Interview mit Beginner: „Und darauf kommt der Wumms von heute!“
25 Jahre nach Bandgründung und 18 Jahre, nachdem sie mit BAMBULE einen Meilenstein im deutschen HipHop gelegt hatten, wagen die Beginner ihr zweites Comeback. Mit ihrem neuen Album ADVANCED CHEMISTRY. Wir trafen Jan „Eizi Eiz“ Eißfeldt, Dennis „Denyo“ Lisk und Guido „DJ Mad“ Weiß in Berlin-Mitte.
Mit BAMBULE setzten die Beginner 2003 erstmals eine Deutschrap-Platte auf die Nr. 1 der hiesigen Charts. Damit ebneten sie den Weg für zahllose Rapper, die seither Woche für Woche an die Spitze der Hitliste schießen. Doch die Beginner halten mit: Ihre Comeback-Single „Ahnma“ brachte sie zum ersten Mal in die Top Ten der Single-Charts. Jetzt muss das Album ADVANCED CHEMISTRY zeigen, wie sehr Rap-Deutschland seine Urväter noch braucht.
Die Reaktionen vieler junger Menschen auf euer „Ahnma“ mit Gentleman und Gzuz fielen ähnlich aus wie die auf „FourFiveSeconds“ von Rihanna, Kanye West und Paul McCartney. Denen sind Gzuz, RiRi und Yeezy geläufiger als die Beatles und ihr. Denkt man dieses neue Publikum mit, wenn man nach 13 Jahren wieder ein Album aufnimmt?
Eißfeldt: Nein, damit würde man sich nur selbst im Weg stehen.
Lisk: Dein einziger Richtwert ist nur die Frage: „Würde es mich selbst flashen?“ Das Feedback Zwölfjähriger kann man nicht vorhersagen.
Dass ihr einen Gangster wie Gzuz featuret, ließ Augenbrauen hochgehen …
Weiß: Gzuz und seine 187 Strassenbande stinken von Weitem vielleicht nach Ghetto-Rap, aber die haben Attitüde, da kannste einen drauf lassen. Da steckt ein Kulturgedanke dahinter.
Eißfeldt: Ich habe ihn ja auf einer Ausstellung kennengelernt, einer Graffiti-Ausstellung. Gzuz repräsentiert schon auch das linke St. Pauli.
Was hat ihn für euch besonders genug gemacht, um die tragende Hook in eurem Comeback-Song zu rappen?
Eißfeldt: Seine Stimme. Ich hatte so einen Flash, dass ein jamaikanischer Dancehall-Artist auf diesen HipHop-Beat trifft. Da gibt’s hierzulande halt nur Gentleman. Das ist schön, aber eben nicht „Rrrrraah!“ Und für dieses „Rrrrrah!“ gibt’s hier momentan nur Gzuz. Gäste auf dem Album wie er und Haftbefehl, die man uns nicht zurechnen würde, sind nur vertreten, weil wir sie gefragt haben, weil wir Fans sind.
Weiß: Das Gzuz-Feature hat „Ahnma“ natürlich zu einem Hamburg-Represent-Track gemacht: Wir als Fahnenhochhalter aus der Vorzeit und die, die das so gut wie niemand anders heute machen.
Lisk: Natürlich hätte man auch Ferris fragen können, wenn’s um eine krasse Stimme geht …
Der hat ja mit „Hast du Interesse an Rap und fette Bässe?“ eine prominente Hookline in einem anderen Song.
Lisk: Und er wäre zu naheliegend gewesen.
Welches eurer Comebacks war nervenaufreibender: Das nach dem Überalbum BAMBULE 2003 mit BLAST ACTION HEROES oder jetzt mit ADVANCED CHEMISTRY?
Eißfeldt: BLAST ACTION HEROES war viel stressiger, allein schon emotional gesehen. Viele Fragen haben sich da gar nicht gestellt. Natürlich wollten wir auch damals das Derbste aufnehmen, da war das Ziel aber eher: Ey, wir machen jetzt ’ne Platte und die muss geil werden und hopp, war sie draußen. Da hatten wir uns einem ganz anderen Druck ausgesetzt.
Lisk: Natürlich hatten wir dieses Mal auch extremen Druck, zigtausend Stunden gearbeitet, sind in völlig neue Denkdimensionen vorgestoßen. Aber es war eben auch ein viel längerer Prozess, der ging in etwa 2005 mit einer Depression los, einer Depression mit dem Genre, mit der Band. Nach BLAST ACTION HEROES war irgendwie alles gesagt, man kam erst mal nicht weiter. Dann standen zig Soloprojekte an. Erst 2010 spürten wir, dass wir wieder Bock haben. Dann kamen Künstler wie Marteria und die Orsons heraus …
Weiß: Bei den Orsons hörst du diese moderne Future-Bass-Scheiße auf eine sehr eigene Weise perfekt zu einem neuen Ding gemacht.
Lisk: Die finden wir jedenfalls richtig gut. Dazu bekam Straßenrap einen künstlerisch-poetischen Anspruch, HipHop wurde vielschichtiger – auch international: Kendrick Lamar, Dubstep 2.0, Trap, EDM, Mad Decent, Diplo, viel frischer neuer Wind. Ab da hatten wir wieder Lust, konnten aber noch nicht. Der kreative Muskel war noch nicht ganz da. Wir waren außer Übung. Jan hatte seine zwei Funkplatten draußen, ich mein Singer/Songwriter-Album. In den Rap mussten wir erst wieder reinkommen. Wir nahmen enorm viel auf, aber die Ergebnisse blieben hinter unseren Erwartungen zurück. Erst mit meinem Album DERBE 2015 wusste ich, dass ich wieder auf Level bin.
Weiß: Jetzt hat Dennis lauter Fragen beantwortet, die du gar nicht gestellt hast.
Aber viele Anschlussfragen aufgeworfen.
Lisk: Ich finde es trotzdem wichtig, das alles mal gesagt zu haben. Dass man versteht, dass wir die Beginner in den vergangenen 13 Jahren trotz allem immer im Fokus hatten.
„Uns gehört nichts. Es ist alles da und wir können mit allem spielen, alles
ein- und ausatmen.“
Vor Jahren meintest du, dass ihr 2010/2011 schon vier bis fünf Songs beisammen hattet, die „richtig rocken“. Hat es aus diesem ersten Wurf etwas aufs neue Album geschafft?
Lisk: Ja! Das älteste Stück ist „Bring mich nach Hause“, das gab es seit damals als Skizze. Da der Song aber auch einen politischen Anspruch hat und möglichst aktuell sein sollte, mussten wir textlich immer wieder ran. Die AfD-Situation wollten wir einfach ansprechen.
Wann weiß man, nach all den Versionen jedes Songs, dass das Album fertig ist?
Eißfeldt: Wenn du einen Song fertig hast, den fünf Leute – mit unseren Co-Produzenten Tropf und Fiji Kris Symbiz Sound sind wir zu fünft im Team – über einen Monat immer wieder anhören und immer zu dem Schluss kommen, dass der geil ist, dann ist der geil.
Lisk: Dennoch hast du auch bei derben Songs manchmal das Gefühl, da noch mehr rausholen zu können. „Macher“ ist so ein Beispiel: Der war schon derbe, aber dann denkst du dir, wie viel geiler das wäre, wenn eine Stimme wie die von Hafti mitmachen würde. Oder Megaloh bei „Thomas Anders“. Das sind dann aber auch Luxusentscheidungen. Wenn man da angekommen ist, sich etwas leisten zu können, dann ist man im grünen Bereich.