Haircut 100 – Glasgow, Ultratheque
Ein Dekor nach Maß: Die Ultratheque ist eine komfortable Großraumdisco, glamourös koloriert und den unschätzbaren Luxus von Bein- und Ellenbogenfreiheit gewährleistend. Intimität, Sehen und Gesehen werden – allein das ist schon die halbe Miete, denn Haircut 100 sehen phantastisch aus. Die komplette Frontreihe wirkt wie aus dem Ei gepellt: Nick Heyward, mokant und kindlich, mit knallgelber Öljacke, transalpinen Wollstutzen und gekonnt ungeordneter Fönfrisur, singt, lacht, animiert und rappt. Neben ihm Graham Jones, smart und selig lächelnd, die Gitarre beinahe vertikal im Anschlag – und Les Nemes, der bedächtig auf und ab stolziert, gleichermaßen auf den Funk-Baß und seinen gerade sitzenden Schlips konzentriert. Es sind die kleinen Acessoires, die Haircuts Pop so attraktiv machen, die den Reiz von Nicks panisch heruntergerasselten „Boy meets Girl“-Affären visualisiert. Horror, wenn der sorgfältig gebürstete Scheitel verrutscht -Unbehagen, wenn das innig geliebte Frottee-Handtuch im Eifer des Gefechts von den Schultern gleitet -Hochstimmung, wenn Nicks ergreifende Mimik beweint oder bejubelt wird. Haircut 100 agieren mit Dreistigkeit und unnachahmlichem Charme und erscheinen dabei doch so zart besaitet und scheu, als war’s das erste Mal. Es ist, um genau zu sein, der 15. Auftritt! Eine Show, bei der jedes Detail, jeder Augenaufschlag, jede stürmische Umarmung, jeder Sekundenbruchteil die Welt bedeutet. Ein Gemisch aus Disziplin und Doping, hektischen Funk-Partikeln und einem unglaublich harmonischen, Monkeesnahen Popswing, brasilianischen Samba-Trommeln und verballhornisierten Salsa-Trompeten, das zum Bewegen zwingt. Wer nicht verklemmt ist, muß auf ihren Pop physisch reagieren. Haircut 100 sind noch völlig integer und die wundervollsten Pin Ups des Monats, ihre Songs sind unvergeßlich und ihre Gedanken längst im 7-ten Himmel. Für den Augenblick (und der allein zählt!) ist das wichtiger als bange Fragen nach der Zukunft. Ulli Güldner