Interview mit Carl Barât über The Jackals, „LET IT REIGN“ und Style-Regeln auf der Bühne
ME.STYLE traf Carl Barât vor seinem Berlin-Konzert im Februar zum Interview – dabei ging es um sein aktuelles Projekt Carl Barât & The Jackals, die neue Platte LET IT REIGN, sein Familienleben und natürlich auch um die Libertines und Pete Doherty. Außerdem hat er uns erzählt, wie er zum Thema Mode steht.
Während die Musikwelt mit Spannung auf die neue Platte der Libertines wartet, widmet sich Carl Barât zunächst seinem neuen Projekt The Jackals. Für ME.STYLE haben sich die Jungs in Schale geschmissen und beim Fotoshooting in London gezeigt, dass auch Rockstars echtes Stilbewusstsein haben. Im Interview verriet Barât dann noch, bei welchen Bühnen-Outfits er definitiv ein Veto einlegen würde.
ME.STYLE: Die Musik von Carl Barât & The Jackals klingt viel stürmischer und rauer als Deine bisherigen Projekte. Soll „Let It Reign“ als Ausbruch verstanden werden?
Carl Barât: Mein Soloalbum, das ich 2010 aufnahm, war sehr reif und reflektiert. Solche Platten frustrieren mich nach einer Weile, weil ihnen schlussendlich die nötige Energie fehlt. Wenn man so will, sind Carl Barât & The Jackals ein Gegenentwurf dazu. Ich habe ohne Frage eine Disposition zu härterer Rockmusik. Weder mit den Libertines, noch mit den Dirty Pretty Things habe ich soften Pop gemacht. Für LET IT REIGN habe ich aber zum ersten Mal bewusst kantiger klingen und die Gitarren stärker herausarbeiten wollen.
Mithilfe der Jackals?
Junge Musiker, die zum ersten Mal auf Tour gehen und ein Album produziert haben, sind begeisterungsfähig, unverbraucht, heiß auf das Leben mit der Musik. Genauso ist es bei den Jackals.
Deine Vorhergehensweise, die Band per Social-Media-Aufruf zusammen zu stellen, wurde häufig als Indie-X-Factor bezeichnet. Das klingt zunächst etwas unsexy.
Ja, die Bezeichnung ist grauenvoll. Für mich war es einfach ein Versuch, gute, frische Musiker zu finden. Menschen, mit denen ich auf Tour gehen kann und die mich inspirieren. Ansonsten habe ich mit den sozialen Kanälen im Internet nicht viel zu tun. Ich twittere ab und an, selten poste ich etwas bei Facebook. Letzteres übernimmt mein Management oft. Ich finde die Vorstellung zu unangenehm, mich ständig selbst zu promoten.
Außerdem hast Du mit zwei Bands vermutlich schon genug zu tun.
Ich bin die meiste Zeit beschäftigt, das stimmt. Trotzdem versuche ich, nicht allzu lang unterwegs zu sein. In London warten meine Frau und meine Kinder auf mich. Mein jüngstes ist gerade erst zur Welt gekommen. Mehr Schlaf als auf Tour bekäme ich Zuhause also auch nicht. Wenn ich in London bin, ist mein ganzer Tagesrhythmus vom Baby bestimmt. Zu jeder Tages- und Nachtzeit entscheidet es, wann ich aufzustehen habe. Ich versuche so viel Zeit wie möglich mit meinen Kindern zu verbringen. Obwohl ich mir zuvor nie darüber im Klaren war, dass mich eine Familie so glücklich machen und mein ganzes Leben verändern wird. Ohne sie wäre LET IT REIGN nicht zustande gekommen, weil ich dadurch gelernt habe, die schöpferische Kraft, die man als Künstler hat, wertzuschätzen. Und mit ihr jeden einzelnen Moment im Leben.
Ist das auch ein Grund dafür, dass Du Dich an zwei Projekten parallel versuchst?
Definitiv. Innerhalb der Libertines kennen wir uns seit ungefähr 15 Jahren. Die Beziehungen sind eingespielt, wir blicken auf eine umfangreiche gemeinsame Geschichte zurück. Deshalb wird untereinander viel mehr gequengelt als bei den Jackals.
15 Jahre sind eine lange Zeit. Können Dich Interviews und Fotoshootings überhaupt noch aus der Ruhe bringen?
Zugegebenermaßen habe ich mich bei Shootings immer unwohl gefühlt. Früher sind wir mit den Libertines strikt der Kurt-Cobain-Ethik gefolgt: Mach‘ Dein Ding, spiel‘ live, nimm‘ Platten auf. Bei allem, was darüber hinausging, waren wir nicht sonderlich kooperativ. Das hat sich mit den Jahren verändert. Vielleicht auch, weil diese Arbeitsmoral im heutigen Business nicht mehr funktioniert. Das Fashion-Shooting mit euch in London hat aber tatsächlich Spaß gemacht. Obwohl wir große Angst davor hatten, lächerlich auszusehen.
Ein Glück, dass das nicht eingetreten ist.
Im Gegenteil, wir haben uns nicht verkleidet gefühlt und hatten schöne Sachen an. Besonders die Sonnenbrille mit dem Fadenkreuz hat es mir angetan. Leider durfte ich sie nicht behalten, obwohl sie mir so gut gefiel.
Heute Abend spielt ihr ein Konzert hier in Berlin. Ziehst Du Dich dafür noch um?
Ich werde meine Jacke wechseln, weil wir Jacken und Dr.Martens geschenkt bekommen haben. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ansonsten bleibe ich so. Wir haben keinen spezifischen Look auf der Bühne. Wenn von uns plötzlich jemand auf die Idee käme, ein schräges Rave-Outfit anzuziehen, würde ich natürlich ein Veto einlegen. Aber solang es nicht zu bunt wird, ist alles erlaubt.
Sind Deine Ansichten auch so liberal, wenn es darum geht, dass einige Medien LET IT REIGN als Platzhalter für das voller Sehnsucht erwartete, kommende Album der Libertines handeln?
Ich habe mich damit abgefunden, solche Ansichten nicht beeinflussen zu können. Als Antwort darauf mache ich weiterhin die Musik, die ich machen möchte und scheue nicht davor zurück, mich auszuprobieren.
Dein Bandkollege Pete Doherty scheint einen besonderen Umgang mit der Presse zu pflegen. Er sagte, dass das Geld der einzige Grund für eine Reunion der Libertines gewesen sei.
Natürlich ist es erstrebenswert, Musik zu machen und dabei genug Geld zu verdienen. Jeder Künstler, der das infrage stellt, lügt. Das Verrückte an Peters Kommentar ist, dass er einem ganz anderen Kontext entspringt. Jemand rief ihm zu: „Hey, diese Reunion macht ihr doch nur des Geldes wegen!“ Und Pete antwortete mit einer für ihn typischen Ironie: „Klar, warum auch sonst?!“
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