Himmel oder Hölle? Die merkwürdige Gedankenwelt der Throwing Muses
Bitte nicht rauchen während des Interviews!“ Wie meinen? Nicht rauchen? Draußen, bei sommerlichen Temperaturen im Hinterhof eines Münchner Tagescafes. Wieso? Des Rätsels Lösung: Kristin Hersh, die Frau, die ihre Anhängerschaft seit zehn Jahren zuverlässig mit wunderbaren Pop-Hooklines für die Ewigkeit versorgt, erwartet ihr drittes Kind.
Kristin Hersh wirkt auf den ersten Blick wie der Typ Karrierefrau, dem man in dunklen Firmenfluren ungern begegnet: pflegeleichter kastanienbrauner Resoluthaarschnitt, hübsches blaues Leinenkleid, hinter der Sonnenbrille ein kühler unnahbarer Blick aus blaß-moosgrünen Augen. Aufrechte Sitzposition. ‚Limbo‘ heißt das neue Album der Throwing Muses, übersetzt ‚Vorhölle‘. Merkwürdiger Titel für optimistisch-süßlichen, dramatischen Indie-Pop der speziellen Throwing Muses-Art. „Bei der Studioarbeit sind wir uns eben vorgekommen wie zwischen Himmel und Hölle und die Songs sind es auch“, erklärt Kristin. ‚Limbo‘ sei soundmäßig bescheidener als der Vorgänger ‚University‘, mit Live-Drums, sauberen Gitarren, trockenen Vocals. Sehr klar sei alles diesmal ausgefallen, eine Band in einem Raum, that’s it. Gründungsmitglied David Narcizo sitzt einen Stuhl weiter, lächelt entspannt und beschreibt seinen Part bei der Studioarbeit: „Ich wische den Fußboden und mache Kaffee.“ Aber das ist natürlich stark untertrieben. Ohne Drummer David, der von seinem Outfit her auch als Maschinenbaustudent im siebten Semester durchgehen könnte, geht nämlich gar nichts bei den Muses.
Somit entfällt auch jedwede Spekulation, daß sich die Band auflöst. (Kristins Solo-Debut ‚Hips And Makers‘ vor zwei Jahren verkaufte sich besser als jedes Throwing Muses Album bis dahin) Kristin und David lachen über solche Gerüchte, schließlich hat der Solo-Erfolg auch den Verkauf der Muses-Alben angeheizt und außerdem sind die beiden Endzwanziger von Kindheit an dick befreundet. Dennoch bastelt Frau Hersh derzeit zu Hause in Newport/ Rhode Island an den Tracks fürs neue Solo-Album. Zudem wird sie in Kürze mit einem Song auf dem zweiten ‚Tribute To Victoria Williams‘-Album vertreten sein. „Meine Solo-Songs handeln von realen Dingen und Personen, Muses-Songs schweben im Unwirklichen. Wenn ich Muses-Texte schreibe, dann habe ich kein beherrschendes Thema oder eine Message. Ich weiß dann auch oft zunächst gar nicht, was ich da singe. Ich höre Worte. Es ist plötzlich so, als ob jemand im Zimmer ist, der mir alles erzählt.“ Aha, Frau Hersh hört Stimmen. Plötzlich wirkt auch das jaulende Martinshorn auf der Straße wie aus einer anderen Welt.