Gary Numan


Er war einer der Schrittmacher, die England nach der Punk-Ära ins Zeitalter des Elektro-Pops führten. Gary Numan, Jahrgang 1958, ist heute Chef seines eigenen Platten-Labels (NUMA-Records), Geschäftsmann, enthusiastischer Flieger einer einmotorigen Propellermaschine (trägt stets ein Bildchen seines Flugkörpers bei sich!) und erfreut sich einer eingeschworenen Fan-Gemeinde. Anläßlich seiner neuen LP BERSERKER weilte der bleiche Elektroniker zu Werbezwecken in München, wo wir zum berüchtigten BLIND DATE riefen. Und es stellte sich heraus, daß auch kühle Technokraten unterhaltsame Gesprächspartner und profunde Kenner der unterschiedlichsten Stilrichtungen sein können...

Yello: „Vicious Games“

„Wer ist das? Yello? Das ist aber eine Enttäuschung. Wenn du mit einer Textzeile wie ,I never knew how much I loved you‘ beginnst, kannst du dir sicher sein, daß die Hälfte aller britischen Dee-Jays die Platte in den Mülleimer wirft.

Schade, denn in der Mitte kommen ein paar wirklich gute Arrangement- und Sound-Ideen. Ist das vom neuen Yello-Album? Das erste fand ich streckenweise genial. Hoffentlich bleibt dieser Song der einzige Fehltritt!“

UB40/Madness/GeneralPublic/etc: „Starvation“

„Dreh das ab! Wenn ich ehrlich bin, dann muß ich sagen, daß ich diese ganze Art von Musik nicht mag. Die Idee, den Hungernden in Äthiopien zu helfen, kannst du natürlich schwer kritisieren. Aber es kann auch leicht too much werden. Erinnerst du dich an diese ganze ,Rock against…‘-Sache? So ’77. 78? ‚Rock against Racism‘, Rock against Gay & Lesbians‘, ‚Rock against Homosexuals without hair! … solche Dinge ufern meistens aus. Heute hat halt jeder seine Äthiopien-Single!“

FGTH: „Welcome To the Pleasure Dome“

„Oh, ich liebe dieses Stück. Es ist definitiv das beste, das Frankie je gemacht hat! Hast du schon mal versucht, zu dieser Musik Auto zu fahren? Wenn du laut genug aufdrehst, wirst du immer schneller ! Ich steh‘ auf Frankie. auch wenn sich immer wieder Leute über die Band aufregen, weil das ja nur Plastik sei. Ich frage; Wen interessiert das? Wenn du abends heimkommst und ein Stück dieser Qualität auf den (Platten) Teller bekommst, ist es doch wirklich scheißegal, wer dafür verantwortlich ist.“

Working Week: „Inner City Blues“

„Wie heißen die nochmal? Working Class. oder so. Sehr guter Song, abwechslungsreich und toll aufgenommen. Ich würde aber nicht sagen, daß das Jazz ist. Eher jazzy oder fusion music.

Diese ganze Jazz-Szenerie in England macht mich ein wenig stutzig. Da wird ein Trend aufgebaut, der nur existieren kann durch die „Weisheit“ einiger Schreiber, die sich bei der Verwendung des Wortes „Jazz“ enorm schlau vorkommen.

Und Musiker sagen dann auch lieber „Jazz“ zu ihrer Musik, weil’s dann besser nach Qualität riecht… Anyway…solange solche erstklassigen Songs in die Charts gehen, können wir alle nur profitieren davon!“

Killing Joke: „Night Time“

„Keine Ahnung, wer das ist. Sag s mir-Ah! Killing Joke (lacht) ich hätf es fast erraten! What a bloody guitar! Ich bin von dieser Band nicht sonderlich angetan, was aber hauptsächlich mit der Message zu tun hat. Kleine Jungs, die böse Kerle spielen. Musikalisch macht das schon enorm Dampf, obwohl meiner Meinung nach die Stimme von Jaz Coleman etwas zu trocken abgemischt wurde. Da hast du dieses wuchtige Playback wumm, wumm und dann die relativ leer dastehende Stimme. Da könnte mehr Echo drauf. Trotzdem sehr kraftvoll!“

Phil Collins: „Long Long Way To Go“

„Wunderschön! Dieses spärliche Arrangement, dieser große Raum, in dem Collins dann ganz leicht singen kann…wirklich toll. Obwohl die Toms des Schlagzeugs klingen, als würden die Felle völlig kaputt durchhängen. Aber abgesehen davon – brillanter Song! Es passiert eigentlich nicht viel – und trotzdem hörst du aufmerksam zu. Der Mann hat einfach ein tolles Timing. Der machts immer spannend…“

Power Station: „Get It On“

„Uhhh! Wow, das ist ja ein T. Rex Gitarrenriff. Ist der Song von ,Get It On‘ geklaut? Nein, es ist ,Get It On‘ – wer zur Hölle ist das? Power Station? Wirklich? Diese Duran Duran plus Robert Palmer-Kiste? Tierisch. Mein Gott, was war Marc Bolan für ein hervorragender Song-Schreiber. Genial einfach, einfach genial! Niemand hat je die Texte ernstgenommen – es ist einfach nur Spaß! Das ist unser Geschäft, nichts anderes!“

Howard Jones: „Things Can Only Get Better“

„Super! Howard hat gut daran getan, sich echte Bläser ins Studio zu holen. Ein Synthi kann nie so „atmen“ wie das echtes Blech kann. Ich mag Howard sehr gerne, weil er trotz seiner Popularität sehr natürlich geblieben ist. Obwohl ich mit seinen Ideen und Anliegen nicht so recht übereinstimme. All dieses .Friede auf Erden-Zeug …Howard ist Idealist – ich bin Realist. Wir werden nie Frieden auf Erden haben, weil wir allesamt zu blöd dafür sind. Deshalb bin ich auf der Welt, um möglichst viel Geld zu machen, möglichst viele Frauen zu bumsen und einfach eine gute Zeit zu verbringen! That’s it!“

Tina Turner: „Let’s Pretend We’re Married“

„Das Arrangement erinnert mich an frühe Lou Reed-Songs. Vor allem die Gitarre. Der Song selber ist ja nun nicht gerade weltmeisterlich…aber ich könnte dieser Frau noch viel schlechtere Songs verzeihen. Tina Turner muß man einfach lieben…“

Tears For Fears: „Everybody Wants To Rule The World“

„Weiß nicht so recht… Also als Label-Boß würde ich diesen Song nicht als Nachfolgesingle von ,Shouf veröffentlichen. Sicher, das Lied ist nett, aber gegen ,Shout‘ übrigens für mich das beste Lied des Jahres, jetzt schon – fällt’s doch zu sehr ab. Ich steh‘ auf die Band und hoffe, daß die nächste Single wieder so wird, wie ich Tears For Fears mag. Dieser Song ist so… gewöhnlich! Ich sehe schon die lokalen Tanzbands in den Pubs, wie sie versuchen, das hier nachzuspielen…“