Jack & Ginger: old kids on the block
Während Eric Clapton in London 18 Abende vor ausverkauftem Haus spielt, gehen seine ehemaligen Cream-Kollegen Jack Bruce und Ginger Baker auf mehrmonatige Ochsentour durch die amerikanische Provinz. Doch trotz ihres krassen Karriere-Knicks: Aufmerksame Beobachter glauben zu wissen, daß die Cream-Reunion nur noch eine Frage der Zeit ist. ME/Sounds-Mitarbeiter Hanspeter Künzler bat Jack Bruce um Aufklärung.
Senfgelbe Wände, eine metallene Wendeltreppe, die zum balkonartig ins Studio gehängten zweiten Stockwerk führt, ein zerschlissenes Ledersofa und windschiefe Antiquitäten: Das Büro des PR-Agenten von Jack Bruce gleich hinter der Londoner Kings Road ist eine Huldigung an vergangene Zeiten. Und der Klient, geboren 1943 in Glasgow, „als es in meiner Straße erst ein einziges Auto gab“, sieht zwischen all den alten Möbeln ziemlich verloren aus.
Jack Bruce steckt in einem dieser schwarzen Anzüge à la Armani, in denen gestandene Rocker heutzutage würdig zu altern pflegen. Am Revers trägt er einen seltsamen Orden, der ans Ritterkreuz des Dritten Reichs erinnert. Er bemerkt den kritischen Blick und beschwichtigt: „Das ist das Abzeichen des Klubs Junger Omithologen. Ich habe es von meiner Tochter. Ich selber bin aber kein junger Vogelkundler mehr. „Er grinst.
Hat er in letzter Zeit mal mit Eric Clapton über die gemeinsame Vergangenheit gesprochen? Diesen ersten Vorstoß pariert er elegant, aber deutlich: „Nein, wir jagen Eric zu viel Schiß ein. Und ich glaube, daß er als Musiker oder von seinen Kräften her mit Ginger und mir einfach nicht Schritt halten kann. Deshalb zog er es schon früher vor, sich Slowhand zu nennen.“
Bruce lernte Clapton in den frühen 60er Jahren kennen. Als 17jähriger hatte er sein Cello-Studium an der schottischen Musikhochschule zu Glasgow aufgegeben, um sein Leben den unerschöpflichen Geheimnissen des Jazz-Baß zu widmen. Noch als unschuldiger Teenager schottete sich der Schotte von den Highlands ab und siedelte nach London um, wo er schnell in den Bands der Blues-Pioniere Alexis Korner und Graham Bond landete. Bei John Mayalls Bluesbreakers traf der junge Pionier Eric Clapton.
Nach den Lehr- und Wanderjahren war die Zeit reif für die erste große Blütezeit der Gitarrenriffs. Die brach 1966 an. als Bruce zusammen mit dem jungen Gitarrengott Clapton und dem Teufels-Drummer Ginger Baker das Trio Cream gründete. Dazu meint er heute: „Ich versuchte, eine eigene Sprache zu finden und wollte gleichzeitig die Neugier auf die Blues-Originale wecken.“ Auch seine klassischen Einflüsse ignorierte er dabei nicht: „Wie der Komponist Olivier Messiaen versuchte ich stets, eine organische Musikform zu schaffen, in der ein Stück nicht im klassischen Sinn in verschiedene Abschnitte aufgeteilt ist, sondern sich kontinuierlich entwickelt. „
Nach dem Zusammenbruch von Cream stürzte sich Bruce in allerlei musikalische Abenteuer: Seine ersten Solo-Platten wirkten folkrockig; in seiner Band spielte der Jazz-Gitarrist Larry Coryell neben Mitch Mitchell, dem einstigen Drummer von Jimi Hendrix. Und Bruce gab mal in Tony Williams‘ Lifetime zusammen mit Gitarrist John McLaughlin ein Gastspiel, mal machte er mit Corky Laing und Leslie West im Hardrock-Trio Bruce, West & Laing jede Menge Lärm. Er zupfte den Baß und sang für Frank Zappa, Robin Trower und Kip Hanrahan, für Carla Bley und die Golden Palominos: „Ich willigte nur unter einer Bedingung ein, bei den Palominos zu singen – Anton Fier mußte dafür in meiner Band Schlagzeug spielen, und so kam es dann, daß wir beide mit den Palominos einen Gig in Champagne, Illinois, hatten, und schon zwei Tage später mit meiner Band in Budapest auftraten. Das klingt verrückt, gell? Aber ich mag es so.“
Wie Mad Max wirkt der 48jährige Veteran trotzdem nicht, und auch nicht wie der leidgeprüfte Idealist, der nur für die hehre Kunst lebt – auch wenn er seine Integrität betont: „Ich hätte nach Cream den leichten, lukrativen Weg gehen können, um endlose Variationen zum gleichen Thema gewinnbringend zu verkaufen. Es entsprach aber nie meinem Stil, auf die schnelle Kohle zu setzen.“
Da paßt es dann schon ins Bild, daß sich Bruce über den Qualitätsverfall in der Rockmusik echauffiert: „Rock ist zwar die moderne Volksmusik. Doch nur wenn sie sich ständig weiterentwickelt und laufend neue Kombinationen ausprobiert, bleibt sie interessant. Zu viele Musiker geben sich heutzutage mit Banalitäten ab, anstatt künstlerische Erfüllung anzustreben. „
Und wem gibt der Guru die Schuld für diese verwerfliche Entwicklung? „Solchen Bands wie Fleetwood Mac, die sich mit populärem Wegwerfkram eine goldene Nase verdienen. Es wäre ein großer Verlust für die Rockmusik, wenn sich alle nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigen würden.“
Damit es gar nicht erst so weit kommt, ging Jack Bruce wieder einmal auf Tournee – in den USA hat er einen Trek mit 44 Konzerten hinter sich gebracht. Auch auf seinem Album A QUEST1ON OF TIME, auf dem unter anderem Vernon Reid von Living Colour, Ginger Baker und Albert Collins mitwirken, treffen wieder unterschiedlichste Stilrichtungen aufeinander. „Ich versteife mich nie auf eine bestimmte Spielweise“, erklärt der Bassist stilvoll wie immer. „Ich strebe in gewisser Weise eine Art von Fusion an, jedoch nicht Jazz-Rock oder Jazz-Funk.“
Vielleicht dann doch jene ganz spezielle Fusion, von der die Propheten der Popwelt unter dem Decknamen „Creamatorium“ seit Monaten raunen? Denn angeblich gesellte sich doch während Jacks jüngstem Auftritt in New York auch Eric Clapton zu ihm auf die Bühne. Aber auf die Frage, was er von einer Cream-Wiedervereinigung hält, wiegelt Bruce abermals ab. Er rückt Claptons Musik sogar in die Nähe von Fleetwood Mac und kommentiert bissig: „Mit Eric auf der Bühne zu stehen, war zwar ganz nett. Aber manchmal drängt sich mir das Prädikat ‚Plagiator‘ auf, wenn ich ihn spielen höre.“
Er mag seinen einstigen Kumpel nicht allzu sehr – so viel ist sicher. Doch das größte Hindernis für eine Cream-Reunion liege nicht bei ihm, betont er:
„Irgendwann könnte es vielleicht zu einem Cream-Comeback kommen. Doch das sind reine Spekulationen. Eric hat mir zwar zu Weihnachten eine Karte geschickt, aber wir haben seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen. Und wenn einer wirklich Probleme mit Eric hat, dann ist es Ginger. „
In der Tat ist der 50jährige Schlagzeuger nicht gut auf Clapton zu sprechen: „Ich hasse den Kram, den Clapton heutzutage spielt, und ich mag auch sein letztes Album nicht.“ So schimpfte er während der USA-Tournee.
Und was sagt Bruce zu den hartnäckigen Gerüchten, er wolle mit Ginger Baker wenigstens die Zweidrittelmehrheit von Cream wieder herstellen? „Es macht mich echt glücklich, mit Ginger zu spielen. Schließlich musizierten wir beide schon fünf Jahre vor Cream in Marvin Gayes damaliger Begleitband. Marvin fragte mich sogar, ob ich nach Detroit ziehen wolle. Doch ich schlug sein Angebot aus, weil ich schon in England mein Aufgebot bestellt hatte, um zu heiraten.“
Und dann kam sowieso alles ganz anders. Denn dann kam Cream und damit die große Zäsur in seinem Leben. Plötzlich stand eine ganze Generation Kopf, feierte das Blues-Rock-Trio in den höchsten Tönen und natürlich Hits wie „White Room“. „Sunshine Of Your Love“ oder „Badge“. „Genau“, nickt der Veteran salbungsvoll. „Aber ich frage mich oft, was geschehen wäre, wenn Ginger und ich nach Detroit gegangen wären. „
Dann hätte die Geschichte der Rockmusik neu geschrieben werden müssen.