Iggy Pop
Cry For Love“, der Titel seiner allerorten gefeaturten Single, wäre sicher das bessere Motto für Iggy Pops ’86er-Tournee gewesen als das simple „Bläh Bläh Bläh“ –— noch nie scheint sich der ewige Märtyrer der Rock-Szene mehr nach Liebe und Anerkennung gesehnt zu haben. Des unbefriedigenden Kult-Daseins müde, wollte es Iggy nun endlich wissen, u. z. mit dem hochkommerziellen, von seiner Vaterfigur Bowie produzierten neuen Album, wie nun auch mit seiner Tournee, die zum einzigen Triumphzug für ihn wurde. Ob Iggy. der sich früher stets einen Dreck um Erwartungen scherte, diesmal allerdings der Neugier eines (gewandelten) Publikums gerecht wurde, mag zumindest fraglich sein.
Psychisch und körperlich war er in Bestform: kein Gramm Fett, sehnige Muskeln, tänzerischer Elan und fast schon coole Entertainer-Gebärden prägten die Bühnenshow, bei Iggy selten so planvoll konzipiert wie dieses Mal.
Sparsam der Einsatz von neuen Songs; Iggys Show sollte ein Star-Act sein, keine bloße Vorstellung des neuen Repertoires. Und für einen Star bringt er mittlerweile alles mit. Über 15 Jahre sind seit dem Debüt-Ablum der Stooges vergangen, das die anarchische Energie des Punk vorwegnahm. Nicht zu reden von Iggy Pops offensiven Bühnenshows, die über das Publikum förmlich hereinbrachen, mit denen Iggy sich auslieferte, Angst machte und immer um den vollen Einsatz spielte.
Dieser Einsatz ist dem inzwischen fast Vierzigjährigen verständlicherweise heute zu hoch. Und niemand erwartet allen Ernstes anno ’86, daß Iggy noch auf den ausgestreckten Händen seiner Fans über ihre Köpfe durch die Reihen wandelt. Nur: Tendenziell macht er auch nichts anderes, verschmäht das kulante Angebot seiner neuen, eleganteren, helleren Songs, es doch dem Meister Bowie gleichzutun und gepflegten Cocktail-Rock ’n‘ Roll zu machen. „I Wanna Be Your Dog“ — das will er gar nicht mehr. Und mitunter scheint es. als mokiere er sich über gewisse Erwartungshaltungen, als sei sein Grinsen nicht mehr diabolisch, sondern eher ironisch. Anders ist es auch kaum zu erklären, daß er die Songs des IDIOT-Albums geradezu demonstrativ in der falschen Tonlage sang.
Seine Band, die bis auf den auch auf dem BLÄH BLÄH BLÄH-Album vertretenen Gitarristen Kevin Armstrong aus (für mich zumindest) unbeschriebenen Blättern bestand, pflegte denn auch eine zwar am „Iggy-Sound“ orientierte Spielweise, bot dem Frontmann jedoch keinen starken Widerpart. Gavin Harrisons Drums hielten den Beat, peitschten ihn jedoch zu keiner Zeit so trocken und unerbittlich voran, wie es Iggys Songs einmal verlangten. Kevin Armstrong suchte noch am ehesten so etwas wie eine mystische Nähe zu Iggy. aber die coole Distanz, die Iggy zum Publikum hatte, existierte auch auf der Bühne.
Wenn man sich von diesen Irritationen der Iggy-Metamorphose erstmal freigemacht hatte, blieb immerhin ein temperamentvolles, dynamisches Rock-Konzert übrig, bei dem stellenweise der Kitzel des Risikos Iggy doch noch zu überkommen schien. Aber keine Angst, diese Bühnenstürze des World’s forgotten boy“
sind bestens inszeniert, er wandelt nicht mehr am Rande der Katastrophe.
Mit seiner neugewonnenen Stärke werden wir wohl Iggy noch oft live sehen können, und auf der Bühne laßt er die meisten Epigonen weiterhin hinter sich. Wenn der „alte“ Fan ganz einfach den gewohnten brutalen Angriff aufs Publikum (Iggys Spezialität! vergessen könnte, er würde Iggy Pop so genießen können, wie er es heute meint: Nicht ganz so ernst. Es ist schließlich ALLES nur Rock ’n‘ Roll.