Über die Queerness von „Masters Of The Universe: Revelation“: „Nimm mich, He-Man!“
Schauplatz der aktuellen Popwoche ist der Planet Eternia. Anlässlich der woke-inspirierten Neu-Sortierung des „Masters Of The Universe“-Kosmos betrachtet Linus Volkmann das queere Geschehen auf Castle Grayskull. Und jenes geht weit über die neue Netflix-Trickserie „Revelation“ hinaus. Nimm mich hinter der interstellaren Muckibude, He-Man!
„Eine Affenschande, was Hollywood die letzten Jahre durchzieht. Krampfhaft alle weißen, männlichen Hauptcharaktere durch weibliche/diverse Protagonisten zu ersetzen. […] Dumm dass es praktisch keinen Streaminganbieter mehr ohne woke-Agenda gibt.“
[YouTube-Kommentar zu „Masters Of The Universe: Revelation“]
WOKE UND QUEER – WAS LOS AUF CASTLE GRAYSKULL?
Schon wieder hat es also ein bekanntes Franchise erwischt: Die „Masters Of The Universe“ erleben ihr Reboot in den 2020er Jahren – doch es ist etwas faul im Staate Eternia.
Der treue Fan, der früher mit den schrillen Plastikpüppchen Verkloppen gespielt hat, hätte es dabei eigentlich ahnen können. Denn schon bei „Ghostbusters“ (Neu-Auflage mit weiblichen Geisterjägern im Jahre 2016) oder der jüngsten „Star Wars“-Trilogie (die Raumschiffbesatzungen wurden sichtbar divers) hat der White-Cis-Male-Zentrismus ausgedient.
Nun erscheint auf Netflix die Wiederauflage des He-Man-Themas mit der animierten Serie „Masters Of The Universe – Revelation“. Doch der blonde Testo-Bomber stirbt gleich in der ersten Folge? Ein echter „Games Of Thrones“-Move vom Autor des Reboots Kevin Smith (Regisseur von u.a. „Clerks“). Zur Hauptfigur wird Teela (Prenzlauer-Berg-mäßiger Undercut, gesprochen von „Buffy“ a.k.a. Sarah Michelle Gellar), daneben ein fast rein weibliches Ensemble (mit PoC-Partizipation) und ein paar Monstrositäten (Beast-Man) beziehungsweise Androiden. Norm-Dudes spielen eine untergeordnete Rolle.
Der auch gesellschaftlich spürbare Paradigmenwechsel, dass sich nicht mehr alles an der Erzählung eines männlichen Showrunners orientiert, wird gerade im aktuellen Sci-Fi besonders deutlich. Warum auch nicht? Schließlich geht es hier um Utopien.
Dennoch begleitet das zeitgeistige „Masters“-Franchise ein Aufschrei von enttäuschten Nerds und verunsicherten Typen, für die Frauenrollen in Fantasywelten auf ewig auf atombusige Kriegerinnen in engen Shorts oder auf ätherische sowie zu rettende Prinzessinnen beschränkt bleiben mögen.
Mir erscheint diese Empörung aus einem ganz bestimmten Grund völlig haltlos: „Masters Of The Universe“ war doch immer schon eine völlig queere Serie gewesen, deren überperformte Männlichkeitsattribute stets an ein grelles, schwules Märchen im Stile von Tom Of Finland in space erinnerte.
Man muss nur genau hinschauen: Ich meine, He-Man und sein Antagonist Skeletor teilen sich ein Schwert! Es zerbrach in zwei Teile und erst wenn man die phallischen Plastiken ineinandersteckt, ergeben sie in einer orgiastischen Explosion das Zauberschwert von Eternia. Wenn das nicht bisschen geil ist, weiß ich auch nicht.
Dazu diese bunten Boys in ihrem Gefolge. Schaut man aus dem Augenwinkel auf ein Prospekt der Charaktere von Eternia, denkt man, man hat gerade die aktuelle „Siegessäule“ aufgeschlagen mit einem Bericht über einen besonders verkleidungsintensiven CSD. Die Wilde Horde von Hordak – die dritte Kraft in der Fantasy-Welt – besitzt in ihrem muskelbeladenen Show-Off unterschiedlicher Genre-Figuren eindeutig etwas von den Village People.
Wem „Masters Of The Universe“ 2021 nun zu queer oder zu woke sein mag, der hat den Kosmos bloß immer schon falsch verstanden. Letztlich erfüllt sich in der aktuellen Inkarnation doch nur das, was in der Serie immer schon angelegt war. Und wer möchte es He-Man und den Seinen ernsthaft missgönnen, dass sie nun endlich geoutet sind?
Mir jedenfalls hat es schon in jüngeren Jahren gefallen, Eternia auch als Utopia lesen zu können – und tradierte Geschlechterrollen durch die Figurenwelt in Frage gestellt zu sehen.
ETERNIA VS. VOKUHILA
Die Schweden der Elektro-Punkband Bondage Fairies bringen in ihrem vielleicht populärsten Stück den optischen Reiz He-Mans auf den Punkt: Dabei handelt es sich nämlich nicht um die übertriebenen Muskeln. Nein, es geht um den legendären Vokuhila, der die Figur so ikonisch hat werden lassen.
„I wanna sword like He-Man / I wanna mullet hockey haircut“
BEI DER MACHT VON GRAYSKULL
Wollte man die Ausflüge des „Masters Of The Universe“-Themas in die Popkultur auch nur einigermaßen lückenlos dokumentieren, man bräuchte etliche Regalmeter. Eine kleine Fußnote bekäme darin sicher auch die Kölner Melodicore-Band Gedrängel für den Refrain ihres Songs „Hallo und Bud Spencer“. Bei der Macht von Grayskull…
HE-MAN-MEME DER WOCHE
„MASTERS OF THE UNIVERSE“ – DER FILM
In diesen Kolumnen-Showroom mit „Masters“-Ausformungen gehört unweigerlich auch ein Blick auf den Realfilm mit Dolph Lundgren als He-Man aus dem Jahre 1987. Dass jener zu seiner Zeit als auch später durch die Retrobrille nie zu wirklichem Kultstatus gelangte, ist bezeichnend für seine mangelnde Qualität. Das Fehlen dürfte vor allem am zu geringen Budget gelegen haben. Diesem ist es nämlich zu verdanken, dass sich die Handlung größtenteils nicht in fernen Welten (aufwändig) abspielte, sondern irgendwo in Amerika (preiswert). Die Figuren werden durch ein magisches Element auf die Erde katapultiert – und teilen sich damit ein ähnlich schmähliches Schicksal wie das Ensemble von Bully Herbigs homophobem Tonnensturz „(T)Raumschiff Surprise“, wo ein ähnlicher „Kunstgriff“ aus dem gleichen Grund geschieht. Nun ja. Immer besitzt Lundgren als ultimatives He-Man-Pin-Up Postercharakter.
ETERNIA IS ART
Wie nah dieser Airbrush-Flair von „Masters Of The Universe“ an der modernen Galerie ist, beweist der Pop-Art-Künstler Ed Harrington. Seine Visionen besonders zu dem Pärchen He-Man und Skeletor sind mittlerweile zu eigenen Memes geworden und verbreiten sich viral noch schneller als der Hate zu „Revelation“.
GIB SKELETOR UND DEN ANDEREN EIN ZUHAUSE
Virtuelle Zeiten, in denen popkulturelles Kapital aus metaphysischen Dingen wie Likes und Reichweite besteht, fühlen sich manchmal an wie eine Folge „Black Mirror“ – also wie eine realgewordene Digital-Dystopie. Da ist es wenig verwunderlich, dass das analoge Sammeln von echten Gegenständen wie Actionfiguren gerade wieder einen Boom erhalten hat. Schließen möchte ich dieses Popwochen-Spezial daher mit einem Besuch bei zwei Fans garnieren. Zwei von hunderttausenden. Yvonne lebt in Köln und Sascha spielt Gitarre bei Jupiter Jones.
Erzähl doch mal, Yvonne, wer bist Du – und wie lange schon?
YVONNE HUBER: Frist- und termingerecht wurde ich 1980 geboren. Ich war dank Sendungen wie „Bim Bam Bino“ auf Tele5 ein pfiffiges Kind – und besaß neben diverser Plastik-Ponys eine imposante Sammlung von Figürchen der „He-Man“-Serie. Das dachte ich zumindest, bis mein Cousin Benjamin mit seiner Sammlung – zwei volle Ikea Taschen! – zu Besuch kam. Ich stand stocksteif wie der Holzlöffel in der Buttermilch. 21 Jahre später – mit der Geburt meines Sohnes – beschloss ich, das Fundament meiner Sammlung neu zu setzen.
Was sind die wertvollsten Schätze dieser Sammlung?
YVONNE HUBER: Ach, die Früchte der gewaltfreien Erziehung, die ich durch meine Eltern genoss, waren schnell verfault. Daher besitze ich auch keine einzige Figur in der sogenannten „Mint Condition“. Alle meine Figuren finden sich durch mich und meine Kinder bespielt. Ich liebe sie und restauriere sie auch selbst (zum Beispiel Beingummis austauschen). Eine wirklich seltene Figur besitze ich daher nicht.
Und gibt es aber eine, die Du mehr schätzt als andere?
YVONNE HUBER: Also meine Lieblingsfigur ist Moss Man – wegen des Geruchs.
Wie ist Deine Haltung zum Reboot, zu „Revelation“?
YVONNE HUBER: Ich finde Merch und die alte Serie gehen Hand in Hand. Der Neuauflage von Kevin Smith kann ich nicht viel abgewinnen, ist mir zu martialisch. Ich vermisse das Naiv-Trottelige der Figuren… ziehe aber im Gegensatz zur großen Mehrheit auch beispielsweise die lahmen grenzdebilen Zombies den Schnellen mit Schwarmintelligenz vor.
Sascha, wie kamst du zu „Masters Of The Universe“?
SASCHA EIGNER: Kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Ich komme aus einem kleinen Ort in der Eifel, in dem es genau ein Spielwarengeschäft gab. Ich kann mich dunkel erinnern, dass es immer ein Highlight war, dort durchlaufen zu können. Es gab ja kein Internet und sowas und ich kannte neues Spielzeug nur aus Katalogen. Meine Oma hat mir erzählt, dass sie mit mir zusammen „Castle Grayskull“ und meine ersten Figuren gekauft hat.
Abseits von Nostalgie und Sentiment, was fasziniert Dich konkret am Gegenständlichen der Figuren?
SASCHA EIGNER: Ich finde die Figuren total hübsch und dekorativ. Auch wenn man jetzt nicht unbedingt damit spielt, machen die sich prima auf meinem Küchenbuffet oder Badezimmerspiegel. Diese krassen unterschiedlichen und vielen Charaktere sind doch mega. Außerdem sind die robust gebaut und halten auch nach über 30 Jahren immer noch. Die meisten Features der Figuren sind total simpel, aber gerade deswegen irgendwie cool.
Und was ist Deine vermutlich seltenste oder auch wertvollste Figur?
SASCHA EIGNER: Ich denke, meine Swift-Wind-Pferde und meine Girls-Sammlung.
Welche magst Du selbst am liebsten?
SASCHA EIGNER: Sowohl ich als auch meine Tochter lieben diese Pferde. Orko mag ich auch sehr. Der sieht ohne Hut genauso bescheuert aus wie ich ohne Hut. Leech, Beast-, Moss- und Ram-Man finde ich auch stark.
Ist bei „Masters Of The Universe“ immer noch das Merch stärker als die Story oder kannst Du was empfehlen wie den Film, die Hörspiele, oder die neue beziehungsweise die alte Trickserie?
SASCHA EIGNER: Ich erlebe gerade mit Staunen, dass meine Tochter auch total fasziniert ist von allem rund um „Masters Of The Universe“ – trotz zum Beispiel diesem ganzen Elsa-Quatsch, den Kids heute sonst abfeiern. Sie spielt mit Hingabe mit den alten Burgen und Figuren und liebt die alten She-Ra-Serien. Die schaue ich dann auch wieder hoch und runter und kann das nur empfehlen. Ich liebe aber auch die alten Hörspiele auf Kassette. Die neue Serie auf Netflix habe ich noch nicht gesehen. Ich fürchte mich etwas vor einer Enttäuschung.
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