Ian Anderson


Auch wenn er gar nicht sooo alt ist (37 Jahre, um exakt zu sein), denkt man bei Jethro Tull-Oberflöte Ian Anderson unwillkürlich an Asbach Uralt. Wie der leibhafte Rübezahl sieht er inzwischen zwar nicht mehr aus, aber selbst im dezent modernisierten 84er Outfit erkennt man unschwer den konservativen Briten klassischer Schule. Der ideale Blinddate-Kandidat also, um die steilen Spitzen der Charts zu erklimmen und genüßlich über den modischen Nachwuchs die Nase zu rümpfen…

U2: „Pride (In The Name Of Love)“

„Nach den ersten Takten dachte ich, das sei Robert Plant. Habe das alles schon mal gehört – die Produktionstechnik bleibt immer auf demselben Level, immer dieses verwaschene Echo! Wo sind die neuen Entwicklungen, Abwechslungen? Für mich klingt das alles reichlich neurotisch. Ich hoffe, das ist jetzt niemand, den ich normalerweise mag. Wer? U2? Aha. Lustig … Ich glaube, der ‚Melody Maker‘ hat mal geschrieben, daß U2 das aufgeblasenste Pompös-Ding seit Ian Anderson sei … Brian Eno hat auch mehr Produktions-Tricks auf Lager, als man hier zu hören bekommt. Ich kenne Brian noch aus den Roxy Music-Tagen. Er ist ein guter Poseur und kann eigentlich gar nicht richtig spielen. Und dann heißt’s ‚produced by Brian Eno‘ Ha, produced by my mother…könnte da auch draufstehen und es würde keinen Unterschied machen!“

Heaven 17: „Flame Down“

„Da komm ich nie drauf. Klingt wie Ringo Starr meets Howard Jones on a good night! Der Gesang erinnert an ein Billig-Demo, das Arrangement hingegen ist in der Tat großartig. Da sind ein paar hinterhältige Tricks drin, sehr clever! Das ist wahrscheinlich gerade angesagt, ja? Wirklich interessant gemacht, wenn nicht dieser Sänger wäre. Er klingt so gar nicht überzeugt von dem, was er da singt. Wer ist das? Heaven 17? Ich kenne zwar den Namen, habe aber noch nie was von denen gehört. Sind die hübsch? Sind das gutaussehende junge Herren? Schön genug? Na ja, dann…“

David Bowie: „Blue Jean“

„Das hört sich wie ein Demo für das nächste Bowie-Album an. Ein bißchen wenig Ideen sind da drin. Wenn da nur irgendein kluges Köpfchen acht Takte eingebaut hätte, die sich von der Basis des Songs lösen würden – einfach um die Spannung des Songs zu erhöhen – dann wäre alles wunderbar. Aber so schlendert der Song mit einer einzigen guten Grundidee dahin, ohne dich in irgendeiner Form zu fesseln. War das Bowie? Was versucht er denn jetzt wieder darzustellen? Mit diesem Gesang riskiert er ja eine böse Mandelentzündung, aber Bowie ist ein tapferer Mann!“

Matt Bianco: „Whose Side Are You On“

„Stop! Mach das aus! Das sind diese „Get Out Of Your Lazy Bed“-Typen, oder? Das ist doch nur pure Image-Macherei. In England haben ein paar trendgeile Deejays sofort losgebrüllt: ‚Hört, hört, was total Neues, Irres, Wunderbares!‘ Ich finde das absolut abartig. Wie ein total verunglücktes Stilleben, das ich am liebsten gegen die nächste Wand schmeißen möchte – f-ü-r-c-h-t-e-r-l-i-c-h!“

Hongkong Syndikat: „Berlin“

„Absolut öde. Manchmal können Wiederholungen ja hypnotisch wirken, aber es kann dir auch ganz simpel auf die Nerven gehen. Ist das eine deutsche Band? Also die Idee mit Ronald Reagan finde ich wirklich süperb! Die Ausführung und Umsetzung der Idee aber ist einfach übel.“

Bruce Cockburn: „Nicaragua“

„Ist es Gerald Ford? Ist es Richard Nixon? Ich bin mir fast sicher, daß es nicht Jimmy Carter war! Ich mag diese Leute nicht, die so fürchterlich ‚ehrlich‘ ihren Standpunkt klarlegen wollen! Dieser Text, uh, wenn ich das schon höre: ,I pay my dues‘ und all den Käse. Das könnte so ein typischer Ami-Polit-Schwätzer mit Akustikgitarre in der Hand sein, geboren und stehengeblieben Anfang der Siebziger Jahre! Bruce Cockburn? Hmm, sorry Bruce… Vielleicht hätte Brian Eno ihn produzieren sollen, mit noch mehr Echo…“

XTC: „Pretty Girls“

„Wirklich ausgezeichnet! Liegt genau auf meiner Wellenlänge. Ich würde mich freuen, wenn so was auf dem neuen Bowie-Album zu finden wäre. Absolut keine Ahnung, wer das sein könnte, aber da waren Könner am Werk. Wie die deine Aufmerksamkeit mit ein paar Arrangement-Tricks erzwingen, ist wirklich toll. Es ist originell, aufregend – eben anders als der ganze Fließband-Schrott…XTC? Gosh! That’s surprising. Steh‘ ich wirklich drauf, Kompliment!“

John Cale: „Ohh Laa Laa“

„Also wenn du versuchst, Witz-Platten zu machen, dann solltest du auch eine witzige Idee haben. Wahrscheinlich ist das ein weiterer Song vom Bowie-Album. Es gibt nichts Schlimmeres als etwas Lustiggemeintes, wo der Witz einfach steckenbleibt. Wer ist das? Das soll John Cale sein? Warum macht der so was? Das ist doch nur peinlich…“

Everly Brothers: „Lay Lady Lay“

„Ich weiß, wer das ist: Phil Everly und David Bowie haben den Song auf einer Playboy-Party irgendwo in den Staaten mal gesungen, das müßte ein Mitschnitt davon sein. Meine Frage: Warum macht man so was? Es ist im Prinzip nichts anderes als diese „Lazy-Bed-Matt-Bianco“-Bande. Sie versuchen etwas vorzutäuschen, es ist einfach nicht ehrlich und echt. Es geht nur darum, als erster wieder etwas Vergangenes auszugraben und damit heiß im Trend zu liegen. Wer ist es? Eigentlich sollte es tatsächlich Bowie sein, denn wer sonst könnte dazu fähig sein? Die Everly Brothers? Ehrlich? Das ist eine Schande…Cabaret, Cabaret here they come!“

The Fixx: „Phantoms“

„Absolutely bloody wonderful! Das ist das Beste, was ich seit langer, langer Zeit gehört habe! Seine Stimme ist riesig, die Gitarre einfach enorm und die Produktion über jeden Zweifel erhaben. Wenn du mir jetzt sagst, wer das ist, werde ich vor Neid grün werden. The Fixx? Sind das Engländer? Sind die in Amerika sehr erfolgreich? Wenn nicht, möchte ich die im Vorprogramm für unsere nächste US-Tour haben. Aber wahrscheinlich sind die drüben schon so groß, daß wir besser im Vorprogramm spielen sollten…“

OMD: „Tesla Girls“

„Ich möchte nur feststellen, daß ich dem Typen böse bin, der James Last einen Fairlight-Computer zu Weihnachten geschenkt hat. Oder ist das der Sohn von James Last? Wenn du einen halbwegs intelligenten Atari-Computer nach ein paar Harmonien fragst, wird er dir denselben Schmus anbieten. Es interessiert mich überhaupt nicht, wer das ist, denn im Grunde sind diese Electro-Popper doch alle gleich.“ „Danke für The Fixx! Ich habe eigentlich keine Platten zu Hause, aber diese werde ich mir zulegen! Ansonsten, wenn das ein Querschnitt moderner Popmusik gewesen sein soll, dann haut mich das nicht aus den Schuhen. Vielleicht hätte doch besser Brian Eno David Bowie produzieren sollen, mit den Everly Brothers an den Gitarren. Und Ronald Reagan sagt im verhallten Chor dazu ‚Berlin bleibt doch Berlin’…“