Grobschnitt – Rock aus der Klapsmühle


Nagellack, Lippenstift, Masken und skurrile Gewänder sprengen die Koffer des Grobschnittschen Deutsch-Rock-Zirkus. Einzigartig die Show dieses zusammengewürfelten Haufens aus Hagen, nicht ohne Grund kann man behaupten, Gleichartiges in Sachen Rocktheater noch nie gesehen zu haben. Aber man sollte! Geistige Abgründe tun sich auf, der rheinische Karneval scheint an diesem Abend einen frühen Ableger zu werfen. Eine Mischung aus Klapsmühle, Pantomime und ZDF-Hitparade bringt jede Sekunde etwas Unvorhergesehenes.

„Blume ist im Tierschutzverein, Blume ist unser Freund . . .“, Bernhard Ohlmann, der“.Bär'“ am Baß. erzählt Schauergeschichten vom Bandbus. Seine Mitstreiter hinken keinen Deut hinter ihm zurück. Es bleibt nur der eine Schluß: Die Grobschnittler sind absolut crazy (und wollen es sogar sein). Eroc (Sehlagzeug, Electronics, Stagemen), Wildschwein (Rhythmusgitarre, Sologesang), Bär (Baßgitarre), Mist (Orgel, Piano), Lupo (Sologitarre) und nicht zu vergessen Toni Moff-Mollo, der einzige Gasmann, der auf irgendeiner Bühne gastiert und nebenbei die Electronic bedient; an der Lightshow John McPorneaux und El Blindo als Roadmanager – die bürgerlichen Namen tun nichts zur Sache, sie würden eher fremd klingen in der Sphäre Grobschnitt’scher Klamauk-Orgasmen. Nerven kostet es, die Jungs für ein Gruppenbild posieren zu lassen, zum Glück behält „Lupo“ Gerd Kühn den Durchblick, der gruppeneigene Geschäftsmann an der Sologitarre.

„Paß auf, gleich pfeifen sie …!“ Und siehe da, das Publikum pfeift, zur zwanzigminütigen Einleitung dröhnt deutsches Schlagervolksgut aus den Boxen. Zauberer Moff-Mollo – in weißem Kittel und Volks-Salm-Maske (nach eigenem Entwurf) – beschwört die magische Kugel. Wer gewinnt, die herkömmliche Musik oder ihre kosmischen Ableger? Mißgeschick irdischer Magie: Die „Zauberkugel“ läßt die Tagesschau-Fanfare ertönen, vorgefertigte Tonbandcollagen mit Sprache, Electronic, Geräuschen, die von Eroc in Heimarbeit erstellt wurden. Das Zeichen für den Rest: ein auf erstem Blick undurchsichtiges, verschwommenes Etwas bricht, schleicht und windet sich mitsamt „Groupie“, der Pappmachepuppe, hinter der Anlage hervor. Im Rhythmus muselmanischer Chorgesänge verbreiten Grobschnitt eine Marktplatzstimmung ä la Hammanict. flegeln sich auf Gebetsteppichen gen Mekka, decken die Bühne per Sprühdose mit Schaum ein. In bunten Gewändern – vom Clown über Wassermann bis zum Ölscheich – die Karawanserei deutscher Machart trifft sich am „Ölherg“ zum optischen Höhepunkt.

Nimmt der artistisch-visuelle Teil ein Ende, tritt die Musik in den Vordergrund. Viele nennen es eine Mischung aus Genesis und Yes. doch es ist Grobschnitt in ureigenster Machart. Jeder integriert sich und sein Instrument dem Ganzen. Es gibt „keinen überkandidelten Dilettantismus, statt dessen eine faszinierend musikalische und harmonische Vorstellung“. Das Konzert dauert etwa drei Stunden, Klangmeere – in zwei Abschnitte unterteilt. „Solar Music“ von der LP „Ballermann“ beendet dieses Live-Erlebnis. Ein Magnesium-Feuerwerk hüllt die Bühne in gespenstisch-grün flackerndes Licht . . . Jedoch dem Grobschnittschen Ideal, bei der ganzen Show nicht zu vergessen, daß sie in erster Linie nur gute Musik machen wollen, dem kann man sich wohl nur am Schallplattenspieler entziehen…