Godley/Creme


Alpträume im Gizmo Sound

Es sollte wohl ein Album werden, daß die Welt erregt. Sechzehn Monate lang tüftelten Kevin Godley und Lol Creme, vor gut einem Jahr noch eine Hälfte von lOcc, an ihrer sechsseitigen LP „Consequenzes“. Zur Premiere des Werkes flog die Plattenfirma Phonogram Journalisten aus ganz Euopa nach Amsterdam. Vertreter aus der Firmenspitze stellten sich gleichfalls ein, denn außer ganz wenigen Eingeweihten hatte zuvor noch niemand ein Laut von Godley & Cremes Triple-Album vernommen. Die zweistündige Vorführung in weihevoller Atmosphäre endete allerdings anders als erwartet: Ein großer Teil der Journalisten kämpfte verbissen gegen das Einschlafen, und ein PR-Mann der deutschen Phonogram raufte sich verzweifelt die Haare: „Mensch, wie sollen wir das Ding bloß verkaufen?“

Das Triple-Album „Consequences“ ist natürlich zunächst einmal ein Produkt für den Plattenmarkt. Daneben ist es aber noch sozusagen die ausgeflippte Form einer Anzeige: Es soll nämlich werben für eine Erfindung der Herren Godley und Creme, die – so meinen ihre Schöpfer – ein neues Zeitalter der Rockgitarre einläuten könnte. Kevin und Lol haben den „Gizmo“ in die Welt gesetzt – ein zwei bis drei Zigarettenpackungen großes Gerät, das auf die Gitarrensaiten aufgesteckt wird, etwa dort, wo auch die Tonabnehmer liegen. Der Gizmo biegt die Gitarrensaiten und läßt sie vibrieren – und zwar ausschließlich auf mechanischem Wege. Elektronik ist hier also nicht im Spiel, obwohl die vielfältigen Effekte, die sich so erzeugen lassen, dem Sound eines Mellotrons und verschiedenen Synthesizer-Klängen verblüffend ähneln. Vor allem der Sound einer Streichergruppe läßt sich so simulieren – ein kleines Orchester in Peter Framptons kleinem Finger.

Ein Stück Revolution?

Der Gizmo sei – so heißt es in einem Text der Plattenfirma – „eine revolutionäre musikalische Erfindung, ein Stück britischer Technologie, das tiefgreifende Auswirkungen auf die Musikindustrie in der ganzen Welt“ haben werde Und damit auch niemand glaubt, das ganze sei ein Witz zweier Leute, die ja schon ganze lOcc-Platten mit hintergründigen Scherzen gefüllt haben, wird gleich hinzu gefügt, das Institut für Wissenschaft und Technologie (Abteilung Physik) an der Universität von Manchester habe bei der Entwicklung des Gerätes eine tragende Rolle gespielt.

Das alles klingt nun stark nach Rock aus dem Reagenzglas zu Ehren der Königin und des britischen Empires. Aber immerhin: wenn der Gizmo hält, was seine Erfinder an Effekten versprechen, dann ist er ein interessantes Zusatzgerät, das sich selbst junge, noch nicht vom Erfolg verwöhnte Bands leisten können. Etwa 75 Pfund, also rund 300 DM, soll der Gizmo kosten, wenn er in Kürze in den Handel kommt. Wer sich ein Mellotron oder einen kleinen Synthesizer zulegen will, muß demgegenüber schon etliche Tausendmarkscheine berappen und obendrein auch noch lernen, mit seinem neuen Instrument umzugehen der „Gizmo“ macht’s da einfacher und dient jedem, der ein bißchen Gitarre spielen kann.

Was der kleine Kasten aber nun wirklich leistet, das demonstrierten Kevin Godley und Lol Creme im Rahmen jener Pressekonferenz im früher als Kirche genutzen Amsterdamer Koepelzaal nicht. Sie waren nicht einmal anwesend, als „Consequenzes“ im abgedunkelten Kuppelbau über eine Quadroanlage vorgestellt wurde. Dafür stand – als wär’s in einem Museum – im Blickfeld aller Anwesenden eine mit dem Gizmo bestückte Fendergitarre in einer grell angestrahlten Vitrine – die Szenerie roch nur so danach, zu einem beißend ironischen lOcc-Song verbraten zu werden. Aber Graham Gouldmann und Eric Stewart waren weit, und ohne den mäßigenden Einfluß ihrer ehemaligen Mitstreiter hatten Godley und Creme wohl den Bück für die Portionen verloren, die ein schlichter Rock-Mensch und Plattenkäufer verdauen kann. Denn eine Seite ihrer „Consequences“ enthält geballte Gizmo-Effekte und ist irgendwo noch halbwegs interessant. Die restlichen fünf Seiten indes bringen ein mit ein paar Songs und spärlichen musikalischen Einlagen angereichertes Hörspiel über einen Wirbelsturm, der die westliche Welt zu vernichten droht (siehe Plattenkritik im ME 11/77). Pausenlos unterhalten sich zwei, drei Leute, und der einzige Satz, der in meinen Ohren hängenblieb, war der über den Goldfisch, der plötzlich aus dem Fenster gesprungen sei

Wo sind die Käufer?

Um die 30 bis40 DM wird „Consequences“ wohl im Ladenkosten. Wer soll die Platte kaufen? In Deutschland versteht man das Hörspiel nur unzureichend. In England steht die halbe Nation auf Disco und die andere Hälfte auf Punk. Und in Amerika muß eine LP halt kommerziell sein, um in die höheren, Gewinn abwerfenden Regionen der Charts aufsteigen zu können. Mag sein, daß Lol und Kevin eine Menge Spaß hatten bei ihrer Mammutproduktion. Und vielleicht sendet der WDR oder der NDR oder der Bayerische Rundfunk das Werk auch mal zu später Stunde im Dritten Hörfunkprogramm. Für Hörspielfreunde, wie es so schön heißt.