Gemeingut
Theorie und Praxis: Während führende amerikanische Wissenschaftler davor warnen, daß das wilde Leben der Rock ’n‘ Roller verheerende Auswirkungen auf deren Fertilität habe, spricht das real existierende Fortpflanzungsverhalten der Musiker eine andere Sprache. Ganz im Gegenteil, siehe Bruce Springsteen, der mit seiner nunmehr angetrauten Background-Sängerin Patty Scialfa nicht nur Sohn Evan, sondern auch seine neue Platte vor sich herschiebt. Mehrfach angekündigt, taucht das ersehnte neue Album von Springsteen bislang noch nicht einmal auf der Jahres-Veröffentlichungsliste seiner Plattenfirma „Columbia“ auf. Auch das Management wird langsam zappelig: „Er war fast fertig mit dem Album, doch jetzt hängt er dauernd mit seiner Familie an der Westküste ab und kommt nur noch zum Shopping nach New York. Ich hätte nie gedacht, daß er wegen dem Kind seine Karriere so vernachlässigt.“
Über jenen hauchdünnen Grat zwischen „fruchtbar“ und .furchtbar“ kann auch die britische Pop-Primel Betty Boo ein Liedchen singen — wenn sie denn singen könnte: Obschon sie mit auf den BH geklebten bunten Sonnenblumen als Fruchtbarkeitssymbol auf die Bühne gegangen war, fiel ihr mitten im dritten Song bei einem Konzert im 21 st Century Club in Frankston/Australien das Mikro aus der Hand, der Gesang lief dennoch weiter. Die Playback-Enthüllung führte zur sofortigen Kündigung des Tournee-Vertrages, alle weiteren Konzerte wurden abgesagt. Tour-Veranstalter Wally Weston bleibt hart: .Frau Boo hätte laut Vertrag live singen müssen. Wir haben einen hervorragenden Ruf als Veranstalter und können es uns nicht erlauben, ihn wegen einer PlaybackKünstlerin zu verderben.“
Diese beiden Damen müssen auf den guten Ruf schon lange nicht mehr achten: Während im Vorprogramm der britischen INXS-Tour den lebenden Beweis abgibt, daß man auch als die Marianne Sägebrecht des Pop noch seine Fans begeistern kann, sinniert Übergrößen-Kollegin Sam Fox darüber, ,am besten wieder auf die Universität zu gehen und englische Literatur zu studieren. Ich habe das Gefühl, daß ich meinen Sprachschatz etwas erweitern muß.’Selbsterkenntnis erster Klasse, die auch vor der Oberweite nicht Halt macht: Ich hatte schon Kreuzschmerzen wegen dieser Dinger. Die Verkleinerungs-Operation hat deshalb auch die Krankenkasse bezahlt — statt 90D brauche ich jetzt nur noch 86C.“
1A ist dagegen das Penthouse in Schuß, das Lenny Kravitz momentan verkaufen will. Nach der Trennung von Lisa Bonet hat er keine Verwendung für das Loft in Soho (Ecke Broome- und Greene Street), eher schon für die 750.000 Dollar, die der Deal ihm bringen soll. Der beauftragte Makler ist skeptischer: ,Lenny kann froh sein, wenn er 400.000 bekommt.“Bs dahin vergnügt er sich mit Mick Jagger, der beim Kravitz-Gig in Paris einige Songs auf der Bühne mitgesungen hat. Lenny: ,Mick und ich hatten sofort eine Wellenlänge. Wir werden jetzt ein paar Songs für sein Solo-Album zusammen schreiben.“
Eher disharmonisch verlief die erste Begegnung von David Thomas (Pere Ubu) und Rose Waters (Drahdiwaberl) auf einem Panel beim „New Music Seminar“ in New York. Rose, der endlosen Diskussion überdrüssig, zog sich kurzerhand aus und tanzte nackt auf dem Podium. Thomas, als Zeuge Jehova tief verletzt, stammelte, den Blick fest auf die Insignien der Unmoral gerichtet:
„Hören Sie auf! Entehren Sie nicht die würdevolle Geschichte des Rock V Roll!“
Was nützt schon die ganze Abrüsterei, wenn die da oben ihre Raketen verschrotten, wir da unten aber immer häufiger in den Lauf eines Ballermanns gucken müssen? Während zum Beispiel der ME/ Sounds-Korrespondent in New York auf unsere verzweifelte Suche nach einem verschütt gegangenen Illustrator, den drastischen Anstieg der Schußwaffen-Mordopfer in den USA bedenkend, lapidar faxt ,ln diesen Zeiten weiß man nie so genau ¿¿¿“, poliert Elton John in London die britische Todes-Statistik: Im „Palladium“-Theater erschoß er kurzerhand den TV-Komiker Rowan Atkinson, weil der ihm mit seinen dämlichen Fragen auf den Nerv gegangen war. Da trägt es nur unwesentlich zur moralischen Ehrenrettung Eltons bei, daß in dem Sketch bei der Fernseh-Show „Hysteria 3“ (zugunsten der AIDS-Forschung) nur Platzpatronen knallten. Wissen wir alle doch zu gut, daß gerade Pop-Stars in ihrer Vorbildfunkfion für die junge Generation auf Schußwaffengebrauch gänzlich verzichten sollten.
Aber auch sonst scheren sich immer mehr Pop-Hanseln einen Dreck um das, was Fans und Medien von ihnen erwarten. Zuletzt der kanadische Rock-Schönling Dan Reed, der — nach Mädchen-Matte und Glatzen-Gockel — nun mit einem gepflegten Bürstenschnitt daherkommt, der jedem Börsen-Yuppie zur Ehre gereichen würde. Wer nun glaubt, daß Dan sein Problem-Haar mit flotten Sprüchen wie ,wenn mir sonst nichts steht, soll mir wenigstens meine Frisur stehen“
verteidigt, irrt sich gewaltig. Reed bleibt trokken bis schuppig:
„Mir geht es total auf den Sack, daß mich immer alle Leute auf meine Haare ansprechen. Was haben die denn mit meiner Musik zu tun?“, nicht ohne dann doch zu gestehen, daß ,mich die Briefe der Mädchen, die meinen langen Haaren nachtrauern, doch tief bewegt haben.“
Hand aufs Herz — es gibt nun wirklich drängendere Probleme auf diesem Erdball zu lösen. Zum Beispiel die Schuh-Frage. Jch hab doch nicht sechs Semester Chemie studiert“, grantelt Sänger Hugh Cornwall, ,um mir von den Industrie-Idioten erklären zu lassen, daß man die alten Treter nicht recyclen kann.“ Hugh, der nach der Trennung von seiner Band The Stranglers endlich die Zeit hat, sich um die Rettung der Welt zu kümmern, ist entsetzt darüber, mit welcher Leichtfertigkeit seine Mitmenschen ausgetretene oder unmoderne Schuhe einfach auf die Müllkippe werfen, anstatt sie umweltschonend wiederaufzubereiten. Sein Slogan: .Wenn wir unseren Planeten schon mit Füßen treten, dann sollten sie wenigstens in umweltfreundlichen Schuhen stekken. “ Um seinem Protest auch eine kreative Fuß-Note zu geben, sammelte Cornwall mehr als hundert Latschen, um daraus eine Weltkugel zu basteln:
„Nur so lösen wir das Mullproblem: entweder Wiederverwerten oder Abfall-Kunst erschaffen.“
Ein weitaus älteres Menschheits-Problem plagt dagegen im Moment den Iron Maiden-Sänger Bruce Dikkinson. Nicht überraschend — meistens wissen eher die Frauen, von wem sie ein Kind bekommen, als die Männer, wem sie eines gemacht haben. So ist sich auch die Londonerin Sarah L. (26) hundertprozentig sicher, daß ihr kleiner Sohn David (2) nicht zufällig jenem Herrn Dickinson ähnlich sieht, den sie vor knapp drei Jahren nach einem Maiden-Konzert in einer Diskothek kennengelernt hatte. Im Laufe der aktuellen Tournee konfrontierte sie backstage Bruce mit den Beweis-Fotos. Dickinson, jegliche Vaterschaft abstreitend, hatte vor Jahren schon mal 25.000 Dollar für Negative abgedrückt, die ihn mit einem Groupie in der Dusche kopulierend zeigten. Daher bleibt er cool: „Wenn ich jede angebliche Vaterschaft anerkennen würde, könnte ich gleich einen Zwergstaat gründen.“