Ich glaub‘ der singt vom Wald: 7 Songs, in denen es ums Klima geht
Alle sprechen vom Klimawandel. Doch wer singt eigentlich darüber? Sieben Songbeispiele, eigens ausgewählt zum heutigen Weltklimatag.
Umweltthematiken sind keineswegs ein Pop-fernes Thema – und tauchten in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder in Titeln verschiedener Genres auf. Wir haben zum Weltklimatatag am 20. September 2019 eine Songauswahl für Euch zusammengestellt.
Alexandra – „Mein Freund, der Baum“ aus dem Album „ALEXANDRA“ (1968)
„Mein Freund, der Baum“ ist, wenn man so will, eine Art Proto-Öko-Song. Erschienen 1968, noch viele Jahre, bevor die „Grünen“ im deutschen Bundestag für Umweltthemen eintraten, legt Alexandra in der allegorischen Freundschaft zu „ihrem“ Baum ihre Umweltbotschaft dar. Der titelgebende Baum, Alexandras „alter Freund aus Kindertagen“, wird – so singt sie im Refrain – „im Morgenrot“ gefällt. So weit, so traurig. In der dritten Strophe kommt es zum eigentlichen gesellschaftskritischen Kommentar: „Bald wächst ein Haus aus Glas und Stein, dort wo man ihn hat abgeschlagen. Bald werden graue Mauern ragen, dort wo er liegt im Sonnenschein.“
Alexandra kritisiert eine rücksichtslose Stadt- und Raumplanung zugunsten von Gebäuden „aus Glas und Stein“ – und zum Nachteil der Natur. Wichtig ist hier auch das Farbenbild: „Im Morgenrot“ wurde der Baum gefällt und wird ersetzt durch „graue Mauern“.
Besonders beachtlich ist allerdings auch das Musikalische dieses Lieds: Der wunderschön arrangierte Popsong (hier erklingt ein Xylophon, da spielen zart die Streicher) ist musikalisch ein Kind seiner Zeit, erinnert es doch stark an französischsprachige Chansons oder auch eine Mischung aus Nico und dem frühen Scott Walker.
Das Album ALEXANDRA – es war erst das zweite Album der Sängerin – sollte leider das letzte Studioalbum für Alexandra bleiben. Sie starb 1969 im Alter von gerade einmal 27 Jahren bei einem Autounfall.
Marvin Gaye – „Mercy Mercy Me (The Ecology)“ aus dem Album „WHAT’S GOING ON“ (1971)
Hier steht das Themengebiet bereits im Songtitel, wenn auch nur in Klammern. Marvin Gaye geht es auf seinem großen Album WHAT’S GOING ON eben auch um „The Ecology“. Im Song selbst äußert Gaye seine Bedenken um die Umwelt: „Where did all the blue skies go?“ fragt er an einer Stelle und führt weiter aus: „Poison is the wind that blows from the north and south and east“. Themen wie Luftverschmutzung werden also behandelt. Gaye geht es aber auch um die Auswirkungen der Umweltverschmutzung auf die Tierwelt. Er findet ein konkretes Beispiel bei der Verschmutzung der Ozeane: „Oil wasted on the oceans and upon our seas, fish full of mercury“. Gayes Zeilen aus dem Jahr 1971 scheinen nichts an ihrer Aktualität eingebüßt zu haben.
Michael Jackson – „Earth Song“ (1995) aus dem Album „HIStory – Past, Present and Future, Book I“ (1995)
Der sicherlich bekannteste Umweltsong überhaupt. Nachdem Jackson bereits mit „Man in the Mirror“ und „Heal the World“ Songs veröffentlichte, in denen er allgemeine Weltverbesserungbotschaften sowie auch sozialkritische Zeilen unterbrachte, widmete er sich auf „Earth Song“ erstmals konkreteren Themenfeldern, sprich: vor allem Tier- und Umweltschutz. Auf „Earth Song“ adressiert Jackson beispielsweise Umstände wie die illegale Jagd nach Elfenbein („What about elephants? / Have we lost their trust?“) oder Waldrodungen („What about forest trails? Burnt, despite our pleas“). Bei letzterem Zitat denkt man leider zwangsläufig an die diesjährigen Brände im Amazonasgebiet. Aktualität ist bei den von Jackson angesprochenen Themenfeldern also weiterhin gegeben.
Beastie Boys – „It Takes Time to Build“ aus dem Album TO THE 5 BOROUGHS (2004)
Die Beastie Boys waren 2004 schon dort, wo wir heute (wieder?) gelandet sind. Nämlich mitten in einer SUV-Debatte: „It’s time to let them know what we expect / stop building SUVs, strung-out on OPEC.“
Der Song „It Takes Time to Build“ war ein ökologisches Statement in einer hochpolitischen Zeit. „We got a president we didn’t elect / The Kyoto treaty he decided to neglect.“ Hintergrund: Das 1997 abgeschlossene Kyoto-Protokoll mit dem Ziel des Klimaschutzes wurde von den USA damals „symbolisch“ unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Weder von Bill Clinton, noch vom späteren Präsidenten George W. Bush, der dann 2001 offiziell den Ausstieg der USA aus dem Abkommen verkündete.
Im Refrain fassen die Beastie Boys jedenfalls perfekt zusammen, wie zerbrechlich die Umwelt und wie mühsam die Klimarettung ist: „It takes a second to wreck it / It takes time to build“.
Neil Young – „Who’s Gonna Stand Up? (Solo)“ aus dem Album „STORYTONE“ (Deluxe Version) (2014)
Vorab eine wichtige Information zu diesem Neil Young-Track: Wer ihn im Internet sucht, wird auf insgesamt vier (!) Varianten dieses Liedes stoßen: einer minimalistischen „Solo“-Variante, einer opulenten „Orchestral“-Version mit Streichern und Backing-Chor, einer Live-Version, eingespielt mit Youngs Crazy-Horse-Band sowie einer Version mit einem Kinderchor.
Der Text bleibt jedenfalls in allen Versionen gleich – und er ist eigentlich wie gemacht dafür, bei einer Klimademo gesungen zu werden. Beginnen wir direkt beim Refrain:
„Who’s gonna stand up and save the earth?
Who’s gonna say that she’s had enough?
Who’s gonna take on the big machines?
Who’s gonna stand up and save the earth?
This all starts with you and me!“
Young adressiert hier nach dem Prinzip „Freiwillige vor“ seine Hörer, für die Umwelt einzutreten – und bezieht sich selbst ein.
Young widmete sich schon immer Umweltthemen, allerdings kann man getrost behaupten, dass er auf seinen zurückliegenden Alben das Thema noch einmal deutlich häufiger behandelt. Exemplarisch steht hierfür das zusammen mit Promise of the Real eingespielte Konzeptalbum THE MONSANTO YEARS aus dem Jahr 2015, auf dem er den Agrarkonzern Monsanto kritisiert.
Auf „Who’s Gonna Stand Up?“ besingt Young jedenfalls klassische Umweltthemen: „Protect the land, from the greed of man“ und weiter „Protect the plant and renew the soil“. Ein klarer Fingerzeig an Großkonzerne – und eine Message pro Walderhalt und Pflanzenvielfalt.
Die gelungenste Variante ist sicherlich die Solo-Version, die sich auf der Deluxe-Version des 2014er Albums STORYTONE findet.
ANOHNI – „4 DEGREES“ aus dem Album „HOPELESSNESS “(2016)
Ein musikalisch wie auch textlich radikaler Song, den ANOHNI hier als erste Single ihrer meisterhaften Albums HOPELESSNESS veröffentlichte.
Der Songtitel bezieht sich auf eine Studie aus dem Jahr 2015, laut der sich – sollten weiter so viele Treibhausgase ausgestoßen werden – das Weltklima bis zum Ende des Jahrhunderts um circa vier Grad Celsius erhöhen wird. Die vorausgesagte Erderwärmung könnte für viele Tier- und Pflanzenarten das Aussterben bedeuten.
ANOHNI reflektiert diese düsteren Zukunftsvisionen in direkter und ungeschönter Manier: „I wanna hear the dogs crying for water / I wanna see the fish go belly-up in the seas“. Oft werden Tiere als die Opfer der Klimaerwärmung herangezogen, wie auch in diesen Zeilen: „And all those rhinos and all those big mammals / I wanna see them lying, crying in the fields.“
Hier werden Bilder im Kopf gemalt, die man sich so nicht vorstellen möchte – aber sie erzielen eine außerordentliche Wirkung. ANOHNI vermittelt ihre Umweltbotschaft indem sie uns Hörer, die vielleicht auch mal bei der einen oder anderen Zeile mitsummen oder singen, zu Komplizen des Niedergangs dieser Umwelt macht. Alle sind verantwortlich. Alle sind Teil des Ganzen: „I wanna see this world, I wann see it boil“ singt sie. Und nein: Das wollen wir nicht. ANOHNI erinnert uns hier in erschütternder Weise daran, dass wir aufhören müssen unsere Umwelt zu zerstören. Die Folgen wären, ja sie sind fatal.
Angèle (2019)
Auf Instagram sang die belgische Popsängerin Angèle unlängst einen Song ohne Titel. Inspiriert wurde sie dazu durch einen „coolen“ Artikel über das Weltklima, den sie wenige Zeit zuvor gelesen hatte. Der Artikel hat sie beunruhigt, sie würde ihn, wie sie singt, „gerne vergessen können“. Aber so oder so hat sie dieser Text zu eben jenem Song inspiriert, der auf Instagram bereits mehr als 650.000 Mal geliked wurde (Stand: 20. September 2019).
Das liegt natürlich auch an ihrer Popularität: Die junge Brüsselerin ist spätestens mit ihrem 2018er Debütalbum BROL voll durchgestartet. Vor allem aber liegt es an der Message: Angèle merkt früh im Text an, dass wir in einer schwierigen Situation sind und keine Zeit für Abwarten bleibt: „Mais quand se rendra compte du temps qu’il nous reste en fin de compte?“ Das heißt frei übersetzt sowas wie: „Aber wann wird uns klar sein, wieviel Zeit noch unterm Strich bleibt?“. Eben jenen Satz greift sie später nochmal auf und fügt an: „Il sera trop tard“. „Es wird zu spät sein“. Jede Generation braucht ihre Vermittler und Angèle hat hier ihre Reichweite in einem sozialen Netzwerk beeindruckend genutzt. Und zwar für eine wichtige Message.
Der Song wurde nicht als Single veröffentlicht und befindet sich auf keinem Album, ist aber hörbar bei Instagram:
https://www.instagram.com/p/B0WSL8GICRs/