G. Love & Special Sauce


Er ist schon eine seltsame Erscheinung, dieser Gary Dutton alias G. Love, zumindest in Zeiten, da die Rock- und Pop-Bühnen dieser Welt entweder von nihilistischen, weltgeschmerzten Alternative-Schrammel-Rockern oder hormon- und kraftprotzenden Crossover-Selbstdarstellern bevölkert sind. Wie er so auf die Bühne stakst um sich halb stehend, halb sitzend auf seinem Barhocker zu plazieren, wirkt er wie ein Rock’n’Roller aus den soer-Jahren, dem sein für gewöhnlich geschmackssicheres Styling etwas entgleist ist: die Haare gefettet und zur dezenten Tolle frisiert, die Gitarre so betont uncoot knapp unter dem Kinn umgeschnallt, daß sich der bevorzugt getragene schwarze Schmuddel-Anzug unschön verknautscht und samt weißem Oberhemd leicht über dem Instrument hervorquillt.

Dazu grinst der 1,90-Mann mit den leicht abstehenden Ohren pausenlos wie ein Honigkuchenpferd übers ganze, leicht pausbackige Gesicht. Sehen so Rockstars aus? Nein. Aber sympathische Menschen. Und mit einem solchen hat man es hier definitiv zu tun. Wenngleich mit einem etwas verschrobenen. G. Love hat die Schule der Straßenmusik durchlaufen, spielte seine Songs auf den Boulevards von Philadelphia für eine handvoll Dollar, bevor er 1992 nach Boston übersiedelte. Dort traf er bald auf zwei Musiker, die seine große Liebe teilten: Schlagzeuger Jeffrey ‚Thunderhouse‘ Clemens und Bassist Jimmy ‚Jazz‘ Prescott, beide mit der Musik der alten Blueshelden, dem New Orleans-Jazz, Soul und klassischen Rhythm ’n‘ Blues aufgewachsen, kongeniale Partner für G. Love, der selbst in diesem Sound nicht einfach nur verwurzelt ist, sondern „darin lebt“ (Jeffrey Clemens). Anfang 1994 erschien dann das erste, selbstbetitelte Album von G. Love and Special Sauce, das auf bis dahin ungehörte Weise uriges Delta-Blues-Feeling mit zeitgemäßen Hip-Hop-Vibes zu einer absolut stimmigen, klapprig-bluesigen Groove-Melange verbindet und seine wenigen Längen nur den auf Dauer etwas eintönigen Rap-Monologen des Herrn Love verdankt. Im vergangenen Herbst erschien nun das in New Orleans eingespielte Nachfolgealbum ‚Coast To Coast Motel‘, auf dem G. Love die Rapperei läßt und das man schlicht als das bezeichnen darf, was es ist: ein echtes Meisterwerk.

Zwei weitere breit lächelnde Gestalten schlurfen auf die Bühne. Jeffrey Clemens zwängt sich hinter sein Schlagzeug, Jimmy Prescott schnallt sich nicht etwa eine elektrifizierte Baßgitarre um, sondern umarmt einen ausgewachsenen Kontrabaß. Mit raffinierten, warmen Grooves liefern sie die Spezial-Soße, auf die G. Love seine holprig klingelnden Gitarrenparts und seinen charakteristischen Nuschel-Gesang legt. Und während der sich da entrückt lächelnd über seiner Gitarre krümmt, weilt er geistig wohl bei seinen musikalischen Vätern am Mississippi-Delta, denen er gerade ebenso hinreißend wie respektvoll frisches Leben einhaucht. Daß jeder der drei Musiker auf seinem Instrument ein Virtuose ist, erscheint bei soviel Gefühl, wie hier im Spiel ist, nur noch zweitrangig.