Interview mit Beginner: „Und darauf kommt der Wumms von heute!“


25 Jahre nach Bandgründung und 18 Jahre, nachdem sie mit BAMBULE einen Meilenstein im deutschen HipHop gelegt hatten, wagen die Beginner ihr zweites Comeback. Mit ihrem neuen Album ADVANCED CHEMISTRY. Wir trafen Jan „Eizi Eiz“ Eißfeldt, Dennis „Denyo“ Lisk und Guido „DJ Mad“ Weiß in Berlin-Mitte.

Auf „Schelle“ arbeitet ihr jetzt mit Trap – das kann freilich auch schnell veraltet wirken.

Lisk: Hätten wir es dabei belassen, ja. Dann hätten wir eine Angriffsfläche geboten. Deswegen hat Jan noch einen Reggae-Teil, den er von seiner Band übrig hatte, beigesteuert, um den Trap darin einzubetten. Hätten wir uns andererseits nur auf den Reggae-Part verlassen, hätte es zu altbacken geklungen. Wir haben immer versucht, den richtigen Twist zu finden. „Rambo No.5“ ist ja auch sehr neo, hat aber eben auch Cuts, die einen in der Vergangenheit verorten. Reggae bedeutet für uns eben das Damals: Rote Flora, „Dub Cafe“ (Veranstaltungsreihe im Hamburger Autonomen Zentrum „Rote Flora“ – Anm. d. Red.), Gentleman, Silly Walks …

Eißfeldt: Und darauf kommt der Wumms von heute!

Weiß: Wir wollten immer geradeaus und weiter. Daher ja auch unser Name. Erst wenn wir eine Platte machen, die wie die vor fünf Jahren klingt, denken wir übers Aufhören nach. Wir haben keine modernen Sounds drin, weil wir im Club gelernt haben, dass die Gören auf Trap stehen, sondern weil wir auf Trap stehen. Du kannst heute auch viel vielseitiger sein: Als ich 1996, zur Hochphase des Boom-Bap, aufgelegt habe, konnte ich 96 bpm nie verlassen, sechs Stunden lang. Bis mir irgendwann die Füße eingeschlafen sind und ich Public Enemy mit 110 bpm ausgepackt habe. Das kam allerdings nicht gut an, so: „Jetzt legt der wieder seinen alten Scheiß auf.“ Damals war alles noch monokultureller. Heute ist die Bandbreite der Möglichkeiten im Club absurd viel größer.

„Es ist verdammter Schwachsinn, dass Sampling immer noch illegal ist“

Die heutige Jugend ist dank Internet eben umfassender informiert und daher auch interessierter als die damalige. Aber geht dabei nicht etwas an Mysterium verloren? Zerbrach man sich früher endlos den Kopf, woher welches Sample ist, lässt sich heute leicht recherchieren, dass der, sagen wir mal: „Soundfetzen“ in „Thomas Anders“ schon mal in „Sucker DJ“ von Dimples D zu hören war.

Weiß: Aber allein der Moment, in dem dich Musik dazu bringt, dich mit Geschichte zu beschäftigen, ist doch schon geil. Und natürlich sampeln alle und es ist verdammter Schwachsinn, dass das immer noch illegal ist. Die Hälfte der Musikindustrie profitiert davon, dass der ganze Laden auf illegalen Beinen steht. Das ist so scheinheilig! Sampling ist die Kunstform unserer Zeit und dennoch wurde es immer noch nicht legalisiert.

Eißfeldt: Ich finde es in dem Zusammenhang ganz toll, dass Moses P. seit Jahren diesen Prozess wegen seines Kraftwerk-Samples führt, nie aufgibt und dass ihm jetzt recht gegeben wurde. Dafür hat er so viel Liebe verdient.

Lisk: Legalize Moses!

Eißfeldt: (rappt „I Know You Got Soul“ von Eric B. & Rakim, ein Schlüsseltrack des Sampling)

ADVANCED CHEMISTRY spielt nicht nur auf euer gewachsenes Verhältnis zueinander an, sondern ist auch nach den gleichnamigen, für euch enorm einflussreichen Deutschrap-Wegbereitern benannt. Wie hat deren MC Torch auf den Albumnamen reagiert?

Lisk: Nach sehr vielen Telefonaten und psychologischen Tricks fand er’s okay.

Okay? War er etwa nicht geschmeichelt?

Lisk: Nein, nein, da kennst du unseren großen Bruder nicht.

Eißfeldt: Jeder, dem ich den Titel verraten hatte, fragte mich: „Hast du Torch gefragt?“ Jedenfalls sagte er dann: „Ja, hmm, guter Titel, ist aber auch ein zweischneidiges Schwert.“

Inwiefern?

Lisk: Er wurde sooft zitiert, selbst der Titel seines Soloalbums BLAUER SAMT wurde sooft aufgegriffen. Er hat das Gefühl, dafür nie richtig Props bekommen zu haben. Diese Ehrerbietung wollen wir ihm aber klar erweisen: Kein ADVANCED CHEMISTRY ohne Advanced Chemistry.

Eißfeldt: Advanced Chemistry ist einfach Torchs Baby. Und mit dem verbindet er nicht nur positive Dinge. Das ist alles sein Kosmos und den muss man akzeptieren.

Ihr musstet euch den Titel also von ihm genehmigen lassen.

Lisk: Ja natürlich! Hätte er darauf keinen Bock gehabt, hätten wir die Platte „Die Orsons“ genannt. (lacht)