Imbiss
Die Take-away-Kolumne von Johannes von Weizsäcker
Ich komme heute nicht zum Essen, Liebling (1)
Vor Jahrzehnten traf ich eine gravierende Fehlentscheidung. Ich verschrieb mich dem Erzeugen und Erforschen von Popmusik. Also muss ich nun regelmässig jene Betonkellerclub-Falafelbuden-Halbwelt durchwandeln, die, von Haarschnitten und Szene-Allüren bevölkert, leider den Großteil dessen beherbergt, was die Abgründe der Popmusik gelegentlich an Interessantem zu bieten haben. Um wenigstens irgendeinen greifbaren Nutzen – zum Beispiel Geld – daraus zu ziehen, möchte ich hier fortan meine diesbezüglichen Streifzüge beschreiben. Da ich immer schon mal eine Kolumne über die Imbissbuden dieser Welt schreiben wollte, wird es hier aber mitunter auch um das gehen, was man auf dem Weg vom oder in den Betonkellerclub, im Falafel-, Pommes- oder Sushi-Imbiss vorfindet. Gleich zu Anfang dieser Serie steht jedoch mein Besuch des Field Day Festivals, welches nicht in einem Betonkeller stattfand, sondern im Ostlondoner Victoria Park. Aber Imbissbuden gab es natürlich auch: Inmitten zigtausender Hipster verzehrte ich, stolz den Hipstern die Erdkundelehrerhaftigkeit meines blauen Lieblingshemds entgegentragend (ich besitze die Fähigkeit, auf Dämliches stolz zu sein), ein zähes Steaksandwich für sieben Pfund (acht Euro), das mit mehreren Soßen beschmiert war, deren Reichlichkeit zwar nicht das Fehlen irgendeines definierbaren Geschmacks wettmachten, wohl aber die Erdkundelehrerhaftigkeit meines blauen Lieblingshemds in Säuglingslätzchenhaftigkeit verwandelte. Mark E. Smith, der mal wieder in Begleitung irgendeiner beliebigen Rockabilly-Band aus der Hölle auftrat und das ganze The Fall nannte, trug auch so ein Hemd, allerdings unbefleckt, und sah prima aus. Wie ein sehr schlecht gelaunter Erdkundelehrer. Obwohl der Auftritt aus wenig mehr als Rockabilly aus der Hölle und etwas zahnlosem Rumgelalle bestand, stellte er ein gewisses Highlight dar; einfach weil Smith, dieser die schlechte Laune wie kein anderer personifizierende Chronist des Alltagsgrauens (als solchen hat ihn doch bestimmt mal irgendein Musikjournalist bezeichnet), selbst unter Androhung sofortiger Erschießung nicht für eine Sekunde zur Durchschnittlichkeit fähig wäre. Ansonsten waltete beim Field Day ausschließlich Durchschnittlichkeit. No Age, Pantha Du Prince, Atlas Sound und Phoenix waren öde und Gonzales sowie Matthew Herbert ganz nett. Für die ist hier aber diesmal kein Platz. Ich verabschiede mich in der Hoffnung, auf etwaige junge Leser mahnend eingewirkt zu haben. Bleib der Musikszene fern, Junggemüse! Den Imbissbuden sicherheitshalber auch! Und falls Sie das alles immer noch nicht abgeschreckt hat, gibt’s nächsten Monat ’nen Nachschlag!
Johannes von Weizsäcker
wurde durch eine Reihe tragischer Missverständnisse Musiker der Band The Chap. Nun hat er den Salat. Beziehungsweise die Schnellimbiss-Kost.