Ian Hunter
Ian Hunter, auf Promotion-Besuch in Hamburg, warnte uns gleich: „Ich bin ein Mensch, der eigentlich keine Musik hört. Allenfalls sehe ich mir Videos an. Mein zweijähriger Sohn hängt den ganzen Tag vor der Glotze und sieht MTV (der Kabelkanal in den USA, der nur Musikvideos ausstrahlt) und zwingt mich so, die Dinger zur Kenntnis zu nehmen.
In New York ist das Radio langweilig. Die einzige Ausnahme ist vielleicht WPIX, eine schwarze Station, aber ich finde die Brüder nie, weil sie immer ihre Frequenzen wechseln.
Wen ich von diesen neuen Stars wirklich schätze, ist Boy George. Ein toller Sänger und guter Typ, sehr aufrichtig und ernsthaft; einer, der nicht schwätzt und angibt.“ Soweit die Vorrede – und damit wurde die Cassette mit 10 Titeln eingeschoben, die es für Ian Hunter zu erraten und kommentieren galt. Talking Heads: „Buming Down The House“ „Schwer zu sagen. Heute kann man amerikanische Bands und britische Bands nicht mehr auseinanderhalten. Das ist einer dieser exzellent arrangierten, cool produzierten Tracks, die man gern in Clubs hört, aber als Song ist das zu schwach, nicht tragfähig.
Diese Bands, ich nenne sie der Einfachheit halber alle Heaven 17, sind so gut beim Produzieren und Arrangieren, daß einem angst und bange wird; aber sie schreiben keine richtigen Songs, mit Akkordwechseln.
Die Talking Heads sind das? Das hätte ich wissen sollen. Ich mag sie eigentlich sehr, obwohl sie mir ein bißchen zu intellektuell auftreten.“
Prince: „Little Red Corvette“
„Klingt wie Michael Jackson ohne Quincy Jones. Die Produktion ist merklich schlechter. Prince? Ja, ich hatte an ihn gedacht.
Prince wird in Amerika ja viel diskutiert. Die eine Fraktion hält ihn für das Größte überhaupt, die andere für einen Betrug; ich habe mich da noch nicht ganz entschieden. Aber auf jeden Fall kommt er nicht an Michael Jackson heran. Der nämlich ist der beste lebende Sänger.“
James Brown: „Bring It On“
„Sly oder James Brown könnten es gewesen sein. Aber auch noch ein Dutzend andere Bands aus dem Polygram-Katalog. Mir ist das wieder zu ,one-chordy‘ Nur ein Akkord, keine Abwechslung. Beim Tanzen ist es toll, der Bassist ist ein Genie, diese Leute können was, aber ich mag es nicht so. Mittelmäßig.“
Robert Plant: „Big Log“
„Mach das aus, das ist eine schwere Enttäuschung, das ist Robert Plants neue Single. Ich meine, der Mann hat bewiesen, daß er ein Meister der Ökonomie ist. Und nun das hier, das war wirklich nicht nötig. Mißraten.
Wham: „Bad Boys“
„Wieder eine dieser jungen Bands mit perfektem Arrangement, tollen Bläsern, meisterhafter Produktion und nur einem Akkord. Mich beunruhigt dieser Trend, weil ich mit Produktion nicht viel am Hut habe und ein sehr simpler Arrangeur bin. Ich bin ein Autor – und die hier sind das Gegenteil von mir.
Trotzdem interessant, so was zu hören. Ich würde junge Bands nie negativ beurteilen: Ich weiß noch, wie das war, als wir anfingen und die etablierten Musiker auf uns herabsahen.“
Yazoo: „Nobody’s Diary“
„Jeder hat wohl jetzt einen Linn Drum-Computer. Dieser Song klingt nach einem sehr niedrigen Budget und nach einer sehr sexy Sängerin. Das Tolle an ihr ist ihre Verwundbarkeit, das gibt es so selten, aber ich liebe es. Ich selber bin gar nicht so, aber ich schätze es bei anderen.
Die Texte sind auch gut, Frauen schreiben einfach bessere Texte, ihre Gefühle sind vielfältiger, offener. Ich glaube, das war hier bis jetzt das Beste.“
Kraftwerk: „Tour De France“
„Das kenne ich. Kraftwerk, ja, das ist eine wichtige Band. Total leer – und trotzdem hat alles einen Sinn.
Nicht unbedingt meine Musik, aber sie verdienen doch Respekt. Die ganze heutige Musik, bis hin zu Bands wie A Flock Of Seagulls. die in den USA groß absahnen, wäre ohne sie überhaupt nicht denkbar. Nein, Kraftwerk sind schon toll. Obwohl sie manchmal nerven, habe ich einige Alben von ihnen zu Hause, die ich gelegentlich auch auflege.“
Yello: „I Love You“
„Das kenne ich, ein lustiger Song und ein ganz tolles Video; dieser Typ, dieser Sänger, der hätte Schauspieler werden sollen. Ein neuer Clark Gable. Diese Band hat viel Sinn für Humor.“
Bryan Adams: „Straight From The Heart“
„Kannst du ausmachen, kenne ich gut. Ein hervorragender Song. Gut gemacht und trotzdem ideal für ein Massenpublikum. Dieser Bryan Adams, Kanadier oder was er ist, wird noch sehr groß werden. Der ist jetzt erst 22 oder so und schreibt brillante Songs.“
Ringo Starr: „In My Car“
„Das soll Ringo sein? Also der Song beginnt ja ganz gut, sehr britisch. Frühe Faces, ein wenig sogar Small Faces, ein Tupfer Kinks, alles ganz schön, aber dann bricht er so blöde ab, genau in der Mitte. Der ist nicht richtig durchgeführt, ein halber Song.“ Das war’s? Dann muß ich unbedingt noch sagen, daß es mir eine große Ehre ist, in derselben Rubrik aufzutauchen wie Pele. (ME/ “ Sounds 4/83.) Er ist einer der letzten großen Helden, für mich als lebenslanger Fußball- Fan vielleicht der Größte überhaupt.“