Ina Deter und Niedecken in Mocambique – Einsatz in Afrika
Zu einer ungewöhnlichen Solidoritäts-Aktion starteten Wolfgang Niedecken und Ina Deter Ende Marx nach Mocambique. In der Hauptstadt Maputo gaben sie unter abenteuerlichen Umständen zwei Konzerte für die von Südafrika terrorisierten Mosambikaner. ME/Sounds-Mitarbeiter Michael Hagedorn und Willi Ditzel begleiteten die abenteuerliche Afrika-Expedition.
Ohne großes Medien-Tam-Tam ging Ende März ein deutscher Rock-Export der ganz besonderen Art über die Bühne: Ina Deter mit Band (Klaus Sperber, Bert Smaak, Linda Rocco, Jo Steinebach, Manni Holländer) und Wolfgang Niedecken mit seinen Komplizen (Jürgen Zöller, Geli Fleer, Axel Risch und Frank Hocker) flogen für eine Woche und zwei Konzerte ins südostafrikanische Mocambique.
Solidarität war das Schlagwort dieser Aktion. Solidarität der deutschen Musiker mit den geschundenen Schwarzen in Mocambique, die seit dem Ende des 12jährigen Befreiungs-Kampfes gegen die portugiesischen Kolonial-Herren (1962/ 74) unter unsäglichen Repressalien und Terror des übermächtigen Apartheid-Nachbarn Südafrika zu leiden haben.
Speziell die von Südafrika bezahlten Söldner-Truppen der Renamo überziehen den jungen Staat dort mit Terror-Angnlfen. wo die Bevölkerung am empfindlichsten getroffen wird: mit Kidnapping und Überfällen auf Schulen und Krankenhäuser.
Während die deutsche Afrika- und Südafrika-Politik auf der Stelle tritt, wollten Ina Deter und Wolfgang Niedecken die Öffentlichkeit auf ihre Art wachrütteln und auf die Probleme im südlichen Afrika hinweisen.
SONNTAG, 21.3., ANREISE
Samstagnachmittag. Unter einem großen Transparent mit der Aufschrift „Beendet Südafrikas Krieg gegen die Nachbarstaaten – Apartheid tötet auch in Mocambique“ versammeln sich am Kölner Hauptbahnhof Musiker, Techniker und Begleitpersonal. Per Zug geht es nach Paris, und nach sonntäglichem Beschnuppern setzt sich die Rock-Karawane abends in Bewegung. Um 20.10 startet die Maschine der Linhas Aereas de Mocambique vom Flughafen Charles de Gaulle in Richtung Maputo…
MONTAG, 22.3., SCHNUPPER-KONTAKT
Morgens gegen 8.00 Uhr setzt das Flugzeug in der Hauptstadt Moc.ambiques auf. Feuchtheiße Luft von 30 °C schlägt den Musikern entgegen, von denen die meisten zum ersten Mal afrikanischen Boden betreten. Nach endloser Warterei auf die Container mit Instrumenten und Anlagen geht es in einem klapprigen Bus ins Hotel. Eine kurze Verschnaufpause, dann steht nachmittags ein Besuch im Revolutions-Museum von Maputo an, das mit drastischen Fotos und Gemälden die Geschichte des Befreiungs-Kampfes vermittelt.
DIENSTAG, 23.3., BEGEISTERUNG
Offizieller Empfang beim Kultus-Minister von Mofambique, der sich für die Unterstützung der deutschen Musiker bedankt und noch einmal betont, wie wichtig solche Aktionen für das Selbstbewußtsein seines Staates sind. Nach den erwarteten Schwierigkeiten der Techniker, die P. A. mit der mitgebrachten Backline und den Instrumenten abzustimmen, warten alle gespannt auf den Verlauf des ersten Konzertes. In der ausverkauften Sporthalle von Maputo ist die Hölle los. Bei Temperaturen knapp über 40 °C und einer Luftfeuchtigkeit wie in der Sauna betritt gegen 21.00 Uhr mit Ina Deter & Band die erste westliche Rock-Band eine Bühne in Mogambique.
INA DETER
„Das Schlimmste an diesem Krieg sind die Kinder. Kinder werden von den Bandidos der Renamo verschleppt, gefoltert, geschlagen, unter Drogen gesetzt und zum Töten gezwungen. Kinder, acht, zehn, 14 Jahre alt, haben mir erzählt, wie das war in dem Lager der Bandidos: Nach zwei bis drei Wochen militärischer Ausbildung wurden sie einem Tötungskommando zugeteilt. Wer den Befehl zu töten nicht ausführte, wurde selber umgebracht. Manchen Kindern gelang die Flucht. Manche überlebten im Busch, weil sie sich von Blättern und Baumrinde ernähren konnten. Manche hatten Glück und wurden von der Frelimo gefunden und in ein Kinderheim gebracht, in dem sie unter Aufsicht und fürsorglicher Betreuung wieder lernen sollen, was Kinder am liebsten machen. Denn die Kinder des Krieges können nicht mehr spielen und lachen, sie wissen nicht mehr wie das geht!“
Schon nach den ersten Songs tobt das Publikum. Eine Dolmetscherin übersetzt vor jedem Titel in groben Zügen den Inhalt ins Portugiesische, und als nach einer kleinen Umbau-Pause Niedecken „Des Cumplices“ auf der Bühne stehen, bricht bei ihrer Version von „Gimme Shelter“ oder Dylans Revolutions-Hymne „Mocambique“ ein wahrer Sturm los. Musiker und Fans sind sich einig: Derartige Begeisterung hat noch keiner erlebt!
MITTWOCH, 24.3., „KULTUR-AUSTAUSCH“
Aufstehen 5.00 Uhr, dann ein Inlands-Flug ins 1000 km entfernte Beira, die wichtigste Hafenstadt Mocambiques; aufgrund der Verkehrs-Situation in Richtung Zimbabwe, Sambia und Malawi ein überlebenswichtiger Knotenpunkt. Im Hotel kommt es abends zu einem Kultur-Austausch besonderer Art: Einheimische Musiker spielen den deutschen Gästen auf ihren fast schon antiken Instrumenten und museumsreifen Vox-Verstärkern auf. Deter, Niedecken und Co. revanchieren sich mit improvisierten Versionen von „Honky Tonk Women“ und anderen Rhythm’n’Blues-Standards.
DONNERSTAG, 25.3., BETROFFENHEIT
Der Besuch eines Flüchtlings-Lagers, in dem etwa 3000 Menschen leben, die von der Renamo aus ihren Dörfern vertrieben wurden, macht der deutschen Rock-Reise-Gruppe schlagartig den Ernst der Lage klar. Unter menschenunwürdigsten Umständen haben sich viele Mocambikaner auf der Flucht vor den Söldnern hierher durchgeschlagen, erzählen von erschütternden Schicksalen, berichten von den Überfällen der Mord-Banden, die Felder und Dörfer abbrennen, entführen, mißhandeln und töten. Tief betroffen sind sich alle Deutschen einig, die Mißstände in diesem vom Krieg gebeutelten Land müssen angeprangert, müssen bekannt gemacht werden.
FREITAG, 26.3., MUSKELSPIELE
Am Abend vor dem Rückflug das zweite Konzert in Maputo. Sinnigerweise soll in den Umbau-Pausen des Konzertes eine Box-Ausscheidung für die olympischen Spiele in Seoul stattfinden. Da die Musiker das gar nicht witzig finden, einigt man sich auf einen Kompromiß: Erst wird geboxt, dann gerockt. Gemeinsam wird der Boxring nach den Kämpfen abgebaut, danach geht es bis 2 Uhr früh zur Sache. Eine gemeinsame Zugabe, ein Medley aus „Knocking On Heavens Door“ und „No Woman, No Cry“, beendet die musikalische Expedition ins ferne Afrika.
SAMSTAG, 27.3., RÜCKKEHR
Vor dem Rückflug geht es noch einmal in die Realität Mocambiques: Die Gruppe besucht ein Kinderheim mit 37 Jungen im Alter von sechs bis 16 Jahren, die alle in den Händen der Renamo-Söldner waren. Fast alle erzählen, wie sie entführt und teilweise unter Drogen gesetzt wurden, um bei Terror-Angriffen der Renamo Dörfer zu überfallen und Menschen umzubringen. Die Benutzung von Kindern in diesem Krieg zeigt eine besonders grausame Komponente, die den deutschen Musikern die Wichtigkeit ihrer Solidarität noch einmal drastisch vor Augen führt. Betroffen tritt die Gruppe am Abend den Rückflug nach Paris an …
WOLFGANG NIEDECKEN
„Nach der BAP-China-Tour kam ich immer leicht ins Schlingern, wenn ich auf die Fragen a) stärkster Eindruck und b) Fazit der Reise antworten wollte.
Diesmal ist das ganz anders. Noch einen Monat vor Abflug wußte ich, wie die meisten Leute aus meinem Bekanntenkreis, rein gar nix von der Problematik der Frontstaaten. Umso beklemmender, um direkt mit dem stärksten Eindruck anzufangen, war es dann, diesen Kindern im Rehabilitationszentrum Lhangene gegenüber zu sitzen und ihnen zuzuhören, wie sie erzählten.
Was diese Kinder an Horror erleben mußten, ist durchaus vergleichbar mit dem, was sich deutsche Rassisten in den Amtsstuben der Konzentrationslager des dritten Reiches an Perversionen ausgedacht haben. Somit kann ich mir die Überleitung zu b) sparen.
Fazit: Dieser Krieg wird hier entschieden, per Wählervotum, wie uns in Mocambique immer wieder ausdrücklich erklärt wurde. Ich fordere jeden anständigen Menschen auf, keine Partei zu wählen, die sich nicht eindeutig zu radikalen Sanktionen gegen das südafrikanische Apartheids-Regime festlegt bzw. Druck auf die auszuüben, deren Einsatz für Menschlichkeit auf Sonntagsreden beschränkt ist.“