In Kiew hat ein neuer Plattenladen eröffnet
„Wir leben in wahrhaft düsteren Zeiten“, sagen die Gründer. „Wir versuchen damit optimistisch zu bleiben und freuen uns über Menschen, die uns besuchen und teilweise stundenlang unsere Platten durchstöbern.“
In Kiew wurde ein neuer Plattenladen eröffnet. Vor 30 Jahren wäre dies keine Besonderheit gewesen: Damals wurden noch deutlich mehr LPs und vor allem CDs, also physische Tonträger verkauft, Breitband-Internet und Streaming waren noch Zukunftsmusik. Immerhin die Vinylverkäufe steigen seit Jahren wieder an, auch die CD ist 40 Jahre nach ihrer Erfindung immer noch nicht tot. In Kiew ist aber auch sonst nichts mehr wie früher: Seit Anfang des Jahres herrscht durch den Angriff von Russland Krieg in der Ukraine.
Die Kultur findet offenbar und zum Glück trotzdem einen Weg: Vor rund einem Monat eröffneten die Freunde Amir Hanani, Borys Stepanenko und Oleh Baranovskyi ihr Geschäft „Abo Records“ in einer stillgelegten Schnapsfabrik in der Straße Kudryavska. „Resident Advisor“ berichtet, dass das dortige musikalische Spektrum unter anderem Ambient, Downtempo, Breaks, Trance, House und Techno umfasse.
Die Idee hätten die Gründer schon länger gehegt. Jetzt, da wegen des Krieges alle Clubs geschlossen seien, hätten sie die Gelegenheit ergriffen. „Abo Records“ soll ein alternativer Ort werden, an dem sich DJs und Kiews Electronic-Musik-Szene vernetzen sollen. „Wir leben in wahrhaft düsteren Zeiten“, sagen die Gründer. „Wir versuchen damit optimistisch zu bleiben und freuen uns über Menschen, die uns besuchen und teilweise stundenlang unsere Platten durchstöbern.“ Natürlich erwarte man wegen des Krieges weniger Besucher*innen im Vergleich zu friedlicheren Zeiten. Ihnen ist bewusst, dass auch viele Musiker*innen aus der Ukraine geflohen sind, andere kämpften gar an der Front. Auch mit Tourist*innen rechnen sie nicht. Selbst der Postversand ins Ausland gestalte sich wegen gestiegener Kosten und unterbrochenen Logistikketten schwieriger. Trotzdem beziehungsweise gerade deswegen wollen sie an ihrem Geschäft festhalten. Ein Teil der Einnahmen soll zudem einer Organisation zugute kommen, die ukrainische Soldaten und freiwillige Helfer*innen unterstützt.
„Abo Records“ soll an drei Nachmittagen pro Woche geöffnet sein.