Iggy Pop: Holocaust Im Vergnügungspark
Iggy Pop kannte mit seinen Stooges kein Gesetz - auch nicht das des Rock'n'Roll. Doch sie wußten, was sie taten. Sie bewegten sich außerhalb der Gesellschaft. Drop outs. Sie bewegten sich jenseits der Fesseln des Rock'n'-Roll und diesseits der Qual; tauchten in eine mit Chaos bedeckte Dschungel-Extravaganz. Heute leidet Iggy für seine alles-ist-erlaubt wenn-du-nur-Stil-hast-Auftritte weniger. Er hat die Zwielichtzone verlassen und kommuniziert mehr denn je. Seine menschliche Kunst hängt immer noch nah am Chaos, verliert sich aber nicht mehr darin. Iggy Pop ist Meister seines eigenen Geschicks geworden.
Iggy Pop… ein visionärer Entertainer, der es haßt, mit seinen Visionen zu unterhalten. Iggy Pop… ein langer, unaufhaltsamer und düsterer Weg aus der hintersten (=schwarzen) Ecke der Psyche in das beißende Weiß-Licht der Vergnügungszone. Ein permanenter Versuch, die Verbindung zwischen dem brodelnden Inneren, der Irrationalität/dem eigenen Irrenhaus, und der (er-)wartenden Außenwelt/ der Normalität herzustellen. Die „kommunizierende Röhre“ zu finden und auszufüllen. Iggy Pop… ein permanentes Rendevous mit der Schwarz-Weiß-Seele.
Und immer auf der Suche nach der Möglichkeit, nach dem Weg, das eigene Geschick unter Kontrolle zu bekommen, und dabei gesund zu bleiben.
,“Make oneself known/loved by the gloomy indireciness of one ’s work. “ Jean Cocteau
PHASE 1 -Flashblack
Wohnwagencamp. Teenager-Einöde. Industrie-Brachland. Detroit-Vorland. Iggy Pop erblickt hier (am 21. April 1947) als James Newel Osterberg zunächst das Licht. Der Welt. Aus dem Radio plärrt der Motown-Sound. Mary Wells. James, der die High School besucht, kann die Texte nicht verstehen. Also macht er sich seine eigenen Wörter. Jim (der Name, mit dem man ihn anspricht – auch heute) wird Schlagzeuger bei den Iguanas, eine Detroiter Garagenband, die degenerierte Rock’n’Roll-Versionen von alten Stones-Stücken ins Freie ließ. Einen Hof weiter spielten die Prime
Movers den echten schwarzen Blues. Und Jim fühlt sich schwarz. In Anlehnung an die Iguanas taufte er sich Iggy und wechselte zu den Prime Movers über, immer hinter den Drums sitzend. Nun begab sich Iggy mit seinen Visionen auf/ in das Schwarze Territorium. 1966 geht er mit Sam Lay, dem schwarzen Drummer von Paul Butterfield, nach Chicago und verbringt die Zeit mit schwarzen Jazz- und Bluesmusikern. Iggy unterstützt mit seinem Drumming Einweg-Gigs von Junior Wells, Buddy Guy, Muddy Waters und den Shangri Las.
Dieser Chicago-Trip hat für ihn eine immense Bedeutung: er erkennt/erfährt, daß die Schwarzen eine tiefe/innere Beziehung zum Blues haben. So tief und echt, daß für Iggy der von Schwarzen gespielte Blues „psychedelisch“ ist.
Anfang ’67 kehrt er zurück in seinen Heimatort, Ann Arbor/Detroit. Jim/Iggy sieht einen Auftritt der Doors, sieht, wie Jim Morrison seine Körper-Kopf-Orgie auf der Bühne vollzieht und dabei seinen Stil bewahrt. Und er sieht Question Mark And The Mysterians.
Iggy entscheidet, daß sein Leben nur dann weitergeht, wenn er mit seinem Job auch seine persönlichen Erfahrungen/Empfindungen ausdrücken kann. Sein Leben geht weiter: er gründet die Psychedelic Stooges.
In jenen Tagen löste sich gerade eine andere Ann-Arbor-Band auf, die Chosen Few. Die hatten hauptsächlich Stones-Who-Yardbirds-RipOffs gegen die Wände geschickt. James Williamson, der spätere Stooges-Killer-Gitarrist fand hier seinen musikalischen Ursprung. Und der Sänger, Scott Richardson, gründet später den legendären Scott Richardson Case (SRC). Doch es war der Baßspieler der Chosen Few, mit dem Iggy eine tiefe Freundschaft verband. Und der nun eine Gitarre in die Hand nahm und mit Iggy das Fundament der Psychedelic Stooges bildete. Sein Name: Ron Asheton.
PHASE 2 -Sturm + Drang + Fun = All Aboard For Holocaust
Iggy hatte bereits ein Jahr lang auf einer Hawaii-Gitarre geübt. Um seinen Visionen freien Lauf lassen zu können, entscheidet er, zu singen. Neben Ron versammelt Jim noch dessen Bruder Scott (Drums) und Dave Alexander (Baß) um sich herum. Schnell werden die Grundfähigkeiten auf den Instrumenten eingeübt. Und in der Halloween-Nacht des Jahres ’68 stürmt die Wild Bunch die Bühne des Detroiter Grand Ballroom.
Free expression.Alles ist erlaubt. Vor dem ersten Gig pumpten sich Iggy und seine Gang voll mit Pillen und Drogen aller Art (die sie nicht nur vor Auftritten inhalierten). Die Bühne durchquerten sie dann wie Zombies im Lichtkanal. Iggy schrie und brüllte, hing am Mikro und veranstaltete eine Jam-Session mit Wörtern – denn geschriebene Texte gab es so wenig wie durchstrukturierte Songs. Die Quelle für Iggys Urschrei auf Dauerton waren reale Schmerzen. Denn er war wirklich krank. Zwei Stücke füllten die Nacht: „Asthma Attack“ und „Goodbye Bozos“ (aus dem letzteren wurde später das „Little Doll“). Und die Band ließ einen aggressivmonotonen Stimmungsschwall aus den Instrumenten, geeignet, Iggys Erbrechen zu unterstützen/ergänzen. Exit.
Es folgen noch einige Gigs, als Vorgruppe der MC5. „I’m Sick“ kommt als drittes Stück hinzu. Und Iggy dehnt/biegt und krümmt seine Gliedmaßen zu Formen, die dem Gravitationsgesetz trotzen. Freiübungen eines Ballettänzers, der an der Starkstromleitung hängt. Eine Fähigkeit, die Iggy nie verlieren soll.
Danny Fields, damaliger Morrison-Publizist, verschafft den Stooges einen Plattenvertrag mit Elektra. John Cale, von den Velvet Underground, produziert ihr Platten-Debut, THE STOOGES. Im Jahr ’67 hatte Iggy mit der Velvet-Veteranin und deutschen Eiskönigin Nico zusammengelebt und war mit ihr für eine Filmsequenz durch’s Kornfeld gerannt, wo beide mit menschlichen Plastik-Gliedmaßen mimten.
THE STOOGES, in zwei Tagen geschrieben, in zwei Tagen aufgenommen, aus simplen Riffs zusammengesetzt, akzentuiert durch den wahnsinnigen Einsatz des Wah-Wah-Pedals von Ron Ashetons Gitarre. Abscheuliche Trümmer. Eisige Monotonie. Iggy hatte seine Phantasien und Frustrationen zu monosilbischen Textausbrüchen geformt. „Not Right“, „I Wanna Be Your Dog“, „1969“, „No Fun“ – Stücke ohne soziales Gewissen, nur an die eigene Lust denkend – erscheinen in der Woche, als die Love Generation die Glöckchen auf den duftgeschwängerten Woodstockwiesen bimmeln läßt. Die Wucht dieser Klassiker dokumentiert in diesem Kontext Iggys einmaliges Talent, Bewegungen (wie die we want the world now“-Gegen-Kultur z.B.) zu zerschmettern.
1970 geht es in die Zwielicht-Zone. Sex + Gewalt. Qual + Lust. „I took a riefe with the pretty music, and now I’m buzzing to you straight from hell. “ („Loose“/Iggy Pop). Iggy nannte sich nun Iggy Pop. Seine Junkie-Erfahrungen, die sadomasochistischen Energien (die Reiz + Tod verbanden), Qual/Schmerz und Erregung – all dies eskaliert im leidenschaftlichen Aufschrei von FUN HOUSE, dem zweiten Stooges-Werk. Von Iggy selbst komponiert, von Don Galucci produziert, der das „Louie Louie“ der Kingsmen produziert hatte. Saxophon-Spieler Steve McKay war zum fünften Stooge geworden (er war Autor der Detroiter „Death Comix“).
Das FUN HOUSE strahlte hart + gemein, zwischen Elektronik und Jazz. Im Jahr ’70. Iggy. „John Coltrane hat mich beeinflußt, die Stooges sollten ja eigentlich Jazz spielen – doch mir fehlte das Horn dazu!“ Iggy jaulte „I fe-e-e-ell awright‘, das Feuer brannte in ihm, doch die Öffentlichkeit wandte sich von diesem Stooges-Statement ab. Man war nicht bereit.
Die Band ließ nun ihre existentiellen Visionen auf der Bühne auslaufen; Dave Alexander stieg aus, die Roadies Zeke Zettner (Baß) und Billy Cheatham (Rhythmus-Gitarre) stiegen ein. Neue Songs „Way Down In Egypt“ und „Big Score“ füllten den Set. Und Iggy blutete wirklich, fühlte sich so lebendig, daß er es als Qual empfand. Er bewegte sich im Reich des Wahnsinns, der Selbstzerstörung, erniedrigte das Publikum mit Worten und seinem Körper, indem er Dreck und Wachs in seine blutenden Wunden rieb.
Vorhang. Die Stooges lösten sich 1971 das erste Mal auf. Bis auf den sauberen Ron Asheton waren sie durch ihre Junkie-Experience ausgelaugt.
PHASE 3 -Running from The Pain
1972 trifft Iggy auf Tony Defries‘ Meisterplan. Das Defries/ Mainman Management hatte gerade David Bowie in der Hand. Iggy, der im New Yorker Office von Elektra übernachtet, ohne Vertrag, wird von Danny Fields vom TV-Gerät weggeholt (das „Mr. Smith goes to Washington“ sendet) und in die Bar geschickt, wo Defries und Bowie auf ihn warten. Defries gibt ihm Geld für einen Anzug und schickt Iggy zum damaligen CBS-Boß Clive Davis. Dort singt Herr Pop vor’m Davis-Schreibtisch den Sinatra-Song „The Shadow Of Your Smile“ und verläßt das Büro mit einem Vertrag für zwei LPs. Ort der Studio-Arbeit: London.
Herr Osterberg geht nach London. In seiner Begleitung: Ron + Scott Asheton und der Gitarrist James Williamson, der bereits in der 71er Endphase bei den Stooges (für Cheatham) Rhythmus-Gitarre gespielt hatte. Es folgt ein traumatischer Kamikaze-Gig im Londoner King’s Cross Cinema, Iggy singt „The Shadow Of Your Smile“ durch blutende Lippen. Heroin ist immer noch eine Quelle, auch für Williamson, dessen stechende/wetzende Gitarrenriffs nun in die Geschichte eingehen. Ron steht jetzt am Baß. Das Defries-Management erlaubt keine weiteren Auftritte, die Gruppe wird ins Studio geschickt. Defries hatte sowieso nur Iggy im Auge, die anderen drei Stooges waren für ihn ein Dorn im Auge. Denn man hatte Pläne, nur für Herrn Pop (der CBS-Vertrag betraf auch nur ihn allein, Williamson sollte wegen seiner Junkie-Allüren von Iggy ferngehalten werden; doch Iggy selbst bestand auf dessen Mitarbeit). Defries wollte Pop sogar zum Filmstar formen, die auserwählte Rolle: Peter Pan.
Iggy ging mit seinen Stooges ins Studio. Und nahm Songs auf, die Defries aus der Fassung warfen. Weil sie ihm zu extrem waren: „I’m Sick Of You“, „Scene Of The Crime“, Tight Pants“,
„Gimme Some Skin“, „Fresh Rag“ (eine Vamp-Version über tamponstragende Frauen: ,,/ can smell you walking down the Street with your fresh rag on“,) „I Got A Right“, „Seaxch & Destroy“. Defries gibt sein OK nur für „S&D“ und „Tight Pants“ (das dann zu „Shake Appeal“ wird) und beordert die Gruppe zurück ins Studio. Wo RAW POWER entsteht. Die dritte LP. 1973.
RAW POWER spiegelt die Gewaltvisionen des Vietnamjahrzehnts wider, portraitiert den amerikanischen Charakter des einsamen, problemgeladenen Helden, der seine Aggressionen nach außen richtet, gegen die Umwelt. Die Beziehung Krieg-Gewalt-Sex, sexuelles Unbefriedigtsein, das sich explosiv in Form von Gewalt nach draußen entlädt… Das notivierte die Stücke „Search & Destroy“, „Penetration“, „Gimme Danger“. Vier Jahre später greift der Film „Taxi Driver“ denselben Charakter auf.
Williamson + Pop hatten versucht, die RAW POWER-Bänder selbst zu mixen. Kamen mit der Technik jedoch nicht zurecht, kehrten zurück nach Detroit (Defries erlaubte keine Auftritte) und als ihnen ein Termin gesetzt wurde, gaben sie die Bänder David Bowie, der zwei Tage Zeit hatte, die schwierigen Aufnahmen zu mischen. Das Resultat: der quälende Iggy-Gesang wurde mit der dämonischen Williamson-Gitarre zusammengeschweißt während Baß/Drums im Hintergrund wischten. Nur die Pressungen vom Kontinent bringen mehr Ausgleich. Die Vor-RAW POWER-Aufnahmen mit ihrer Dickicht-Extravaganz erscheinen erst vier Jahre später, von Williamson produziert: als EP I’M SICK OF YOU und als Single „I Got A Right“. RAW POWER, dieser rasende Adrenalin-Überstoß, löschte die 60er aus, für immer, und die 70er, ehe sie richtig anfangen konnten.
Zurück in Amerika. Wo man sie wollte. Die Leinen Pop-Defries werden gekappt. Die Stooges können wieder live auftreten. Scott Thurston (Keyboards, Rhythmus-Gitarre) kommt hinzu. Und haufenweise n^ue Songs: „Head On The Curb“, „Wet My Bed“, „Sex Drive“, „Gotta Cock In My Pocket“, „She-Creatures Of The Hollywood Hills“. Niemand (bis auf Ron) in der Band war gesund, Scott Asheton reduzierte sein Vokabular auf got-any–dru-u-u-u-g-g-z-z mayn ‚, Iggy wurde immer blasser – schien sich auf den Satz gottany-bloooo-dd bayb ‚ zu konzentrieren. Die Stooges auf ihrem ‚Death Trip‘.
Ohne Management, ohne Hoffnung, mit einer Quaalude-Wodka-Mischung im Blut, geben sie einen Gig in der New Yorker Academy Of Music, zwischen Kiss und Blue Qyster Cult. Es folgen die ‚Open-Up-And-Bleed ‚-Nächte im Max Kansas Club, wo Iggy – Glasscherben angeritzt – singt: „I’ve been burned… I’ve been pushed aside, sometimes I’ve even fixed and died… but it ain ‚t gonna be that way no more… „
1974 kommt das große Finale. In Detroit. ‚Honey-come-and-be-my enemy-I-can-luv-ya-too‘ dokumentiert auf dem Live-Mitschnitt „Metallic K.O.“. Seite 1 findet in der Rock’n’Roll Farm vor den Türen Detroits statt; mit den Scorpions (eine Motorradgang) im Publikum, feindselig gesinnt. Und Iggy, der von dieser Feindseligkeit lebt, greift sie auf und gibt sie zurück. Und darin ist er der Größte! Er taucht in die Menge, greift sich er selbst im Ballettkostüm – einen Biker heraus und schlägt zu. Wird daraufhin zusammengeschlagen, denn sein Gegner hat einen Schlagringhandschuh. Nachdem Iggy vom Arzt wieder zusammengeflickt wurde, tritt er mit seinen Stooge am nächsten Tag zur letzten Liebe-Haß-Affaire in der Geschichte dieser Band an, im Michigan Palace, Seite 2. Die Scorpions sind verstärkt erschienen (sie hatten angedroht, die Gruppe umzubringen). Mehr Schlagabtausch. Flaschen/Eier/Kameras fliegen.
Und Iggy absorbiert das mit seinem einzigartigen Geschick: „Anybody with anymore ice cubes.. grenades? C’mon, you paid yer money so yer takes yer choice!… Awright ladies and gentlemen, I think a good song for you would be a 55-minute Version of ,,Louie Louie!“ Totenstille. Dann lacht er: „God! I neuer thought it ‚d come to this,“ und die Band steigt in den Richard Berry Klassiker ein, während Pop eine obszöne Text-Improvisation losläßt.
Von dieser letzten Nacht gibt es noch eine I2inch-Live-Platte: „I Got Nothing“ ist eine nihilistische Hymne, die lggys desolaten Kopf-Zustand dieser Zeit aufzeigt: ,,1 got nothing to say… I wanna be touched, and I’m gonna be loved, cause I want… I need… And I ain’t afraid to say it: 1 neeeeed ya.“
In „I Need Somebody“ auf RAW POWER hatte er schon seine Selbst-Rauferei angedeutet: „I’m loosing all my feelings, and Im runnin‘ out offriends. „
Ausstieg. Auflösung. Bis auf Scott Asheton, der sich in Ann Arbor immer mehr an einer Charles-Manson-Inkarnation orientiert, verschlägt es die übrigen Stooges (voneinander isoliert) nach Kalifornien. Williamson fängt an, sich mit der Ton-Studio-Technik zu befassen. Ron Asheton gründet seine „New Order“, mit Dave Gilbert (ex-Amboy Dukes) / Gesang, Jimmy Recca/Baß, Dennis Thompson /ex-MC5)/Drums, Ron spielt wieder Gitarre. Und Iggy: allein. Auf Ego-Trip. Zieht seine Jim-Morrison-Personifikationsnummer ab. Die eskaliert am Morrison-Todestag in einer Nacht-Show mit ex-Door Ray Manzarek: Iggy singt „Back Door Man“, „L.A. Woman“ und „Maggie McGill“. Im Whiskey-Club/Los Angeles. Und tauscht Morrisons Lederhose (die er trägt) gegen Drogen ein.
Einstieg Neuropsychiatrie. Los Angeles Hospital. Das er wieder verläßt, um mit David Bowie (Anfang ’75) im Studio Material einzuspielen. Ein Versuch. Bowie am Piano + Gitaire, Pop mit seinen Texten. „Seil Your Love“ und „Turn Blue“, eine fröstelnde Erzählung über den goldenen Heroin-Schuß. Das Experiment scheitert – Bowie, der gerade in LA. eine Selbst-Erkennungs-Krisenphase durchlebt, ist sich nicht sicher, ob er Iggy lieber für sein eigenes Film-Konzept „Dogs“ nehmen soll (neben Iggy wollte Bowie auch Terence Stamp mitspielen lassen), oder den Performer Pop zurück ins Rampenlicht holen? Iggy, außer Kontrolle, kehrt zurück ins Hospital. Wieder allein. („Tum Blue“ wird später mit der LUST FOR LIFE-Band aufgenommen, „Seil Your Love“ mit der KILL CITY-Gang.) Ausstieg Hospital. Iggy, mit neuen Songs in der Tasche, nimmt mit Wüliamson im Studio des Songschreibers Jim Webb im Sommer ’75 die Basis-Tracks und den Gesang für das KILL CITY-Demoband auf. Mit dabei: Scott Thurston (Piano), Brian Glascock (Drums), Steve Tranio (Bali). Die Bänder bleiben zwei Jahre liegen, ehe sie Williamson neu abmischt, zusammen mit John Harden (Saxophon) und Tony (Baß) + Hunt (Drums) Sales. Ende ’77 erscheint KILL CITY auf Bomp. Unter dem Namen Iggy Pop & James Williamson.
Bis auf das alte Stooges-Stück „I Got Nothing“ sind alle Songs neu. Sie beschreiben die düstere Zwielicht-Zone, in der sich Iggy nach RAW POWER; overdosed and on the knees‘, ausbrannte. Da-dadum-dum, ständig an der Außenseite lang. Zusammengefaßt in „Beyond The Law“, „Seil Your Love“ und „No Sense Of Crime“. Und Iggy schreit, true feeling, er wird von Williamson während der Session aus dem Hospital vor’s Mikro geschleppt.
PHASE 4 -Walking Toll Iggys Leben/Visionen nehmen eine Wende. Von nun an wird alles unter Kontrolle sein. Er versucht, Meister seines eigenen Geschicks zu werden. In der L.A.-Klinik sagt er nach der KILL CITY-Arbeit aufwiedersehen Junkie, hallo meine Psyche. Die Ästhetik/Ethik des Scheiterns, die ganze Bedeutung des Zusammenbruchs, in den er verwickelt war, all das hat er erfahren/durchlebt und beginnt, es zu verstehen. Als Erfolg. Und er beginnt, die Dinge/die Welt nicht mehr mit Ernst zu nehmen. Denn Iggy Pop ist kein Heiliger. Sauber, trifft er wieder auf Bowie, den er im Laufe der STATION TO STATION-Tour nach Europa begleitet. Iggy wird Europäer. Er läßt sich in West-Berlin nieder. Bowie auch. Der ihm das Recht auf Arbeit zurückgibt. Ins Licht holt. Das narkotische
Meisterwerk THE IDIOT entsteht. Städtische Verdammung + Katakomben-Motorik im Rauch der endlosen Nächte. Atmo-schaffende Elektronik. Im Studio: die Rhythmus-Abteilung von Bowie (Dennes Davis/Drums, George Murray/Baß), sonst nur Iggy und Bowie, der Keyboards + Gitarre spielt. Bei „Dum Dum Boys“ spielt er sich die Finger blutig, auf der Gitarre. Der Gitarrist Phil Palmer übernimmt später die zweite Gitarre. Mit Bowie/Keyboards, Tony und Hunt Sales/Baß + Drums und dem Gitarristen Rick Gardiner folgt die 77er-Come-Back-Tour. Mit derselben Band entsteht der helle, metallische Rocker „Lust For Life“, mit dem Ig zum ersten Mal in Anlehnung an Burroughs „The Ticket That Exploded“ die eigenen Junkie-Erfahrungen verarbeitet, mit Distanz. Die LP wurde in sechs Tagen in Berlin eingespielt. Als Berliner entdeckt Herr Osterberg auch seine Fähigkeiten als Maler. Meine Kunst ist mein Tresor.
1978 erfolgt Iggys Wiederannäherung an Amerika. Ex-Stooge Scott Asheton/Drums, ex-MC5 Fred „Sonic“ Smith/Gitarre, Gary Rasmussen/Baß (alle drei plus Scott Morgan/Gitarre, bilden die Detroiter Sonic’s Rendevous Band) und Scott Thurstons gehen mit Iggy auf Tournee.
Die Leinen werden wieder gekappt. Diesmal mit der Firma RCA (IDIOT, LUST FOR LIFE). RCA beklebt Iggy Pop immer wieder mit dem Image-Vertrag: Bowie- Entdeckung/Vater des Punk. Herr Osterberg löst den Vertrag, indem er das TV EYE LIVE-Album durchsetzt (ein Mitschnitt der 77er Tourneen). Produziert von ihm für 4.000 DM auf einer JVC-Kassette. Finale.
PHASE 5 -Im Black/ White +Proud, oder: Ich bin Herr Osterberg, der Meister des Iggy Pop, denn wer sonst ist mit mir
Keiner hat Zeit für einen Verlierer. Das Motto des Iggy Pop. Heute. Weniger leiden, für seine lebendigen Gefühle, für seine menschliche Kunst. Und mehr kommunizieren. Ein einsamer Wolf, der sein Rudel gefunden hat. The more I think, the more I need!
In seinem Berliner Apartement: beginnt er, an einer Auto-Biographie zu schreiben (die erste Titelwahl: FUN, die bisher letzte: TOO STONED TO DIE); beginnt er ermuntert durch Fred „Sonic“ Smith – mit der Gitarre in der Hand, 18 Songs zu komponieren, Note-für-Note. Von denen er zwölf in Los Angeles aufnimmt. Mit James Williamson (Gitarre/Produktion), Scott Thurston (Keyboards/ Gitarre), Jackie Clark (Baß) und ex-Tangerine Dream Drummer Klaus Kruger. Titel: NEW VALUES. Auf neuer Plattenfirma (Arista). Mit neuem Selbstbewußtsein. Das Album, von Iggy selbst finanziert, sollte zunächst DONT LOOK DOWN heißen (nach dem Songtitel auf der LP), doch die Verbindung Neue-Firma-Neuer-Deal-Neue-Werte war für ihn geeigneter. Und Ig arbeitete wieder mit Williamson zusammen: „Weil der ein Rationalist ist, ich ja überhaupt nicht! Also ’ne gute Mischung. Außerdem kann ich im Studio nur mit jemandem arbeiten, der auch live mit mir auftritt!“ NEW VALUES ist autobiographisch, extrem persönlich. Ig akzeptiert sich selbst – das erste Mal. „AH night I’m working, in the amusement park; a bottle of aspirin, a sack fulla jokes. “ ‚5 Foot r Aufwiedersehen Deutschland, Berlin. Hallo Amerika. Ende der Reise. Ich bin wieder dort, wo ich hingehöre. Und ich habe Dinge gesehen, die jenseits deiner wildesten Träume liegen, as I’ve searched the Soul Of Man.
1979/80: Don’t Look Down! Sei du selbst und leiste Widerstand gegen jegliche Art von Anpassung! Ig, der Kämpfer. Der „Soldier“, der seine neuen Werte gefunden hat (den Kopf-Verstand in Bewegung halten!) und Statements formuliert. Die anderen Leute zum Handeln auffordern. SOLDIER entsteht in einer 14-Tage-Tour-De-Force in den Rockfield-Studios/Wales. Mit ex-Pistol Glen Matlock (Baß), ex Rieh Kid Steve New (Gitarre), ex-Patti Smith Ivan Kral (Gitarre), ex-XTC Barry Andrews (Keyboards) und K. Kruger. Williamson, der kurz dabei ist (Produktion/Gitarre), wird von Ig gefeuert, weil Williamson weiße Musik will, der Soldier jedoch mehr schwarze (‚Mr. Dynamite‘).
Und wo sind sie heute, die Dum Dum Boys? Ron Asheton spielt mit ex-MC5-Bassist Mike Davis bei Destroy All Monsters. Scott weiterhin bei der Sonic’s Rendevous Band. Der Saxophonist Steve Mc-Kay bei der Mojo Boogie Band. Williamson studiert die Studio-Technik in L.A. (und spielte seine Gitarre auf der bisher noch nicht erschienenen LP der Hollywood-Figur Smokey). Dave Alexander und Zeke Zettner sind tot, Überdosis. Alkohol. Und Iggy?
Mit neuen Stooges: 1. Kral, K. Kruger, Rob Duprey (Gitarre) und ex-Heartbreaker Billy Rath (Baß). Und mit neuen, schwarzen, psychedelischen Songs… „The Winter Of My Discontent“ (mit der Einlage: ,,I don’t wanna be normal I don ‚t wanna be, I wanna pee… To be or not to be“), „Sacred Cow“. Und mit seiner Schnulzen-Version von „Set ‚Em Up Joe‘. Ig singt! Es ist ein Match James Brown-Frank Sinatra: „It’sAMan’s, Man’s World“ contra ‚Strangers In The Night‘. Play it safe. Im Vergnügungspark. Und er braucht das Publikum!