Howler


Die Band aus Minneapolis bringt nicht nur Slackertum, sondern auch etwas Dummheit in den Rock'n'Roll zurück. Und mit Jordan Gatesmith hat die Szene einen neuen Posterboy.

Nein, die nächsten Strokes sind sie nicht, auch wenn das viele behaupten. „Warum suchen alle nach den nächsten Strokes, wenn es die alten noch gibt – und die immer noch gut sind?“, wundert sich Jordan Gatesmith, optisch eine Mischung aus Adam Green, James Blake und Justin Bieber. Der 19-Jährige ist das Mastermind von Howler, dieser Slacker-Band aus Minneapolis, der vom geschmackssicheren UK-Label Rough Trade – Plattenfirmenheimat der Strokes – gleich ein Vertrag über vier Alben vorgelegt wurde. Bereits nach einmaligem Hören eines Demos von Howler schickten Rough Trade einen A&R-Mann nach Minneapolis, um sich eine Show der Band anzusehen. Sieben Minuten nach Konzertende war, der Legende nach, der vorsorglich aus England mitgebrachte Vertrag unterschrieben. Der Humor der Replacements, die Bubblegum-Melodien von Jesus & Mary Chain und die Eleganz von My Bloody Valentine überzeugten den Briten. Die erste Frucht der Zusammenarbeit, das Debüt America Give Up, ist Mitte Januar erschienen. „Der Titel ist schon eine Mittelfinger-Geste“, sagt Gatesmith, „aber nicht in einem streng politischen Sinn wie bei Green Days American Idiot. Es ist eher als Rat an jemanden gedacht, der verzweifelt versucht, etwas völlig Unrealistisches zu erreichen.“

Dabei könnten ausgerechnet Howler etwas völlig Unrealistisches erreichen: ohne Verkrampfung das momentan doch sehr abgeflaute Interesse an Rockmusik wiederherstellen – und dem ganzen Begleitquatsch: „Die 15-jährigen Mädchen kreischen schon, wenn sie Jordan nur sehen“, sagt Bassist France Camp. Und sie werden immer mehr. Nach einer Ostküstentour im Vorprogramm der ebenfalls Minneapolitaner Tapes ’n Tapes und einer Tour als Support der Vaccines durch das UK wurden die YouTube-Klicks unter dem Video zum Hit „I Told You Once“ schnell sechsstellig. Die Aussicht auf ein vergrößertes Publikum verängstigt Gatesmith dabei nicht: „Im Gegenteil, je größer und anonymer das Publikum, desto entspannter bin ich. Am nervösesten bin ich, wenn ich vor Freunden spiele.“

An diesen Zustand wird er sich vorerst nicht gewöhnen müssen. Aber lauert stattdessen nicht vielleicht die Gefahr, Bodenhaftung zu verlieren, bei diesem Alter und diesem Zuspruch? „Ach was, wir sind ganz brav“, sagt er, „das Wildeste, was wir bisher gemacht haben, war, den Tourbus von Tapes ’n Tapes mit Transsexuellen-Pornos zuzumüllen, aber das war kein Rock’n’Roll, das war idiotisch.“ Doch was wäre Rock’n’Roll ohne Idiotie? Was wäre Rock’n’Roll ohne „Hey ho, let’s go“, was ohne „She loves you, yeah, yeah, yeah“? Umarmt die Idiotie, Howler, und die Welt wird euch umarmen.

Albumkritik S.89

* Sänger Jordan Gatesmith hasst Pink Floyd, liebt aber Syd Barrett.

* Vor Howler spielte Gatesmith in einer Band namens Total Babe.

* Nach seiner ersten UK-Tour, der ersten und bislang einzigen Zeit, die Gatesmith außerhalb der USA verbrachte, urteilte er: „Ich liebe England, aber das Essen dort ist wirklich schlimm. Außer Fish & Chips, das ist super. Und Tee mag ich auch – tea is the shit.“

* Die Musikszene in ihrer Heimatstadt Minneapolis bezeichnet die Band als „verdammt noch mal unglaublich. Es gibt tonnenweise geile Fanzines, engagierte College-Radiosender und Bands, die keine Kohle haben und ganz bewusst den unkommerziellsten Krach machen.“

* Zu den bekanntesten Musikern aus Minneapolis gehören Prince, The Replacements, The Jayhawks, Hüsker Dü und Soul Asylum.