Jägermeister Rock:Liga-Finale im Kesselhaus, Berlin
Nationaltümelnde Musikbegeisterung hat hier hitzefrei.
Gab es je ein undankbareres Datum für einen Finalsieg in Wimbledon wie jenes, als Roger Federer an dem Tag siegte, an dem Italien Fußballweltmeister wurde? Gab es je ein undankbareres Datum für einen Musikwettbewerb als den Tag, an dem Lena Meyer-Landrut als erste deutsche Teilnehmerin seit 28 Jahren den Eurovision Song Contest gewann? Während im Rahmen des Finales der sechsten Rock:Liga in der Halle The Films, Hadouken! und Hot Hot Heat für jeweils 45 Minuten aufeinander losgehen, wirkt die Welt vor der Tür des gut mit Wärme und Besuchern gefüllten Kesselhauses wie aus dem Sommermärchenbuch: Hundertschaften mit schwarzrotgoldener Gesichtsbemalung scharen sich um Cafés, in denen auf Großbildschirmen neun Mal die volle Punktevergabe an Deutschland übertragen wird.
Dagegen will erst mal angespielt werden: The Films aus New York bemühen sich, kassieren maximal Anstandsapplaus. Das liegt nicht nur daran, dass sie als erste auf dem Programm stehen und das Publikum noch nicht ausreichend von den Erzeugnissen des Veranstalters gekostet hat. The keinen englischsprachigen Wikipedia-Eintrag habenden Films sind wie ihr Bandname: Mit unoriginellem Bühnengebaren schauspielern sie sich durch formelhafte Rock’n’Roll-Songs, die allesamt wie Covers klingen; es wirkt wie Michael J. Foxs Interpretation von „Johnny B. Goode“ in „Zurück in die Zukunft“. Die werden bestimmt dritter „Sieger“.
Dann Hadouken! Die britischen NuRaver hatten in der Vorrunde gegen Does It Offend You, Yeah? verloren und waren somit raus. Nachdem letztere aber „aus privaten Gründen“ nicht an der Endrunde teilnehmen konnten, wurden Hadouken! nachnominiert. Die Besucher weinen den sich nach Angegriffenheitsgrad Erkundigenden keine Träne nach, stoßen das Körperwasser überall außer über die Augen aus. „Start the fucking moshpit!“, befiehlt Oberhadouke James Smith und die Menge gehorcht. An einer Stelle teilt er das Publikum und lässt es auf ein „Ein, swei, dry, via“-Kommando aufeinanderprallen. Klassische Rock-Anmache, von Synthesizern und einem dem Videospiel „Street Fighter“ entliehenen, sich seiner Retro-Ironie-Coolness bewussten Bandnamen getarnt. Die Menge wogt und pogt. Hadouken! werden erster. Werden sie nicht.
Denn Hot Hot Heat haben nicht nur den Vorteil, seit bereits elf Jahren im Geschäft zu sein, sie haben auch die besseren Songs. Problemlos füllen die Kanadier ihre Dreiviertelstunde mit bewährten Greatest Hits. Das Publikum reagiert zwar zunächst zurückhaltender als bei den Ballermännern davor, lässt bei der finalen Abstimmung das Applausometer dann aber doch die höchste Dezibelzahl für Hot Hot Heat messen. Ein verdienter Sieg und gewonnen haben sie ja doch alle: Jede Teilnehmerband des Abends erhält eine Gitarre. Und für wen es bereits die achte oder neunte ist, der kann sich mit der neuen Keule zumindest den Heimweg ins Hotel durch all die grölenden „Isch liebe deutsche Land!“-Zombies bahnen.
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