Graham Parker
Als ich zum Interview bei seiner Plattenfirma eintraf, interessierte es mich am meisten, was er selbst von diesem Starrummel hält. „Ich möchte kein Superstar sein“, antwortet Parker, „ich möchte nur, daß die Leute meine Platten kaufen, denn sie sind gut, und ich mag den ganzen Abfall nicht, der in den Top-Ten ist. Es geht wirklich nicht darum, ein Superstar zu sein.“ Seinen Plattentitel hält er auch nicht für einen Werbegag. „Es ist nur eine Zeile aus dem Lied ,Empty Lives‘. Aber aufwärts geht es ja schließlich auch“, meint er dann doch, „SQUEEZING OUT THE SPARKS hat sich in den USA so stark verkauft, wie keine meiner anderen Platten. Es ist halt der Weg von ganz unten nach oben.“
Das stimmt sicher, denn Parker hat wirklich ganz unten angefangen. Seit seinem dreizehnten Lebensjahr schreibt er Songs. Leben konnte er davon nicht, denn niemand interessierte sich für seine Musik. Seinen Unterhalt verdiente er, indem er als Tankwart, Fensterputzer oder Lastwagenfahrer jobbte, bis er 1976 im Londoner Hope & Anchor-Club die Mitglieder der heutigen Rumour kennenlernte. Im Gegensatz zu Parker hatten sie schon eine musikalische Vergangenheit. Martin Belmont (g) kam von Duck DeLuxe, Andrew Bodgar (bg) und Stephen Goulding (dr) von den Bontemps Roulee und Brinsley Schwarz (g) und Bob Andrews (key) kamen von den legendären Brinsley Schwarz. Mit ihnen spielte er sein phantastisches Debüt-Album HOWLIN‘ WIND ein und, bis auf den Weggang von Bob Andrews, hat sich die Konstellation der Band nicht verändert.
Zu seiner neuen LP hatte ich natürlich mehrere Fragen, denn sie ist mir von allen seinen Alben noch am schwersten zugänglich. Unter anderem hatte ich auch den Eindruck, daß es mehr eine Graham Parker Solo-LP als eine LP der Gruppe ist. „Das ist richtig“, meint Parker, „denn ich möchte, daß die Leute meine Lieder so hören, wie ich sie haben will. Ich kontrolliere die Saehe stärker, weil ich in letzter Zeit viel gelernt habe.“ Dazu gefragt, ob er sich bei den Plattenaufnahmen wie ein Chef verhält, meint er: „Ich trage die Hauptentscheidungen, aber ich bin kein Boß. Ich bin niemand, der seine Leute herumscheucht. Nur, wenn ich mir etwas vorgestellt habe, dann will ich es auch so verwirklichen, und deshalb habe ich dem Produzenten (Jimmy Iovine) gesagt, daß wir die Band als eine backing band behandeln müssen, denn schließlich sind es ja auch meine Songs. Sie haben viele Ideen und sind sehr gut. Es gibt einfach keinen besseren Drummer als Steve Goulding. Sie machen ja auch ihre eigenen Sachen und es ist ihnen völlig klar, daß wir Graham Parker and The Rumour sind.“
Große, selbstbewußte Worte des kleinen Mannes. Daß ich HOWLIN‘ WIND immer noch für sein bestes Album und THE UP ESCALATOR für etwas glatt halte, stört ihn auch wenig. „Niemand kann sein erstes Album wiederholen“, meint er. „Und wenn Du es versuchst, bist du verrückt. Jimmy Iovine und sein Engineer Shelly Yakus machen einen sehr tiefen, warmen Sound, so wie ich ihn mag. Vielleicht ist es etwas glatt.“
Auf „Endless Nights“, einem Lied der neuen Platte, singt Bruce Springsteen backing vocals. Mit ihm bringt man Parker in letzter Zeit gerne in Verbindung, und daher lag es nahe, ihn auf eine mögliche Beeinflussung durch Springsteen anzusprechen. „Ich glaube nicht, daß meine Musik von ihm beeinflußt ist. Ich kann solche Lieder, wie er sie singt, nicht singen. Nur das generelle Rock’n’Roll-Feeling ist gleich. Wir meinten nur, daß wir einen interessanten Typen für backing vocals brauchen, und da haben wir an Bruce gedacht. Es gibt keine klaren Beeinflussungen. Es ist eine Mixtur. Die Basis ist Soul und Rhythm’n’Blues. Es ist die Musik, die mich am meisten anspricht. Ich werden von irgendwelchen guten Songs und starken Feelings beeinflußt. Am stärksten beeinflußt mich das Leben; vielleicht durch irgendwelche Rhythmen, die ich höre, wenn ich im Flugzeug sitze, beim Fernsehen, oder wenn ich Leute treffe.
So einfach ist das Komponieren für ihn, und so erklärte er mir auch, wieso keine Ballade wie „You Can’t Be So Strong“ oder „Gypsy Blood“ auf dem-Album ist. „Ich kann das nicht kontrollieren, was ich schreibe.“ Einen Reggae wollte er eigentlich auch für das neue Album komponieren, doch als in letzter Zeit Reggae immer populärer wurde, und außerdem das Ska-Revival aufkam, hat er ihn nicht zuende geschrieben. Wenn jeder Reggae macht, macht Parker etwas anderes.
Zu Ska hat er ein sehr starkes Verhältnis, denn vor Jahren war er selbst ein Mod. „Wir hatten die gleiche Musik. Soul von Otis Redding oder Ska von Prince Buster. In der Masse! Das war ein starkes Feeling, Du gehörtest dazu.“ Das heutige Mod-Revival sieht er kritischer. „Die Skinhead-Idee ist beängstigend. Sie bilden gangs und sind gewalttätig.“
Er würde sich auch gerne einmal die Specials, Selecter, Madness oder The Beat, die er für eine der besten neuen Bands hält, live in England ansehen, doch die brutalen Skinheads halten ihn davon ab. Von der englischen Politik und Maggie Thatcher hält er genausowenig wie von den Skinheads. „I think it’s all fuck“, meint er, doch tauschen möchte er mit den Politikern auch nicht. „Es ist der schwierigste Job der Welt, und wie man sieht, beherrscht ihn auch keiner.“
Treffende Logik würde ich sagen.
Ehrlich gesagt war ich wirklich überrascht, wie sympathisch und offen der kleine große Mann mit der aggressiven Stimme ist. Von Superstarallüren keine Spur. Nur in einer Sache hat er micht enttäuscht: Aus einem Live-Gig in der BRD wird dieses Jahr nichts mehr werden, denn er hat noch viel vor und will endlich auch mal relaxen. „Vielleicht nächstes Jahr“, meint er, und einem Gig auf einem Rockpalastfestival sei er prinzipiell auch nicht abgeneigt. Ich hoffe, daß jetzt die Verantwortlichen im WDR das Nötige in die Wege leiten, um das Energiebündel Parker auch bei uns einem größeren Publikum zu präsentieren. Es lohnt sich sicher. Wem dies aber zu lange dauert, oder wer einen kleinen Vorgeschmack auf Parker haben möchte, dem sei Grahams Live-Album PARKERRILLA wärmstens empfohlen.