattete der Pressekonferenz einen kurzen Besuch ab, um ihre Solidarität mit den Veranstaltern zu bekunden.
Der Kulturkosmos, Veranstalter des alljährlichen Fusion Festivals im mecklenburgischen Lärz, hat sich am 8. Mai 2019 in Form einer offiziellen Pressekonferenz ausgiebig zu seiner aktuellen Auseinandersetzung mit dem neubrandenburgischen Polizeipräsidenten Nils Hoffmann-Ritterbusch geäußert.
Anfang Mai war ein Streit zwischen Hoffmann-Ritterbusch und dem Kulturkosmos entbrannt, als das Sicherheitskonzept der Festival-Veranstalter, das die vorigen Jahre ohne größere Probleme von den zuständigen Behörden akzeptiert worden war, auf unerwarteten Widerstand stieß.
Zwar stimmten die Festivalveranstalter einigen der geforderten Konzeptveränderungen zu, mit einer anlasslosen Bestreifung durch die Beamten und einer zentral eingerichteten Basis der Polizei innerhalb des Festivalgeländes wollte man sich aber nicht einverstanden geben.
Kulturkosmos-Vorstand Martin Eulenhaupt versuchte sich an einem Vergleich, um das gewünschte Ausmaß einer Polizeipräsenz zu verdeutlichen. Demnach verhalte es sich mit den Beamten wie mit den Geldautomaten, die die Veranstalter jedes Jahr außerhalb des Festivalgeländes platzierten: „Wenn man sie braucht, müssen sie erreichbar sein. Aber niemand möchte sie die ganze Zeit sehen.“
Vergleiche mit der Loveparade 2010, bei der durch eine Massenpanik und unzureichende Sicherheitsvorkehrungen 21 Menschen ihr Leben verloren und 541 weitere schwer verletzt wurden, hält Eulenhaupt für zynisch. Die Polizei solle sich stattdessen „am eigenen Schlüpper ziehen“ und überlegen, welche Verantwortung sie selbst an solch einem Unglück trage. Ähnliche Vorkommnisse habe es beim Fusion Festival schließlich noch nie auch nur ansatzweise gegeben.
„Niemand hat die Absicht, die Fusion zu verbieten“
Hendry Tesch, der Bürgermeister des an Lärz grenzenden Mirows, berichtete weiterhin von zahlreichen empörten Anrufen, die er von besorgten Einwohnern erhalten habe. Die Aussage des Polizeipräsidiums, niemand habe die Absicht, die Fusion zu verbieten, stoße den Leuten übel auf. Die Formulierung erinnere zu stark an die Worte des ehemaligen DDR-Staats- und Parteichefs Walter Ulbricht, der einst behauptete: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Es sei kein Wunder, dass niemand so recht an eine wohlwollende Stellung Hoffmann-Ritterbuschs glauben wolle.
Tatsächlich fühle sich seines Wissens nach niemand in der Gegend von den rund 70.000 Festival-Besuchern bedroht. Stattdessen habe der Kulturkosmos erfolgreich „Vorraussetzungen geschaffen, von denen man lernen kann“, so Tesch.
Als rechtlichen Beistand hätten sich die Veranstalter nun Rechtsanwalt Janko Geßner an die Seite geholt. Dieser betonte, dass für die vom Polizeipräsidenten geforderte anlasslose Bestreifung des Geländes und die zentrale Beamtenstation auf dem Festival keinerlei rechtliche Grundlage bestehe. Stattdessen wäre eine Einwilligung vonseiten des Kulturkosmos‘ „ein Blankoscheck für alle polizeilichen Maßnahmen“.
Dr. Bijan Moini von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) erklärte, dass Hoffmann-Ritterbusch sich „diffuser abstrakter Gefahren“ bediene, um eine größere Polizeipräsenz einzufordern. Dass, wie von dem Polizeipräsidenten behauptet, ein hohes Gewaltpotenzial von den Festivalbesuchern ausgehe, sei weder belegt noch nachvollziehbar.
Auch die Argumentation Hoffmann-Ritterbuschs, es liege nur deshalb eine so niedrige Hellziffer krimineller Aktivitäten vor, weil sich die Polizei bisher vom Gelände ferngehalten habe, empfänden die Veranstalter als haltlos. Durch einen regen Austausch im festivaleigenen Forum und regelmäßige Newsletter würden bestehende Probleme offen diskutiert. „Bei uns ist selbst die Dunkelziffer extrem hell“, so Stefan Pelzer (Kulturkosmos, Zentrum für politische Schönheit) .
Suse von Essen (Kulturkosmos), Larissa Krause (Clubcommission Berlin) und Schauspielerin Meret Becker („Tatort“, „Babylon Berlin“) betonten außerdem die Wichtigkeit kultureller Freiheit und des Schutzes entsprechender Räume. Club- und Festivalkultur sei der „Ausdruck persönlicher Freiheit, das Leben von Utopien und die Möglichkeit, mit Grenzen zu experimentieren“, so Krause. Die Besucher seien durchaus willig und bemüht, selbstständig aufeinander Acht zu geben, denn: „Crew love is true love.“
„Crew love is true love.“
Becker, die wegen laufender Dreharbeiten erst gegen Ende der Veranstaltung zum Rest des Podiums stieß, fand schließlich klare Worte für die von ihr empfundene aktuelle politische Entwicklung in Richtung Überwachungsstaat. Sie selbst habe bereits als musikalischer Act bei der Fusion auf der Bühne gestanden und „selten so friedfertige und hippiemäßig liebe Menschen erlebt.“
Durch Forderungen wie die des Polizeipräsidenten verliere sie inzwischen die Freude daran, „Mitglied eines solchen Staates zu sein.“
Auf die Frage, ob man dazu bereit sei, das Fusion Festival 2019 ausfallen zu lassen, wenn Hoffmann-Ritterbusch seine Forderungen durchsetze, gab Pelzer eine klare Antwort: Man sei zwar kompromissbereit und wolle mit allen legalen Mitteln dafür kämpfen, dass die Veranstaltung zustande käme, aber mit einer derartigen Polizeipräsenz sei die Fusion einfach keine Fusion mehr.
Das Fusion Festival findet seit 1997 jährlich auf dem ehemaligen Militärflugplatz in Lärz statt. 2017 legte der Kulturkosmos eine kurze „Kreativpause“ ein, um einige strukturelle und bauliche Änderungen auf dem Festivalgelände realisieren zu können.