Iggy Pop: Animal Attraction


Jim Osterberg alias Iggy Pop war der Prototyp der modernen Rock-Rampensau, ein Champion der Selbstzerstörung. Sein Weg führte ihn durch Drogensümpfe und Nervenkliniken nach Berlin und zu David Bowie. Der Godfather of Punk spricht über sein Leben: Die bittere Armut in den 80ern, sein Comeback in den 90ern und die Reunion der Stooges.

In einem ruhigen, lateinamerikanisch geprägten Viertel von Miami, weit entfernt von der protzigen Architektur und dem lärmenden Straßenleben des South Beach, überblickt ein bescheidenes Zweizimmerhaus eine verschlafene Bucht, in der verspielte Schildkröten und neugierige Seekühe heimisch sind. Hinter dem Haus stehen ein breites Palisander-Sofa, haitianische Skulpturen aus rostigem Eisen und eine Tiki-Hütte mit Palmenblatt dach, die eine willkommene Zuflucht vor der unbarmherzigen Sonne bietet. In dieser Tiki-Hütte sitzt Iggy Pop häufig, gegen zwei, drei Uhr morgens, und lauscht dem friedlichen Plätschern des Wassers.

Das Haus ist voll gepackt mit Kunstwerken und Fotoerinnerungen aus 40 Jahren Rock-’n‘-Roll-Wahnsinn. Als uns der bestens aufgelegte Sänger mit den funkelnden Augen zu einem Rundgang einlädt, wirkt es fast so, als ob ein Mönch uns seine bescheidene Zelle und die Kreuzgänge zeigt; als würde Iggy Pop nach vier Jahrzehnten Chaos, zweifelhaftem Ruhm und Exzessen eine tiefgreifende psychische Entgiftung angehen.

Vor ein paar Jahren konnte man ihn noch als das jungenhafte Energiebündel mit den weit aufgerissenen Augen wieder erkennen, das einen vom Cover seines 1977er Solo-Meisterwerks, Lust For Life, anlächelte. Jetzt ist er jedoch ganz offensichtlich ein älterer Herr. Seit einem Bühnenunfall vor ein paar Jahren hinkt er etwas, die Haut ist nicht mehr so glänzend, die babyblauen Augen haben etwas von ihrem Leuchten verloren. Trotzdem kann dieser ältere Herr, wie jeder weiß, der Iggy Pop in letzter Zeit live gesehen hat, sich noch immer eines seltsamen Voodoo-Zaubers bedienen, der aus ihm eine weißglühende Flamme aus ungezähmter Energie, böswilligem Rock’n’Roll und körperlicher Grazie macht: eine schier unglaubliche Verwandlung. Verständlich, daß Jim Osterberg, der ständig dazu aufgefordert wird, Iggy Pop heraufzubeschwören, die Beschaulichkeit seines Gartens genießt. Jüngst hat er hier zwei Besucher regelmäßig willkommen geheißen: die Brüder Ron und Scott Asheton, mit denen Iggy 1968 die heute legendären Stooges gründete, mit denen er drei überaus einflußreiche Alben erschuf und von denen er sich im Zustand der Verzweiflung, durch Drogen verursachter Verwirrungund einer gehörigen Portion Verbitterung trennte. Letztendlich wurden diese drei Alben von den Kritikern gefeiert, weit mehr als sämtliche Werke von Zeitgenossen, die den Erfolg genossen „während The Stooges Qualen nahezu biblischer Ausmaße erlitten. Iggy wurde als der Gründungsvater des Punk anerkannt und nahm noch mehr gefeierte Alben auf; er erwarb Ruhm als wahrscheinlich bester Live-Performer im Rock-Business seiner Generation, ein wahrlich unermüdlicher Künstler, dessen Hingabe für seine Musik heroische Züge hat. Wie wir sehen werden, war sein Leben jedoch weiter gefährlich. Jetzt, da er mit seinen Jugendfreunden wiedervereint ist, geht das Abenteuer weiter. Wohin der Weg führt, weiß keiner wirklich, am allerwenigsten unser Held, der sich von nichts stoppen läßt.

Über die Jahre hat man dich für deine Exzesse ebenso wie für deine Musik gefeiert. Ron Asheton meinte jedoch, daß du clean warst, bis du die anderen Stooges getroffen hast.

Ja, das stimmt! Wenn du die Drogen meinst, so wurde mir Marihuana vier oder fünf Mal von (meiner früheren Band) The Prime Movers und den Leuten vom Plattenladen aufgezwungen: „Wollen malsehen, was passiert, wenn wir ihm Dope geben!“ Meistens habe ich nur gekichert – obwohl ich mich nach dem Rauchen eines Joints dazu entschlossen habe, kein Drummer mehr zu sein, sondern Leadsänger einer Band, die aus diesen Kerlen bestand.

Warst du ein selbstbewußtes Kind?

In gewissen Punkten schon. Ich gehörte dem Debattierclub unserer Schule an. Und … es steuerte später viel zu meinem Songwritdng bei, nämlich: Organisation und Struktur. Bei einer Debatte braucht man eine Struktur, aber trotzdem hält man keine Rede, daher muß man auch improvisieren. Und wie man Struktur und Improvisation verbindet, denn wenn man nur eins von beiden alleine hat, hat man nur Schrott.

Du hast von The Prime Movers gesprochen, und du warst davor, von ’63 bis ’64 auch bei den Iguanas und hast noch davor in einem Duo gespielt, den Megaton Two. Als Schlagzeuger warst du immer ausgesprochen…

… unüberseh- und unüberhörbar. Und ich strebte nach mehr, nach Größerem. Der Name Megaton Two spricht da eigentlich für sich. Das war meine Idee. Es gab da in der Junior High School einen Jungen namens Jim McLaughlin. Er war nicht besonders beliebt, auch sonst in keiner Weise besonders. Aber er war ein netter Kerl. Sein Vater arbeitete in einem Radiogeschäft, und bei ihnen zu Hause standen Mikros und Verstärker, und er hatte seinem Jungen eine Gitarre gekauft. Dieser Junge war der erste, der mir Duane Eddy, Ray Charles und Chuck Berry vorspielte und ich dachte nur: „Du heilige Scheiße, das war vielleichtmal was!“ Und so hat dann alles angefangen.

In ihrer Anfangszeit wurden die Stooges oft als ein Art Rock-Experiment gesehen. Andere hielten es für stupiden Rock’n’Roll. Wer hatte Recht?

Es hatte schon was von Art Rock. Und auch was von stupidem Rock’n’Roll… Die Ashetons waren eher für stupiden Rock zuständig und ich eher für Art Rock. Aber das wird kompliziert zu verstehen, weil es sich widersprüchlich anhört: Denn mein Stil als Musiker ist viel direkter als der von Ron. Ron hat an seinem Instrument und als Songwriter eine Eleganz in seinem Stil, die ich eben nicht habe. Und Scott hat … er ist der, der diese Band verkauft, und ich spreche hier im Präsens… war immer schon so. Aber ich hing an der University of Michigan mit so Typen mm, zum Beispiel mit Robert Ashley, der immer noch in New York Musikkunstwerke schreibt… Ich wußte also von John Cage. Und bei den Stooges hieß es „Hey, wir stehen wirklich aufjimi Hendrix“, und so trafen wir uns in der Mitte.

Mußtest du dich sehr abharten, um die ersten Publikumsreaktionen zu verkraften?

Ich vergesse nie den, ich nenne ihn „Pappfiguren-Effekt“ bei unseren ersten Gigs. Kein Fan hat sich bewegt. Nicht mal, um was zu trinken zu holen, alles stoppte. Ausbleibende Reaktionen störten mich eigentlich weniger, das brachte mich eher dazu, mich unter die Leute zu mischen – es gab aber auch klar negative Reaktionen. Ich erinnere mich daran, daß ich an meinem 21. Geburtstag auf zwei Orange Sunshine (Acid- Anm. d. Red.) war, wir waren Vorgruppe für Cream … und irgendwas lief bei den Verstärkern falsch. Wenn am Anschluß was nicht stimmt, klingen die Gitarrenverstärker manchmal, als hätte man sie auf 1 gestellt statt auf 11 – das ist sowas wie eine akustische Erektionsstörung. Wir entschieden uns, aufzuhören, während die Roadies das Problem zu beheben versuchten. Und dann riefen die Leute im Chor „Wir wollen Cream, wir wollen Cream!“. Und ich stand auf diesem riesigen Ölfaß mitten in der Menge und entschied mich, zu posen, einfach nur, um diesen ganzen Haß auf mich zu lenken. Wenn ich je hätte aufgeben wollen, wäre das die richtige Zeit dazu gewesen. Ich war alles andere als guter Dinge.

Erzdhl mal, wie es mit den Stooges im Studio war. Was hätten wir dort gesehen?

Das Studio war am Times Square. Der war damals verrucht: erster Stock, über einer Sex-Peepshow, eine kleine Treppe hoch, und da ein kleines Aufnahmestudio, in dem unsere überdimensionalen Verstärker standen. Wir wollten gerade alles fertig machen, um anfangen zu können, doch damit waren sie nicht einverstanden und sagten „Ihr werdet nicht mit diesen Riesen-Verstärkern spielen-Ihr müßt leiser spielen und diese kleinen Verstärker benutzen.“ Ich sagte, das käme nicht in Frage, daraufhin sagte John Cale (der Produzent): „Aber der Besitzer dieses Studios (Jerry Ragovoy) hat ‚Cry Baby‘ geschrieben!“, ein richtiger R&B -Song,… Ich holte tief Luft und sagte „Es ist mir scheißegal, was er geschrieben hat, scheißegal, du weißt nichts über DAS HIER!“ So habe ich das immer gesehen. Ich habe das für die Band bei drei Alben so gemacht. Und ich tanzte, während sie spielten. Jeder konnte erkennen, daß sie anders spielten, wenn ich nicht tanzte.

Im US-Rolling Stone stand, bei der Platte werde die Verbindung zwischen Rock’n’Roll und Verbrechen deutlich.

Damals dachte ich, daß sie uns damitbeleidigen wollten. Aber dieses ganze Rolling-Stone/“Rock-am-College“-Kram ist nicht der Ursprung, Mann. Die nötige Rock’n’Roll-Energie findest du, so leid es mir tut, nicht in Einrichtungen zur Bildung junger Menschen, und das wird sich auch nie ändern. Nirvana sind besser als Phish – da gibt’s nichts zu diskutieren.

In der Zeit des zweiten Stooges-Albums, Fun House, 1970 schienst du auf dem Höhepunkt zu sein. Wann hast du zuerst gemerkt, daß die Dinge schief laufen?

Auf einer Stooges-Tour 1973 zeigt Iggy wieder mal Qualitäten, die er nicht auf dem College erworben hat.

Sehr, sehr schnell. Im Herbstund Winter 1970 stand es sehr schlecht um uns. Ich war frustriert, weil ich immer das Gefühl hatte, daß die Band noch härter arbeiten könnte … wir waren übereinander verärgert, es wurde alles zu einer Belastung. Und gleichzeitig zu einer großartigen Entschuldigung dafür, alles Hinzuschmeißen. Ehrlich gesagt, gab es zu der Zeit Spannungen wegen der Menge Acid, die ich schluckte, solche Dinge eben… es wurde zu einer Belastung für die Psyche, und Heroin war da auch ein gutes Mittel zur Beruhigung. Und größere Verbrecherorganisationen beschafften es billig und in großen Mengen, da kamen also eine Menge Dinge zusammen.

Ihr hattet kein Label mehr. Die Band trennte sich. War das dein Tiefpunkt bis dahin?

Ich war nicht in Untergangsstimmung. Ich habe mich in verschiedenen Wochen verschieden gefühlt. Eine Woche sagten wir uns: „Ich habe diesen furchtbaren Rauschgift-Deal gemacht, ich stecke in riesigen Schwierigkeiten, besser ich bekomme das in den Griff.“ In einer anderen Woche hieß es dann wieder: „Ich habe diesen ungedeckten Scheck, der platzen wird, aber das weiß keiner, vielleicht kann ich ja …“ Und man sieht die Dinge dann nicht im größeren Rahmen. Aber mit dem Schreiben habe ich nie aufgehört. Und „I Got A Right“ (durch zahllose Bootlegs bekannt -Anm. d. Red.) wurde in der Zeit geschrieben, und ich habe es nur weggelegt. Ich dachte nach wie vor darüber nach, mit der Musik weiter zu machen.

Danach wurde David Bowie, den du im September 1971 kennen gelernt hast, in gewisser Weise dein Retter. Was war dein erster Eindruck von ihm?

Sehr klug, sehr von sich selbst eingenommen. Und nicht unfreundlich. Was normalerweise bei Leuten, die sich selbst so bewußt wahrnehmen, eigentlich selten ist. Und jemand, der es drauf hatte und sich auskannte. Und ich hörte mir seine Sachen an und stellte fest, „Oh, er weiß, wie man A, B und C macht und er kann es, er kann einen Stuhl machen, und er kann eine Tischplatte mit Einlagearbeiten bauen“.

übertragen auf das Handwerk des Songwritings. Dann beobachtete ich ihn, es war ziemlich interessant, sah ihm dabei zu, wie seine Kleidung sich änderte, seine Frisur, wie er neue Freunde in der Neuen Welt kennen lernte. Ich hatte damit nie ein Problem.

Bowie produzierte 1973 das dritte Stooges-Album Raw Power. Hofftest du, daß es nun bergauf gehen würde?

Nein! Ich dachte das Gegenteil, und die Anspielungen im Text des letzten Songs, „Death Trip“, sind meine Art zu sagen: „Ich weiß, was mit uns passiert; Ich weiß, was wir tun, und genau deshalb werde ich darübersingen.‘ ‚Mir war klar, daß wir erledigt waren. Einige Leute, die die letzten Auftritte der Stooges auf dieser letzten, dem Untergang geweihten Tourgesehen haben, sagten, daß sie wirklich witzig waren!

(Nachdenklich) Es gab wohl schon etwas Humor … für das Publikum. Wir versuchten es zumindest. Wir waren zumindest noch am Leben.

Im September 1973 kam in Atlanta, zum Ende derStooges-Tour, Elton John in einem Gorilla-Kostüm auf die Bühne.

Also, an dem Abend war ich so zugedröhnt, daß ich kaum noch gehen konnte und eine Scheißangst hatte. Mit meinem Körper ging gar nichts mehr, ich konnte mich dem nur noch fügen. Ich wußte wirklich nicht, was um mich herum passierte, für mich steckte in dem Gorilla-Kostüm einfach nur ein durchgedrehter BikeraufMethedrin.

Irgendwann hast du dich selbst ms NPI, einer Nervenklinik in Los Angeles, eingewiesen, um clean zu werden. Wie sah dein typischer Tag dort aus?

Es gab verschiedene Dinge, aber ich hatte nie Psychoanalyse. Bei den Sitzungen kamen wir immer nur bis: „Nun ,Jim, erzählen sie mir von ihrem Vater! „Daraufhin ich: „Grrrrr! Hier geht’s nicht um meinen Vater!! Lassen Sie meinen Dadda raus!“Das andere, was mir gefiel, war so ein Papier, das da ausgeteilt wurde. Ich kann mich zwar nicht an Frage 1 erinnern, aber Frage 2lautete: „Spricht der Fernseher zu ihnen?“ Ich weiß ja nicht, wie’s ihnen geht, aber zur mir spricht er! Dann gab es noch Gruppengespräche, ein paar organisierte Aktivitäten, doch es gab nur einen einzigen Seelenklempner, den ich mochte. Über alle anderen Psychodoktoren zog ich her, und sie zogen darüber her, daß ich in der Anstalt war, und ich hing mit den anderen Leuten dort rum und unterhielt mich. Wir spielten Baseball, na ja, wir hatten jeden Tag ein bißchen Freizeit, wir spazierten ein bißchen durch die Gärten. Es war sehr menschenwürdig.

Und dann bist du noch mal David Bowie begegnet, Anfang 1975..

Ich lief in sengender Sonne um drei Uhr nachmittags auf dem Sunset Boulevard – ausgesprochen schlecht, dort und dann spazieren zu gehen. Eine Stretchlimousine fuhr langsamer und dann neben mir her, das Fenster wurde runtergelassen und ein sehr blasser, dünner, lebhafter und im Wesentlichen, zumindest über seine Arbeit, glücklicher David Bowie streckte seinen Kopf aus dem Fenster. Ich fuhr mit ihm mit und hörte mir seine neue Platte Station To Station an, eine scheißgute Platte. So kamen wir in Kontakt. Er schlug vor, daß wir mit dem 4-Spur-Rekorder etwas herumprobieren sollten. Eine dieser Aufnahmen wurde später die Basis für den Song „Turn blue“ auf lust for life (1977).

Nach der „Station ToStation -Tour seid ihr beide in Berlin gelandet und habt dort gelebt.

Zuerst habe ich im Gästezimmer gewohnt, und nach dem Ende der Tour zu (dem ersten Solo-Album -Anm. d. Red.) THE IDIOT (1977), die erste richtige Tour meines Lebens, bin ich in ein sehr bescheidenes Gebäude, den „Hinterhof, gezogen, in eine Stallung. Einmal haben wir einen Antiquitätenmarkt besucht und sind danach zum Wannsee gegangen, und wir haben dabei immer die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt. Dann sind wir Farbe kaufen gegangen und er hat mir gezeigt, wie man mit Acrylfarben malt, eine Leinwand vorbereitet. Ich fing dann an, ein bißchen zu malen. Solche Dinge unternahmen wir zusammen. Und ich habe sehr viele Spaziergänge gemacht. Er nicht. Aber ich habe jeden Zentimeter dieser Stadt zu Fuß erkundet, genauso wie in den anderen Großstädten, in denen ich gelebt habe. Alles sehr gesittet – allerdings immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, wir versuchen hier, etwas zu lernen.

Dann hast du Lust For Life aufgenommen, ein großartiges Soloalbum. Du hottest dich im Griff. Und dann hast du dich… wieder gehen lassen? Warum?

Ich hatte mich im Griff… Ich hatte mich besoffen und manchmal bekifft. Ich hatte, hatte … Rückfälle, Ehrenwort. Ich hatte das Problem, daß mir jedes Album bis hin zu brick by brick, sobald es fertig war, beim Anhören Qualen bereitete. Es klingt nicht mal nach Musik, alles ist falsch, das Tempo ist falsch, der Ton ist falsch, die Aufnahme falsch. Und das kann sich immer weiter entwickeln, und dann findest du dich an einem furchtbaren Ort wieder. Nach lust for LIFE habe ich mich eingeschlossen, habe mich im Hotel Gerhus (in Berlin – Anm. d. Red.) mit einem kleinen Koksberg verkrochen und den Song „The Passenger“ immer wieder gespielt, daraufgewartet, daß er schneller wird. Und ich habe das Cover immer wieder angestarrt, daraufwartend, daß mir das Bild gefällt! Und alles wurde nur noch schlimmer. Schließlich hat jemand eingegriffen: Bowie schickte ein paar Leute rüber, um mir zu helfen.

Kurze Zeit spater hast du mit Leuten wie dem Monkees-Produzenten Tommy Boyce gearbeitet, an ziemlich üblen Songs wie dem 1981er „Bong Bang“.

Ich haßte es und wurde dazu gezwungen. Ich hatte ein Album, das bereits fertig war, und ich mußte den Song entweder draufnehmen, oder wir würden das Album nicht veröffentlichen, Schluß, Aus, Ende. „Bang Bang“ war nicht so übel, es waren die Coverversionen („Sea Of Love „und“ Time Won’t Let Me“, Anm. d. Red.), die ich wirklich haßte. Mann, war das ein Gemetzel. Ich haßte es, mit Tommy zu arbeiten, es war peinlich. Er war eine ausgebrannte alte Tunte, high von zuviel Speed. Organisiert wurde damals alJim Osterberg daheim in Miami, Sommer 2005. Er sieht jetzt alles etwas entspannter…

Les von Ian Copeland, dem Bruder von Miles und Stewart, von Frontier Booking, der uns als einen seiner Acts aus der dritten Reihe buchte. Er konnte mir immer irgendeine Tournee anbieten oder mich dazu bringen, als Supportact aufzutreten. Sie nahmen all das Geld von meinen Tourneen an sich und gaben mir zwischendurch ein paar Hunderter, um mich bei Laune zu halten, mich aber von Du-weißt-schon-was fernzuhalten.

Du hast dich praktisch kaputt getourt, damit das Geld weiter hereinrollte?

Ich wußte einfach sonst nichts mit mir anzufangen. Was hätte ich sonst machen können? Durch die Einnahmen, mit einem nie steigenden oder sinkenden Pegel, hatte ich immer einen Platz, wo ich bleiben konnte und ein paar Dollar. Und ich konnte alle paar Wochen rausgehen und ein paar Hundert Dollar verdienen.

Schließlich brachte bläh bläh bläh dir deinen ersten Charthit ein, 1986, mit „Real Wild Child“.

Es hätte noch ein größerer Hit sein können, ich wollte jedoch nicht, daß sie den Song in den USA veröffentlichen, so kam er nur in England in die Charts. Durch die Verwendung in TV-Spots, bei Sportereignissen und als Hintergrundmusik wurde er dort zu einem richtigen Klassiker.

Brick By Brick (1990) startete offenbar eine produktive Zeit bei Virgin.

Ich brauchte einen Hit, oder es wäre alles vorbei gewesen. Ich mußte mir wirklich was einfallen lassen, oder sie hätten mich fallengelassen. Sie starteten ein neues Label und mußten damit Erfolg haben. Sie hatten ein paar sehr ambirionierte kalifornische Dummköpfe, die beim Managen des Labels, das der Welt später J-Lo und Paula Abdul brachte, keine Freunde kannten. Ich hatte einfach Glück, Don Was zu treffen. Er sagte: „Ich produziere hier ein paar Alben, und ich würde gerne eines deinerproduzieren.‘ ‚Ich wußte, ich würde einen Produzenten bekommen. Aber einen Produzenten, der ein netter Kerl ist und mit dem ich reden kann? Ich sagte: „okay“. Das war’s.

Wie kam es 2000 zum erneuten Zusammentreffen mit Ron und Scott? Hast du sie angerufen?

Ja klar. Selbe Telefonnummer. Scott hatte Ouvertüren geschrieben und versucht, den Traum am Leben zu halten. Dann erschien Ron auf der Bildfläche, weil er auf einer meiner Tourneen mit J Mascis unterwegs war, vor mir hertourte, und irgendwer irgendwo meinte: „Hey, weißt du, Ron hat gesagt:,Ich wünschte.

Jim würde mich anrufen.‘ Ich suchte nach Leuten für meine letzte Platte (skull ring, 2003). Ich wollte mich nicht in die Klauen eines Profis begeben, und ich wollte nicht schon wieder eine mit meiner kleinen Tourband aufnehmen. Virgin hatte eine Neustrukturierung hinter sich und ließ eine Menge Musiker ziehen. Ich wollte weitermachen, also schlug ich ihnen vor, daß ich eine … Platte mit Gastmusikern machen würde! Du hättest ihre Gesichter sehen sollen, als ich ihnen sagte: „Ich will Justin Timberlake, ich will Puff Daddy!“ Ich traf Puffy, er weiß ziemlich genau, was er macht, und ich dachte, das wäre interessant… total verrückt, oder? Somit sahen The Stooges für mich immer besser aus. Ich ahnte ihre Reaktion nicht voraus, keiner tat das, der A&R-Manager ließ es irgendwie zu, widerwillig, und wollte uns nur ein winziges Budget für einen Song geben, dann bekam er einen Anruf vom „Rolling Stone“ und alles änderte sich! Plötzlich klopfte er uns auf die Schultern, weil ihm klarwurde, daß die Leute interessiert waren.

Wie fühlte sich der erste Auftritt noch der Wiedervereinigung an?

Er fühlte sich verdammt gut an. Wir waren bei weitem nicht so aufeinander abgestimmt wie jetzt, und unsere Musik … keiner von uns brachte sie recht zusammen, aber es fühlte sich richtig gut an. Und es klingt gut, besser als in den späten 6oern und den 70ern. In jenen Tagen hatten wir keine Monitore, deshalb hörte ich nie etwas.

Wie steht’s mit der emotionalen Seite? Du bist wieder mit den Kerlen zusammen, mit denen du diese Musik erschaffen hast…

Sehr intensiv. Die Vergangenheit kommt wieder an die Oberfläche und, ah, man muß sich Problemen stellen und sie durchleben. Aber irgendwas hat es mit den Kerlen auf sich, die zur selben High School gegangen sind. Irgendwas, das sich in der Form der Musik ausdrückt. Wie U2 alle in derselben Bibelstunde waren oder so ähnlich, oder die Everlys, da gibt’s ’ne Menge solcher Geschichten.

Gibt es im Nachhinein etwas, was du anders hättest machen können… um deinen Weg einfacher zu gestatten?

Ehrlich gesagt: Wie könnte man das? Manchmal denke ich, hätte ich mich etwas mehr distanziert oder wäre ich bereit gewesen, in manchen Sachen gleich am Anfang ein größeres Arschloch zu sein, hätte die Band vielleicht einen leichteren Aufstieg nach oben gehabt. Das ist alles, was ich dazu sagen will.

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