Iggy Pop


Punk-Rock entwickelt sich langsam, aber sicher zum kulturellen Mythos — so wie das Swinging London der 60er Jahre. Musikalisch gesehen ist Punk sowieso schon längst kein eigenständiges Genre mehr. Einstige Gallionsfiguren der Bewegung wie Iggy Pop müssen sich deshalb anpassen, um künstlerisch mithalten zu können.

Der 43jährige Iggy Pop hat damit keine Probleme, obwohl auch ein durchtrainierter Punk-Rocker wie er live so langsam in die Jahre kommt. Er stellt nach Luft schnappend auf der einstigen Broadway-Bühne Academy und gießt sich eine Flasche Mineralwasser Marke Evian über den nackten Oberkörper. In seinen wilderen Tagen zog er für die Dusche noch heißes Wachs vor. Das überwiegend männliche Publikum gröhlt trotzdem vor Begeisterung. Der allergrößte Teil dieser Fans war noch nicht

einmal geboren, als „The Ig“ zusammen mit den Stooges erstmals auf der Bühne ein musikalisches und physisches Chaos entfachte. Zeugnis davon ist der im Oktober 1973 aufgenommene Konzert-Mitschnitt aus Detroit auf dem Album METALLIC K.O. – es ist vermutlich die einzige Rockplatte, auf der man hört, wie Bierflaschen an der Gitarre zerbrechen.

Im Academy fliegt nicht einmal ein leerer Pappbecher auf die Bühne. Dabei gibt sich lggy redlich Mühe, das Publikum zu provozieren. Wenn er sich beispielsweise den Finger in den Hintern steckt und ihn dann genüßlich ablutscht Oder wenn er öfter als nur einmal die Jeans über die Schamhaare bis zum Pünmelansatz hinunterstreift. Dabei wird freilich ein arg bürgerliches Requisit sichtbar eine Schießer-Unterhose in der Pappi-Farbe hellblau. Echte Punks würden den Mann wegen dieses Kleidungsstücks von der Bühne lachen. Die fröhlich gestimmten New Yorker quittieren die Enthüllung mit der gleichen Begeisterung wie die straffen, ungekünstelten Arrangements der dreiköpfigen Begleitband aus Drummer und zwei Bassisten, die Iggys Stimme zu oft im Abseits stehen läßt oder gar gurgelnd in überlautem Krach ersäuft. Wenn Pops kratzige, kehlige Stimme freilich die Oberhand gewinnt wie im Klassiker „Lust For Life“ oder in den neuen Songs „Brick By Brick“ und „Home“, dann entfacht sie ein ungestümes, wild flackerndes musikalisches Feuer.

Und als sich lggy als schwitzendes, manisch-magisches Rock ’n“ Roll-Tier durch den noch nie live gesungenen Song „Dumb, Dumb Boys“ pirscht, liefert er die mit Abstand beste Nummer des Abends und läßt erkennen, daß in dem von Drogen und tierischen Exzessen genesenen Körper noch immer ein wilder Punker schlummert. Und der schleudert dann auch nach 90 Minuten und 17 Songs beim Abgang die Gitarre so hart auf den Bühnenboden, daß sie splitternd zerbricht.