Im Interview: Peter Hauke
ME:
Wie kamen Sie gerade darauf, ein Schallplatten-Label zu gründen?
Hauke:
Ich war mehrere Jahre als Berufsmusiker tätig und war in dieser Zeit auch bei verschiedenen Schallplattenfirmen als Künstler unter Vertrag. Durch das Gefühl in deutschen Studios, von deutschen Produzenten und Technikern nicht verstanden zu werden, reifte in mir immer mehr der Entschluss, später einmal selber zu produzieren und einmal andere Wege zu beschreiten. Meine ersten Erfahrungen hinter dem Mischpult sammelte ich dann mit der von mir gegründeten Rock-Band JERONIMO, die innerhalb von 6 Wochen mit zwei Hits ‚HEYA‘ und NANA NEY NEY‘ obere Plätze in den deutschen Hitparaden belegte. Ich war jedoch als Manager dieser Gruppe viel zu sehr engagiert, als dass ich mich um andere Produktionen zu dieser Zeit hätte kümmern können.
ME:
Sie waren doch aber auch als Manager und Konzert-Veranstalter tätig, und zwar nach den ersten Erfolgen mit JERONIMO.
Hauke:
Ja, das ist richtig. Als logische Entwicklung kam für mich als Ausbau des Managements der JERONIMO die Konzert-Agentur dazu. Ich hatte nämlich sehr bald begriffen, dass deutsche Veranstalter nur an grossen international bekannten Namen Interesse zeigten, keinesfalls jedoch an deutschen Rock-Bands. Logische Folgerung für mich war: Ich musste selber Veranstaltungen durchführen, auf denen ich dann die JERONIMO und später auch noch weitere von mir gemanagte Bands neben grossen Internationalen Acts auftreten lassen konnte. Ich hatte jedoch mein Ziel, Schallplatten zu produzieren keinesfalls aus den Augen verloren. Mir war nur bewusst geworden, nachdem mir das englischen Beispiel ISLAND als vorbildlich erschien, dass man in Deutschland nur erfolgreich starten konnte, wenn man andere als die eingefahrenen Wege beschritt.
So wollte ich Management, Konzert-Agentur, Schallplattenproduktion und Musikverlag miteinander verbinden.
ME:
Weshalb stellten Sie dann aber Ihre Konzertagentur so plötzlich ein?
Hauke:
Dafür gibt es eine ganz einfache und auch wohl die häufigste Erklärung: Geldmangel. Nach anfänglichen riesigen Erfolgen z.B. das Kölner Popfestival 1970, die ersten ausverkauften Tourneen mit DEEP PURPLE und PINK FLOYD, hatte ich bald einen riesigen Apparat für mich arbeiten, der ja bezahlt werden musste, und da war ja auch die Steuer mit all ihren Sparten wie Vergnügungssteuer, Ausländerlohnsteuer, Mehrwertsteuer usw. Als junge Konzertagentur kann man diese anfänglichen Belastungen unmöglich auffangen, wenn einmal die nicht ausbleibenden Defizit-Veranstaltungen dazwischen kommen. Deshalb musste ich Mitte 1970 das Konzertgeschäft an den Nagel hängen und hatte dadurch Zeit, mich mit den Vorbereitungen zur Bildung meines Labels zu befassen.
ME:
Wie begannen Sie denn nun konkret mit Ihren Produktionen?
Hauke:
Ich produzierte auf Eigenrisiko im Herbst 1970 zwei Sänger und eine neugegründete Frankfurter Gruppe (EPSILON). Mit diesen Produktionen und mit meiner Labelidee stellte ich mich dann bei mehreren grossen deutschen Firmen vor und wurde dann mit der Phonogram in Hamburg einig. Nach dem Start im April 71 und der Veröffentlichung von insgesamt 10 LPS. und mehreren Singles musste ich mir Gedanken über neue Finanzmittel machen. Die Vorauszahlungen der Phonogram und der französischen EMI (mit der Verträge für Frankreich und Benelux abgeschlossen wurden) waren für die Produktion und die Promotion verbraucht worden. Da jedoch weitere Auslandsverhandlungen vor allem mit den Amerikanern nicht sofort und damit auch das Geld zum Erfolg führten, musste ich nach einem anderen Weg suchen. So wurde das Label dann nach langen Verhandlungen an Bellaphon verkauft und ich schloss einen langjährigen Produzentenvertrag für BACILLUS mit Bellaphon.
ME:
Produzieren Sie ausschliesslich allein für BACILLUS oder gibt es weitere Produzenten?
Hauke:
Zu über 90 Prozent werden alle Produktionen von mir gemacht. Das schliesst aber nicht aus, dass wir immer an Übernahmeprodukten und anderen Produzenten interessiert sind. Sie müssen eben nur in das Repertoire von BACILLUS passen.
ME:
Da kommen wir auf einen interessanten Punkt. Wie sieht denn das Repertoire von BACILLUS aus und was will BACILLUS auf dem deutschen Markt erreichen?
Hauke:
Da meiner Meinung nach die internationale Rock-Musik in all ihren Formen und Stilarten englisch-sprachig ist, hielt ich es ebenfalls für nötig, obwohl wir hier in Deutschland ansässig sind, nur in Englisch zu produzieren. Da wir unsere Produktionen ja auf dem internationalen Markt verkaufen wollen, ist das unbedingt erforderlich. Umso schwerer ist es aber im eigenen Land. Man kann mit englischsprachiger Rockmusik interpretiert von deutschen Künstlern niemals oder nur in ganz wenigen Ausnahmen Stückzahlen erreichen, wie sie z.B. deutsche Schlagersänger oder auch internationale Künstler in Deutschland erreichen.
ME:
Das heisst also BACILLUS ist doch mehr ein avantgarde-Label?
Hauke:
Das wurde ich auf keinen Fall sagen, die Nachfrage gerade in den letzten zwei Jahren nach in Deutschland produzierter Rock-Musik wurde immer stärker. Das zeigte sich vor allem an der Gründung mehrere neuer Label, die sich, ausschliesslich mit dieser Musikrichtung befassen und an immer mehr Erfolgen deutscher Gruppen im In- und Ausland. Ich würde sagen, dass bereits heute die deutsche Rock-Musik einen festen nicht mehr wegdenkbaren Marktanteil besitzt, der in den nächsten Jahren erheblich ansteigen wird. Was noch vor drei Jahren mit dem Stempel der sogenannten Progressivität und damit als unverkäuflich versehen wurde, erreicht heute bereits Stückzahlen, von denen man vor einigen Jahren nur träumte.
ME:
Das heisst also, dass sie mit den Umsätzen von BACILLUS zufrieden sind?
Hauke:
Ich will nicht sagen, dass ich schon zufrieden bin, die Umsätze sind jedoch so gut, dass die Existenzberechtigung eines Labels wie BACILLUS jedoch bewiesen ist und wir schon im ersten Jahr nicht mehr in den roten Zahlen stecken. Das sehe ich als einen sehr grossen Erfolg an.
ME:
Nehmen Sie nur deutsche Künstler unter Vertrag?
Hauke:
Nein, wir wollen ein internationales Label sein und nehmen deshalb alle Künstler aus den verschiedensten Ländern unter Vertrag, solange sie uns gefallen, Englisch singen und in den Rahmen von BACILLUS passen. Gebietsbedingt sind natürlich von den bei uns unter Vertrag stehenden Gruppen und Sängern die Mehrzahl deutsche. Wir haben aber auch Engländer, Schweizer, Franzosen, Amerikaner und Holländer.
ME:
Können Sie uns zum Abschluss vielleicht kurz zusammenfassend das Ziel von BACILLUS nennen?
Hauke:
BACILLUS will deutsche Künstler international bekannt machen. BACILLUS ist deshalb kein experimentier-Label bei aller sogenannten Progressivität, sondern will so kommerziell wie möglich sein, ohne die Stilrichtung der Bands und deren Musik zu beeinflussen. Die Beeinflussung liegt lediglich in der Auswahl der Künstler und damit wird ja schon die Richtung des Labels festgelegt.
Den grössten Wert lege ich auf qualitativ extrem gute und damit international verkäufliche Produktionen, die nicht unbedingt immer den deutschen Pop-Fan aber den internationalen Musik-Fan ansprechen sollten.