Herbert Grönemeyer
Schon mit seinem letzten ME/Sounds-Interview (2/89) hatte er sich nicht nur Freunde gemacht. Und weil der Herbert nun mal von Natur aus etwas "großmäulig und bollerig" (Selbst-Einschätzung) ist, schlug er auch diesmal um offene Worte keinen kunstvollen Bogen. Anläßlich seiner neuen LP LUXUS sprach ME/Sounds-Mitarbeiter Martin Scholz mit der ehrlichen Haut.
ME/SOUNDS: Die neue LP LUXUS ist im Kasten, und Herr Grönemeyer wandert durch die Extreme der Triebe: In dem Song „Video“ wettert er gegen die Vermarktung von weiblichen Reizen in Rock-Clips, in „Ich will mehr“ andererseits stöhnt er vom „feinsten Lustmord“ und „Liebesakkord“. Kommt da das Tier im Intellektuellen zum Vorschein?
GRÖNEMEYER: „Na ja, ich bin ja im Bett nicht nur der Friedensfürst und les aus’m Buch vor. Was ich extrem chauvinistisch finde, ist der spekulative Einsatz von Frauen in Rock-Videos; das ist ein reines Verkaufsvehikel und ausgesprochen frauenfeindlich. Da siehst du diese feisten Rocksänger mit ihren dicken Ärschen in engen Hosen – und neben ihnen eine pralle Frau, die biöd in der Gegend rumsteht und den Sänger anhimmelt. Das ist geschmacklos, dagegen wehre ich mich. Es geht doch nicht an, daß Rockmusik, die in ihren Anfängen gesellschaftlich etwas in Gang gebracht hat, jetzt genau ins andere Extrem umschlägt.“
ME/SOUNDS: Du selbst hast dich ja bisher mit Video-Clips eher zurückgehalten.
GRÖNEMEYER: „Außer ‚Flugzeug im Bauch‘ hat’s da noch nichts gegeben. Video als Kunstform find ich schon toll, aber es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder du hast ’ne gute Idee – oder du filmst eine Band auf der Bühne. Wir werden zur neuen LP eins drehen, einfach aus dem Grund, weil’s in Deutschland kaum Musik-Sendungen gibt, in denen man auftreten kann.“
ME/SOUNDS: Grönemeyer war immer für das Klischee vom zynischen Oberlehrer gut. Dabei kommt eigentlich zu kurz, daß du eine gesunde Balance zwischen Him und Hose hältst…
GRÖNEMEYER: „Ha, das ist gut. Musik ist für mich immer ein Lust-Vehikel gewesen. Ich singe meine Lieder ein Jahr lang ohne Text, die semantische Ebene kommt erst am Schluß dazu. Ich bin in erster Linie Sänger. Ich mache keine Vortragsreisen, bin auch kein Dichter. Ich muß Emotion zeigen. Und den meisten Spaß im Leben hat man nun mal, neben dem Fußballspielen, an dieser anderen Sache. Es macht Laune, darüber zu singen. Und wenn das Hirn mal in die Hose fällt, ist das auch okay.“
ME/SOUNDS: Den ausschließlichen Lust-Luxus gönnst du dir aber offensichtlich auch nick. In „Hartgeld“ etwa setzt es Seitenhiebe gegen die Währungsunion. Andererseits hast du dich aus der ganzen DDR-Euphorie ziemlich rausgehalten. Während nationale und internationale Größen en masse in die DDR einfallen, hält sich Grönemeyer zurück. Kein Statement zur deutschen Einheit, keine medienwirksamen DDR-Gigs und auch keine Tour-Pläne.
GRÖNEMEYER: „Ich hab bisher noch nie in der DDR gespielt, obwohl wir da sehr populär sind. Nach BOCHUM kamen regelmäßig Angebote. Im letzten Jahr haben sie mir drei Millionen Ost-Mark für ein Open Air in Leipzig geboten. Aber ich habe immer gesagt: ‚Ich spiele nicht für die SED.‘ Dafür habe ich gerade im Westen aus linken Kreisen üble Kritiken wegstecken müssen; die warfen mir gleich Revanchismus vor. Ich hab viele Briefe von Fans aus der DDR bekommen, die mich gebeten haben, doch bitte nicht dort zu spielen, sie wurden ja sowieso keine Karten bekommen.
Die ganze Hysterie, die jetzt da stattfindet, hat auch mit unserer Vergangenheit zu tun. Die Dinge wiederholen sich, Vergangenheitsbewältigung findet im Grunde nicht statt, das ist wie bei uns nach 1945. Die SED hatte das totale System der Überwachung, durchstrukturiert bis ins letzte. Und jetzt ist das auf einmal alles wunderbar, das sind alles beste Demokraten und in einem halben Jahr haben sie alles begriffen. Es hätte eine Zäsur stattfinden müssen, statt dessen gibt’s Verdrängung.
Aber wenn du so was als Westler konstatierst, werden sie ganz hysterisch. Das singe ich auch in dem Titel-Song: ,Gehetzt wird jeder, der dem Rausch im Wege steht.‘ Bloß nichts mehr in Frage stellen, es geht doch schließlich um alle, um das Volk. Es macht mir Angst, wenn diese Einstellung in den nächsten zehn Jahren weiter hochgezüchtet werden sollte.
Als Musiker stelle ich mir die Frage, wann und wie fang ich in der DDR jetzt was an. Dieser Boom von amerikanischen Rockstars, die jetzt an den Überbleibseln der Mauer spielen, ist schon bedenklich. Die sollten sich fragen, ob sie dazu überhaupt ’ne Beziehung haben. Das ist ja so. als würde ich in Vietnam spielen. Diese ,Wall“-Geschichte ist auch so ein Ding, man hat uns ebenfalls gefragt, da mitzumachen, aber das ist doch was für Walt Disney.“
ME/SOUNDS: Gehl deine Skepsis so weit, daß eine DDR-Tour für dich nicht in Frage kommt?
GRÖNEMEYER: „Wir werden dort wohl im nächsten Frühjahr spielen. Ich denke schon, daß wir uns annähern, dort Konzerte geben müssen, um zu sehen, was da eigentlich passiert. Ich will mich nicht über Leute stellen, die da mitspielen wollen. Nur. ein kritischer Sänger aus dem Westen, der dort vorher gespielt hat, ist für mich ein Witz. Der wußte doch um die Zustände, wenn in Konzertsälen die Blauhemden saßen, das konnte keiner ignorieren. Diese Sorte von sogenannten kritischen Sängern muß sich jetzt schon an die eigene Nase packen, die haben in meinen Augen das damalige System gestützt.“
ME/SOUNDS: Stichwort Vergangenheitsbewältigung. Du hast im vergangenen Jahr, zum 50jährigen Jahrestag des Einmarsches deutscher Truppen in Polen, ein Konzert in Danzig gegeben. Was war das denn? Grönemeyer in völkerrechtlicher Mission?
GRÖNEMEYER: „Ich würde das nicht hochstilisieren. Das war eine Geste, ich hab’s auch für mich selber gemacht. Mein Vater war damals bei dem Einmarsch dabei. Die Leute dort waren schon sehr skeptisch, denn es waren nicht nur Polen da, sondern auch viele Besucher aus der DDR. Das haben die Polen wohl nicht so gern gesehen. Ich hatte einen Simultanübersetzer auf der Bühne und auch Songs wie ‚Angst‘ oder ‚Wir wollen ganz leise in Polen einmarschieren‘ gebracht. Die Reaktion war sehr vorsichtig, keineswegs euphorisch, was ich auch gut fand.“
ME/SOUNDS: Bob Geldof hat unlängst gesagt, Popmusiker seien erbärmliche Philosophen und miserable Politiker. Sie sollten sich doch bitte nicht so ernst nehmen, Pop-Musik würde sowieso nichts verändern. Ansichten eines geläuterten Idealisten. Dir werfen ja auch viele vor, daß du abhebst, beispielsweise, wenn du die Lage der Nation kommentierst.
GRÖNEMEYER: „Wir müssen als Musiker unseren Bereich bis an die Grenzen ausreizen. Nur, wann werden die überschritten mit unseren klugen Sprüchen? Das heißt jetzt nicht, daß wir uns aus allem raushalten sollten. Ich kann Geldof in seiner Einschätzung nur zustimmen, er hat das wohl selbst erlebt. Du bringst etwas ins Rollen und auf einmal verschwimmen die Grenzen. Du kriegst eben auch viel Luft in den Hintern geblasen, man suggeriert dir dauernd, daß der, der viel Geld hat und vor vielen Menschen spielt, etwas Besonderes sei. Ich versuche mir das Abwägen anzutrainieren. Wir saugen ja oft nur Ideen auf und brüsten uns dann damit. Aber wir sind doch nur die Trommler zum Kampf, Unterhaltung kann nur als Unterstützung dienen.“
ME/SOUNDS: Jetzt mal ehrlich, wann hast du dir selbst mal zu sehr auf die Schulter geklopft?
GRÖNEMEYER: „Ich denke. Wackersdorf war so ’ne Sache. Wer vorher die ganze Zeit so klugscheißerisch redet, hätte ja auch .Nein‘ sagen können und nicht mitmachen müssen. Bei ‚Nackt im Wind‘ ging auch einiges daneben, etwa als wir in dieser Fernsehsendung mit Heino auftraten, so nach dem Motto ‚Wir sind doch alle miteinander fröhlich‘. Dadurch weicht man die Dinge auf.“
ME/SOUNDS: In letzter Zeit hast du dich mit deinem Engagement, von der Initiative für den FCKW-Stop einmal abgesehen, mehr zurückgehalten, sogar den Wunsch von Sting ausgeschlagen, ihn bei seinem Regenwald-Projekt zu unterstützen.
GRÖNEMEYER: „Damit hab ich ja auch nicht ganz unrecht gehabt, die Geschichte ist ja wohl ziemlich schief gelaufen. Sting ist ein genialer Musiker, aber man kann nicht mal eben nebenher so eine Sache anleiern. Und so war das in diesem Fall wohl. Sting war bestimmt betroffen, aber betroffen sind wir ja alle. Er hat das schnell angepackt und ist dann gleich an den Broadway gerauscht, um Theater zu spielen. Entweder man zieht so eine Sache richtig durch und sagt sich: ‚Gut, jetzt mache ich mal zwei Jahre keine Musik mehr‘ oder man unterstützt es wie jede andere Privatperson und macht weiter seine Musik. Es gibt diese Form des Engagements durchaus, die FCKW-Geschichte war sehr erfolgreich, wir haben 500.000 Unterschriften gesammelt, andere Länder wollen die Idee übernehmen.“
ME/SOUNDS: Zu einem anderen Thema: BAPs, Westemhagens und auch deine LPs haben in der Regel schon vor der Veröffentlichung Gold-Status, eure Tourneen sind schon ein halbes Jahr im voraus ausverkauft. Ein fast schon beängstigendes Ritual, das mehr ßr blindes Vertrauen als für Geschmack spricht. Kommen dir da keine Zweifel?
GRÖNEMEYER: „Doch, dieses Mega-Tum gibt dir ein ganz eigenartiges Gefühl. Ich kann das aber nicht aufhalten. Je mehr sich das auf diese Großen konzentriert, desto einfältiger und langweiliger wird das. Die Leute kaufen nur noch LPs aus der Top Ten, der Rest entfällt. Wobei ich mich jetzt sicher nicht zu Hause hinsetze und weine, weil meine Konzerte ein halbes Jahr vorher ausverkauft sind.“
ME/SOUNDS: Jede deiner LPs erreicht mittlerweilen Millionen-Auflage. Die Plattenfirma freut sich, aber was sagt der Musiker dazu, wenn bei den Gigs Handtäschchen-schwingende Damen ‚Bochum‘ grölen ? Auf der neuen LP hast du einen Song über Inzest geschrieben. Siehst du nicht die Gefahr, daß solche Tabu-Themen in der Fan-Masse untergehen?
GRÖNEMEYER: „Sicher, die Gefahr ist da. daß die Leute einfach weghören. Aber man sollte deshalb nicht unterstellen, daß sie blöd sind. Ich merke an den Briefen, daß sich viele schon mit den Texten auseinandersetzen. Ich singe nun mal aus meiner Situation heraus, versuche mich nicht als ‚Working Class‘-Vertreter zu verkaufen. Ich bin nun mal erfolgreich und habe Geld.
Ich habe die LP aus zwei Gründen LUXUS genannt: Auf der einen Seite geht es um die neue deutsche Gediegenheit, auf der anderen Seite um mein privilegiertes Leben. Und da überlege ich mir: Was kannst du aus dieser Situation heraus sagen.“
ME/SOUNDS: Da sind Mißverständnisse wieder vorprogrammiert. Die Yuppies könnten LUXUS zu einer Kult-Platte erheben: „Luxus“ ist toll! Genau wie ’85 ganz Amerika Springsteens „Born In The USA“ grölte, ohne sich um den Inhalt zu scheren.
GRÖNEMEYER: „Das war bei meinen Texten aber immer so, sie sind mißverständlich. Ich bin ja nicht der Erzieher der Nation. Ich versuche, Reibungspunkte zu geben. Aber ich glaube, wir bewegen uns schon wieder auf dem Weg nach unten. Man sagt nichts mehr. Die reine Unterhaltung soll wieder im Vordergrund stehen.“
ME/SOUNDS: Du hast dich oft über fehlenden Nachwuchs beklagt und den Plattenfirmen angekreidet, sie würden sich gar nicht um neue Bands kümmern. Kannst du denn nicht mal mit der Faust auf den Tisch hauen?
GRÖNEMEYER: „Ich kann nur eigene Ideen äußern. Ich habe meiner Firma gesagt, sie sollte ihr Budget auf mehrere Bands spülten und ihnen die Chance geben, zwei oder drei LPs zu machen – und nicht auf den Volltreffer mit dem Debüt setzen. Bei mir war das ja genauso. Es wird Zeit, daß neue Leute nachrücken. Grönemeyer ist ja wirklich nicht der aktuellste nun Künstler Deutschlands.“
ME/SOUNDS: Wenn jetzt schon jemand wie Matthias Reim („Verdammt, ich lieb‘ Dich“) ab die neue Nummer eins angepriesen wird, muß sich wohl was tun.
GRÖNEMEYER: „Solche Leute hat’s immer gegeben. Daß der Schlager jetzt wieder ins Rampenlicht rückt, hat auch mit der politischen Wende zu tun; in den 80er waren solche Leute eindeutig auf dem Rückzug. Das kommt jetzt aus der Tiefe wieder hoch, Schlager und – ganz extrem – Volksmusik. Da geht diese Saat auf. bloß nicht zu engagiert zu sein. Wenn dann noch der nationalistische Wahn dazukommt, kann es geistig sehr eng werden.“
ME/SOUNDS: Oben an der Spitze wird die Luft meist dünn, die Konkurrenz zwischen dir, BAP und Westernhagen wurde öfters heraufbeschworen …
GRÖNEMEYER: „Das ist wirklich der dümmste Dorf-Tratsch, es gibt für mich keine Konkurrenz. Meine einzige Konkurrenz bin ich selbst. Ich muß besser singen als Herbert Grönemeyer. ich kann nicht besser singen als jemand anders.“
ME/SOUNDS: Dennoch, kaum haben BAP auf ihrer letzten Tour in den größten Hallen gespielt, ist auch Westemhagen in die Arenen umgezogen. Bei dir sieht das jetzt nicht anders aus.
GRÖNEMEYER: „Ich kann dazu nur sagen, daß man das intensivere Konzert sicher in einer kleineren Halle bringt. Wir spielen jetzt 50 Konzerte. Bei der ‚Sprünge‘-Tour habe ich mich nur auf kleine Kapazitäten beschränkt. Die Leute sind ausgerastet und haben uns als elitäres Pack beschimpft, das nur für den engsten Kreis spielen würde. Ein Beispiel: In Hamburg habe ich jetzt zweimal die Sporthalle mit 8.000 Leuten ausverkauft: wenn ich das auf eine kleine Halle zurückschrauben würde, müßte ich 15mal in Hamburg spielen. Jetzt stell dir vor, das geht in jeder Stadt so, da kann ich mich ja erschießen. Ich will andererseits aber keine Abkoche betreiben und versuche nach wie vor. die Preise niedrig zu halten. Diesmal wird’s 24 Mark kosten, weil wir die Produktion etwas aufgestockt haben mit Vari-Lights. Aber für Springsteen zahlen die Leute ja auch 50 Mark und finden das ganz toll, wenn der abends mit einer Million nach Hause geht.“
ME/SOUNDS: Nun gut, die deutschen Bands jammern über 50 Konzerte, US-Kollegen geben im Jahr oft 150 Konzerte und fallen auch nicht vom Fleisch.
GRÖNEMEYER: „Als erstes hat Amerika auch fünfmal so viele Menschen wie wir. Das ist auch ’ne Kraftfrage. Bei der ‚Sprünge‘-Tour habe ich 70 Konzerte gegeben. Ich versuche schon, jeden Abend Vollgas zu geben, aber nach dem 55. Konzert wurden die Beine schwer. Und wer sagt, sein 70. Konzert habe die gleiche Intensität wie das 40.. der lügt.“
ME/SOUNDS: Deine Popularität macht dich und deine Texte schon zum Allgemeingut. Die Black Föös bringen ^Männer“ als Acapella-Nummer, und Peter Alexander serviert auf der Bühne „Männer“ auf wienerisch. Gehl dir da nicht der Hut hoch?
GRÖNEMEYER: „Ich habe meine Texte bisher nie für ’ne Tanz-Platte à la James Last freigegeben. Singen darf sie ja sowieso jeder, aufnehmen nicht. Wenn Heino ‚Männer‘ auf Platte bringen will, muß er mich fragen. Die Black Föös-Version hat mir gefallen, aber als danach angeregt wurde, die Noten herauszubringen, habe ich mich geweigert. Das ist nix für den Männergesangsverein. Mit Peter Alexander, das wußte ich gar nicht. Dem würde ich es auf jeden Fall verbieten, den Song aufzunehmen.“
ME/SOUNDS: Solche Geschichten rücken dich zunehmend ins Spott-Licht, hinzu kommen Singles wie „Grönemeyer kann nicht tanzen“. Kannst du diese Art von Humor gut wegstecken?
GRÖNEMEYER: „Also, wenn man es bissig und böse macht, find ich das gut. Wenns von Peter Alexander plattgedrückt wird, lieber nicht, dann lieber ‚Grönemeyer kann nicht tanzen‘. Das war zynisch, fand ich okay.“
ME/SOUNDS: Daß deine Texte Niveau haben, ist unbestritten. Was deine Musik angeht, sind sich einige deutsche Bands nicht mehr so einig. Diverse Musiker, die versuchen ihren eigenen Sound zu wahren, werfen dir anglo-amerikanisches Plagiat vor.
GRÖNEMEYER: „Es stimmt schon irgendwie, ich schreibe keine avantgardistische, aber schon deutsche Musik, was man an der Kompositionsstruktur sehen kann. Das ist nicht bahnbrechend, eher Mainstream. Aber unter der Haut ist das, glaube ich, letztlich schon deutsch. Ich schreibe nun mal Musik für meine Sprache.“
ME/SOUNDS: Im vergangenen Jahr hast du’s doch mal auf Englisch probiert mit „What’s All This“. Der internationale Durchbruch hat sich nach deiner Tour in Kanada aber nicht eingestellt.
GRÖNEMEYER: „Deshalb habe ich das auch nicht gemacht. Kanada war ’ne wichtige Erfahrung. Beim ersten Gig hab ich ‚Standing ovations‘ gekriegt, in Montreal auf einer Kirmes dagegen sind die Leute eingeschlafen. Ein totaler Reinfall. Aber es war sehr gesund: Ich hab gemerkt, daß ich auf der Bühne oft völlig hohle Attitüden draufhabe.“
ME/SOUNDS: Du weißt, daß du bei Journalisten und auch bei einigen Kollegen ab launische Diva giltst. Würdest du das unterschreiben?
GRÖNEMEYER: „Ich kann das zumindest nachvollziehen. Launisch bin ich nicht, aber manchmal großmäulig, rechthaberisch und bollerig. Wenn ich mal mit jemandem schlechte Erfahrungen gemacht habe, will ich mit dem nichts mehr zu tun haben. Das war’s dann. Das hat mit Prinzipien und Leidenschaft zu tun. Aber ich bin nicht elitär. Ich gehe schon auf die Leute zu, rede mit ihnen – bis sie mir das Taschenmesser in den Rücken stoßen.“