Erfahrungsbericht

Harry Potter und die magische Abzocke in Potsdam


Harry Potter™: The Exhibition will den Zauber der Filmreihe wiedergeben. Leider ist der Aufbau uninspiriert, die Ausstellung deshalb ihr Geld nicht wert.

„Ich brauche einen Freiwilligen. Wer traut sich?” Die junge Frau im schwarzen Umhang schaut in die Runde. Der Raum ist Dunkel, nur der Platz neben ihr wird von Scheinwerfern erleuchtet. Im Licht steht ein dreibeiniger Schemel, auf dem ein alter, zerknautschter, vielfach geflickter Hexenhut liegt. Die Beumhangte zeigt auf Mittzwanzigerin mit rotem Pullover. Der kleine Junge daneben grunzt enttäuscht, während sich die Auserwählte auf den nun vom Hut befreiten Schemel setzen darf.

„In welchem Haus wärest du denn gern?”, wird die Rotgewandete gefragt. Sie schnaubt durch die Nase. „Na wonach siehts denn aus?”
Wenig später sagt der sprechende Hut, der ihr über den Kopf gehalten wird, das magische Wort: „Gryffindor!” Auch die nächste Freiwillige wird Gryffindor wählen. Aber sollte das nicht eigentlich der sprechende Hut machen?

In der „Caligari Halle” am Filmpark Babelsberg in Potsdam kann man, voraussichtlich noch bis 10. März 2019, die wandernde Harry-Potter-Ausstellung besuchen. Die Erwartungen an die Ausstellung sind hoch, ist sie doch, wie die preisgekrönte „Harry Potter”-Studiotour in London, ebenfalls unter der Fuchtel der „Warner Bros.”-Studios, welche die Harry-Potter-Reihe auch tatsächlich adaptiert haben.

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Zudem wird auf der Webseite zur Ausstellung in Deutschland ein wunderbares Bild gemalt. Man könne: „tausende von Requisiten, Kostümen und Kreaturen aus den Harry-Potter-Filmen aus nächster Nähe betrachten” und „Einblicke in die beliebtesten Orte der Filme einschließlich des Gryffindor™ Gemeinschaftsraums und -Schlafsaals, der Klassenräume für Zaubertränke und Kräuterkunde und des Verbotenen Waldes” erhalten. Auch „mehrere interaktive Elemente” soll es geben.

Wartezeit und diverse Schlangen

Der solvente Harry-Potter-Fan erwirbt also ein Ticket für die Ausstellung, welches schlimmstenfalls (Normalpreis am Wochenende) 23.95 Euro kostet, und darf, sollte er sich dies noch leisten können, zusätzlich einen Audioguide für 6.60 Euro buchen. Beim Bezahlen sucht man sich einen Timeslot aus, denn nur alle fünfzehn Minuten werden neue Besucher in die Halle gelassen. Es wird darauf hingewiesen, dass der Besuch in etwa eine Stunde dauern wird – was mit den Wartezeiten in den diversen Schlangen sogar richtig ist.

Hat man nämlich die Wartezeit in der Schlange vor den Toren der Halle damit überbrückt, sich den Fastfood-Verkaufsstand daneben anzusehen (der es anscheinend nichtmal für nötig hielt, bei der Gelegenheit seine Pommes in „Rons kartoffelige Zauberstäbe” umzubenennen), steht man auch in der Halle gleich mal an: Einerseits muss man hier Rucksäcke abgeben (gegen Geld), andererseits MUSS man auch gleich ein Foto mit Zauberstab vorm Greenscreen mit „Harry-Potter-Motiven” (Highlight: Hedwig fliegt einem als Riesen-Eule in den Rücken) machen, welches man nach der Tour (gegen noch mehr Geld) an der Shop-Kasse abholen kann.

Nachdem nach dem Warten noch ein bisschen mehr gewartet wurde (wobei die zuständige Türwächterin mit Fragen á la „Was war denn ihr Harry-Potter-Lieblingsteil?” zauberhafte Schulausflugs-Atmosphäre verbreitet), darf man endlich hinein. In einen Vorraum, in dem „ikonische Szenen aus den Filmen” auf kleinen Screens gezeigt werden. Dann durch einen weiteren Vorraum mit der roten Lok auf einer Winz-Version von Bahngleis 9 3/4, dann in besagten Vorraum mit dem sprechenden Hut (übrigens natürlich kein Filmset-Original). Und dann – DANN – endlich der Beginn der eigentlichen Ausstellung.

Im Fanshop riecht es nach Plastik

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Die angepriesenen „1.600 Quadratmeter” der Ausstellung erstrecken sich über fünf kleine Räume, in denen man Hogwarts-Schuluniformen, Schlafsaal-Betten und Prof. Gilderoy Lockharts Merch bewundern kann. Das ebenfalls angekündigte „Quidditch spielen” besteht darin, einen Quaffel ähnlich eines Basketballs durch einen der drei Quidditch-Ringe werfen zu dürfen. Man kann Alraunen ziehen, die dann wirklich schreien, und in Hagrids Hütte gehen, die tatsächlich ein bisschen aussieht wie im Film.

Filmset-Atmosphäre fehlt der Ausstellung jedoch generell: Hat man schon die zwei Original-Betten von Harry und Ron inklusive des jeweiligen Kofferinhalts der beiden im Gepäck, könnte man doch auch gleich den Gryffindor-Schlafsaal nachstellen. Wurde aber nicht getan – stattdessen wandert man als Besucher an anscheinend manchmal willkürlich zusammengewürfelten Filmrequisiten vorbei. Dass die Kostüme wirklich sehr hübsch anzusehen sind, macht das leider nicht wieder wett.

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Bevor man in den Shop entlassen wird, darf man sich auch die Kostüme aus „Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind” ansehen, und nochmal (teurere) Fotos machen. Bei einer Harry-Potter-Filmausstellung ist der Fanartikel–Shop wohl eines der Herzstücke: Sollte man meinen, ist hier aber nicht so. Das Merchandise für die Harry-Potter-Filme ist vielfältig und die Produkte von Warner Bros., von Horkrux-Nachbildungen bis Halloween-Kostümen, sogar qualitativ hochwertig. Blöd also, dass die im Ausstellungsshop käuflichen Fanartikel nicht die von Warner Bros. sind, sondern von temporär lizensierten Drittanbietern stammen, die ihren in China billig produzierten Müll zum höchstmöglichen Preis verscherbeln wollen. Rucksäcke, Hogwartshaus-Krawatten und Schlüsselanhänger stinken nach Plastik, wertvollere Stücke wie Hermines Zeitumkehrer gibt es gar nicht, „Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung” und Schokofrösche dafür nur zum Wucherpreis (zehn bzw. zwölf Euro). Sneaky Besucher machen Fotos der Verpackung mit dem Plan, das essbare Innere dann selbst herzustellen. Alles in allem könnte man selbst im EMP-Shop günstigere und hochwertigere Harry-Potter-Fanartikel kaufen.

Dann ist es auch schon wieder aus. Man lies viel Geld da, bekam dafür kaum etwas und fragt sich im Vorbeigehen, wieso man nicht einfach stattdessen im altbewährten Filmpark Babelsberg selbst war.

Harry Potter™: The Exhibition ist von 13. Oktober 2018 bis 10. März 2019 täglich von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet,
donnerstags, freitags und samstags von 10 Uhr bis 19 Uhr. Letzter Einlass erfolgt eine Stunde vor Ende der Öffnungszeiten.
Die Öffnungszeiten können während Feiertagen und in den Ferien variieren.