Gentleman
Light it up. man: Der kurzhaarige Rostafan aus Heidelberg überzeugt durch Entspannung.
Völlig normal ist es, wenn du vor einem Konzert von Fremden um Zigarettenpapier angepumpt wirst. Kein Problem, bitteschön. Wenn der Betreffende aber abwinkt, nein, er brauchte natürlich Jooooong papers. man“, dann bist du auf einem Konzert von Gentleman. Und Konzerte von Gentleman sind immer etwas Besonderes, das lernen wir heute Abend. Nicht nur, weil der Weltenbummler seinen Kollegen Bounty Killer mitgebracht hat. Nicht nur, weil kein Deutscher zuvor einen so konsequenten Reggae auf die Bühne gebracht hat. Nicht nur, weil die Notärzte schon vor dem ersten Ton reihenweise Schülerinnen auf der Frauentoilette aufsammeln, die nach einem tiefen Zug aus der Wundertüte von ihrem treulosen Kreislauf verlassen wurden. Und nicht nur. weil am Merchandising-Stand neben den üblichen T-Shirts auch karibischer Kitsch feilgeboten wird – von der versilberten Rastaman-Anstecknadel bis zum Schwarzweißporträt von Meister Marley. Es ist vielleicht das Geheimnis des Reggae, dass er nie auf den Punkt kommt, immer nur von Synkope zu Synkope wippt. Hier gibt es keinen Punkt, nur den Flow, Punkt. Hinter der Bühne prangt das farbensatte Banner der Republik Jamaica, in das der Titel des Albums eingeschrieben ist: „JourneyTo Jan“. „We’U be forever living, Jan!“, so drückte es einst Marleyaus. „Jah Ina Yuh Life , heißt es beim Gentleman im schönsten Patois, derjamaikanischen Landessprache, und ein dreiköpfiger Background-Chor verleiht der Beschwörung genug Nachdruck. Wach und nüchtern schien an diesem Abend nur die erstaunlich tighte Band, die leichthin von temperierter Coolness zu hitzigen Dance-Passagen fand – auch wenn das Schlagzeug bisweilen ein wenig stolperte. Egal, denn die veritable Menschenmenge auf der Bühne bot auch einiges fürs Auge. Die längsten Dreadlocks der Welt beispielsweise, die dem armen Musikanten bis zu den Fersen hingen und als haariger Turban um den Kopf gewickelt werden mussten. Im Auge dieses tropischen Unwetters hatte der in erdigen Farben auftretende Gentleman dann auch wenig Mühe, sein sakrales Charisma zu versprühen. Stücke wie „Dem Gone“, „Love Chant“ oder „Runaway“ werden kopfnickend mitgesungen und alle noch so knappen Ansagen frenetisch beklatscht. Kein Wunder, schließlich“.rockte“ der Mann die Halle im ursprünglichen Sinn des Wortes, ein selig sich wiegendes Meer aus Feuerzeugen. HipHop, Reggae und Sendungsbewusstsein – einen solch parareligiösen Spaß am Klang haben wir lange vermissen müssen. Die Angelegenheit war jedenfalls so schweißtreibend, dass beim Verlassen der Halle die kalte mitteleuropäische Realität seltsam unwirklich schien. Palmen, Strand und ein farbsatter Sonnenuntergang, das wäre nach diesem Konzert irgendwie schlüssiger gewesen. www.journeytoiah.com