Gefährlich bleiben
Die Blues Explosion rockt und rollt weiter, jetzt gemeinsam mit anderen Rock 'n' Rollern wie DJ Shadowund Chuck D.
garage, das erinnert an heulende Motoren und Motoröl auf verschwitzten T-Shirts. Kein guter Vergleich? Gut, Garage klingt wie die Musik der postmodernen Klangmechaniker Russell Simins, Judah Bauer und Jon Spencer. Wie NOW I GOT WORRY, wie orange und jetzt auch wie damage, so heißt das neue Album. Garage ist Rock’n’Roll, ist Blues Explosion. Und Jon Spencer, nachtschwarzes Haar, Lederweste, Koteletten bis zum Kinn, weiß das auch sehr genau, selbst wenn er im Innenhof der Berliner Kulturbrauerei Platz nicht an einem bösen Whisky, sondern an einer netten Cola Light nippt.
Der darf das. Denn es ist fraglich, ob es The-Bands wie die Strokes und die White Stripes ohne den erdigen Anti-Rock von Jon Spencer’s Blues Explosion jemals gegeben hätte. Die Feststellung steht jedenfalls kurz in der milden Abendluft, aber Mister Spencer verscheucht sie schnell wieder mit der Hand und diesen zwei Sätzen: „Ach, es kommt immer alles wieder auf den Blues zurück. Ich glaube nicht, dass es an uns gelegen hat.“ Nein, mit diesen Federn mag er sich nicht schmücken: „Früher hieß es, wir würden schwarze Musikironisch imitieren. Heuteheißt es, andere Bands würden der Blues Explosion nacheifern. Ich glaube, beides ist falsch“.
Was das Trio von den anderen, jüngeren Projekten aus New York unterscheidet, das ist das Vergnügen an der übergreifenden Zusammenarbeit mit Künstlern aus anderen Genres: Auf dam age öffnet sich dröhnender Blues den Einflüssen von David Holmes, Dan The Automator und Chuck D. Der Song „Fed Up And Low Down“ ist sogar fast ein Remake eines älteren Stückes von DJ Shadow. Mit einem Refrain, der auf dermaßen halsbrecherisch beschleunigten Hip-Hop-Beats reitet wie ein betrunkener Cowboy auf einem tollwütigen Pferd: „Mit DJ Shadow haben wiruns großartig verstanden „, sagt Spencer, “ weil seine Musik auf ihre Weise auch Rock’n’Roll ist. Außerdem haben wir ihm keinenfertigen Song geschickt, den er mit seinen Beats bestücken sollte, sondern wir haben den Titel zusammengeschrieben und dabei festgestellt, dass wir mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiedehaben.“Mag sein, dass sich Spencer gerne kulturkonservativ gibt. Ein Verteidiger der reinen Lehre ist er jeden falls nicht. Oder doch? „Ich bin schon ziemlich lange im Geschäft und spüre inzwischen, was der Blues mit mir gemacht hat. Ich sehe, wie sich meine Arbeit auf meine Familie auswirkt, und ich merke es körperlich. Es ist mehr eine Einstellung als ein Musikstil. Und deshalb muss der Blues heute anders klingen als zur Zeit der Baumwollfelder. Er bleibt gefährlich. „Davon ist Jon Spencer überzeugt. Rauh, direkt, sexy und hungrig muss der Rock ’n‘ Roll according to the Blues Explosion also sein. Auch kaputt, wieder Album eitel damage suggeriert?
„Zuletzt haben wir ja reichlich clean produziert. Aber damage trifft genau, worum es auf der Platte geht, dass nämlich ein Schaden auch sehr reizvoll, fruchtbar undpostiv sein kann. Wenn du willst, dass etwas Neues entsteht, dann muss etwas Altes erst kaputtgehen. Und wenn jemand herrlich kaputt klingen kann, dann Leute wie DJ S/iarfou>.“Tatsächlich gibt’s auf dem neuen Album nicht nur in musikalischer Hinsicht neue Töne zu hören: „Democracy, I don’t believe it“, singt Spencer einmal mit galligem Misstrauen: „Es war uns diesmal einfach ein Bedürfnis, das aktuelle Weltgeschehen ein zubeziehen. An sich ist der Blues ja kein besonders politisches Genre“, erläutert er den unerwartet agitatorischen Drall auf der neuen Platte: „Außerdem richten die USAgerade auch einen mächtigen Schaden an. Stimmt’s, Jungs?“ Eben gesellen sich Russell Simins und Judah Bauer an den Tisch, obwohl „gesellen“ sicher das falsche Wort ist. Stumm hocken sie da, breitbeinig und sehr sehr cool. Sie sind vielleicht auch schon eingeschlafen hinter ihren Sonnenbrillen. Selbst die erhitzte Luft scheint sich in diesem Moment ein wenig abzukühlen. Simins und Bauer überlassen das Quatschen lieber ihrem Chef. Sie sind das Rückgrat eines Sounds, der trotz aller elektronischer Experimente auf der soliden Basis einer schweißtreibenden Performance ruht. „Auf der Bühne verzichten wir weitgehend aufLoops und Samples, das Knöpfchendrücken überlassen wir lieber denen, die sich damit auskennen. Nein, live geht es nur um Energie“, sagt Jon Spencer.