Hurricane und Southside: FKP Scorpio reagiert mit Statement auf Gender-Inequality-Vorwürfe


„Neben gesellschaftlich und medial geprägten Rollenbildern fallen erste Entscheidungen beispielsweise schon unbewusst bei der Musikinstrumentenwahl.“

Als Anfang November die ersten Bands für Hurricane und Southside 2019 angekündigt wurden, war die Freude vielerorts sicher groß: „The Cure! Foo Fighters! Die Toten Hosen! Mumford & Sons! Und alle auf einem Festival!“ Wer aber einen Blick in die zweiten und dritten Reihen im Line-up unter den Headlinern warf, sah im Grunde nichts anderes als das, was die erstgenannten Bands schon waren: ein Haufen Männer, die Musik machen. Unter allen 25 angekündigten Acts fand sich zwischen Bilderbuch, AnnenMayKantereit, Enter Shikari und The Streets nicht ein Act, in dem eine Frau wenigstens den Bass spielen würde. In Zeiten, in denen sich viele Festivals wenn schon nicht um Ausgleich, um Verbesserung des Geschlechter-Ungleichgewichts bemühen, ließ die Kritik nicht lange auf sich warten: „Ich will keiner Penisband ihre Existenzberechtigung rauben (außer die Mucke ist wirklich zu scheiße, haha), ich gehe auch nicht davon aus, dass demnächst alle Bühnen paritätisch besetzt sein werden, aber sowas wie das Hurricane-Billing sollte man dennoch einfach mal outen als das, was es ist: Nicht mehr zeitgemäß“, kommentierte Popjournalist und ME-Autor Linus Volkmann auf Facebook, auch andere Medien berichteten.

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Mit der zweiten Bestätigungswelle Anfang Dezember schien der Veranstalter FKP Scorpio auf die Kritik zu reagieren: Unter den nun sechs Headlinern tummeln sich zwar weiterhin nur Männer, zwischen den 30 neu angekündigten Acts finden sich aber immerhin neun, die teilweise oder gar ausschließlich aus Frauen bestehen.

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In einem schon vor der zweiten Bandwelle verfassten Statement hat FKP Scorpio ganz konkret auf die Vorwürfe und die daraus entstehende Diskussion reagiert.

Lest hier das komplette Statement im Wortlaut:

„Wir wünschen uns ebenfalls mehr Frauen auf Festivalbühnen – daher können wir kritische Nachfragen prinzipiell verstehen, auch wenn wir gerade einmal rund 25 Prozent des Gesamt-Lineups veröffentlicht hatten, als diese aufgekommen sind. Dass sich unter den ersten 25 Künstlern keine Frauen befanden, hat einen einfachen Grund: Von den angefragten weiblichen Acts gab es bis zum Zeitpunkt der ersten Ankündigung keine finalen Zusagen, was sich mittlerweile ja auch geändert hat. Der Veröffentlichungszeitpunkt der Bands folgt natürlich anderen Regeln, und als Veranstalter können wir insbesondere mit der ersten und wichtigsten Bandveröffentlichung nicht unbegrenzt warten.

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Das oberste Ziel unseres Line-ups ist die künstlerisch-musikalische Diversität, eben eine reizvolle Mischung aus bekannten Namen und Newcomern der für unsere Besucher interessanten Genres. Diesen Anspruch müssen wir im Dialog mit den Künstlern und Besuchern zudem mit logistischen, zeitlichen und ökonomischen Faktoren unter einen Hut bringen. In den für uns relevanten Genres gibt es großartige Musikerinnen, aber eben noch nicht in der Häufigkeit, dass es uns immer gelingt, ein sichtbareres Zeichen zu setzen. Das ist nicht optimal, als Veranstalter sind wir damit ebenfalls nicht zufrieden und setzen uns dafür ein, weibliche Talente zu fördern und in all unseren Formaten (neben Festivals veranstalten wir auch Tourneen oder Shows) zu präsentieren. Aktuelle Beispiele dafür sind etwa Pink, Amy MacDonald, Florence + The Machine, Lake Street Dive, Sharon Van Etten oder Adia Victoria, um nur einige Namen unter vielen zu nennen, die allein in den vergangenen Wochen bestätigt wurden.

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Dass Frauen in manchen Musikrichtungen in der Unterzahl sind, hat auch komplexere Gründe: Neben gesellschaftlich und medial geprägten Rollenbildern fallen erste Entscheidungen beispielsweise schon unbewusst bei der Musikinstrumentenwahl. Festivals sind immer Ausprägungen unserer Gegenwartskultur, und einer nachhaltigen Veränderung muss zwingend ein gesamtgesellschaftlicher kultureller Wandel vorangehen. Wir wollen die Verantwortung aber nicht wegschieben. Was machen wir also, um zu einem Wandel beizutragen? Wir setzen dort an, wo die besagten Weichen gestellt werden und wir tatsächlich etwas verändern können, beispielsweise in der Musikförderung. In Kooperation mit dem bundesweiten Schulband-Wettbewerb „Schooljam“ ermutigen wir bewusst auch junge Mädchen, den Schritt auf die Hurricane-Bühne zu wagen (hier gibt es Details unter dem Reiter „Und jetzt ihr!“). Natürlich arbeiten wir als Konzertagentur auch mit zahlreichen Künstlerinnen und leben Gleichberechtigung in der Unternehmensführung nach innen und außen. Beispielsweise ist das Booking von Künstlern unserer Beobachtung nach immer noch eine Männerdomäne. Wir setzen uns schon seit Jahren dafür ein, etwas daran zu ändern und haben im Tournee- und Festival-Booking, aber auch im gesamten Unternehmen, heute ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis erreicht. Aber das betrifft nicht mehr die Kernfrage, und wir möchten nicht allzu sehr in Rechtfertigung verfallen. Wir sehen das Problem genauso wie unsere Kritiker und arbeiten darum an verschiedenen langfristigen Lösungen, von denen wir glauben, dass sie erfolgreicher sind als eine bloße Quote, die eben nie mehr sein kann als ein Zeichen.“

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