Jaki Liebezeit redet über sich und die Can


Zum Zeitpunkt dieses Interviews stand die grosse Englandtournee der CAN vom 29. 4. bis 19. 5. bevor. Mittlerweile wurde die Tour, welche 12 Spieltage beinhaltete, erfolgreich abgeschlossen und die Gruppe selbst brachte aus England neue Erkenntnisse mit, die darauf warten, verarbeitet zu werden. Doch nun zu meinem eigentlichen Gespräch mit JAKI LIEBEZEIT, dem Schlagzeuger der CAN.

Wie Ist es zu dieser Tournee gekommen?

Vor kurzem wurde unsere Doppel-LP „Tago Mago“ in England veröffentlicht. Aufgrund dieser LP zeigte die englische Liberty Interesse an einer Tournee, die sie dann auch für uns arrangierte.

Sind die CAN in England bekannt?

Na, das ist so. Wir kennen nun ein paar Leute in England und ich glaube, dass viele drüben einfach die Musik satt haben und froh sind, etwas anderen zu hören. Etwas, was nicht aus dem englischen Sprachraum stammt. Natürlich sind wir nicht so bekannt wie „Colosseum“ oder „Deep Purple“, aber wir haben sicherlich schon Anhänger unserer Musik in England.

Wie würdest Du Eure Musik beschreiben?

Du, das ist recht schwierig. Nur eins weiss ich, dass es keine Kunst ist. Ich kann Dir nicht sagen, warum die Musik so ist, wie sie ist. Sie könnte genauso gut anders sein. Es ist irgendwie ein Zufall, dass sie so geworden ist, wie man sie heute hört. Es ist auch ein Zufall, dass ausgerechnet diese Leute zusammen gekommen sind und als Ergebnis dieses Zufalles gibt es heute CAN-Musik.

Lebt Ihr zusammen? Ja, wir leben zusammen, aber nicht in einem Zimmer oder in einem Haus. Jeder von uns hat eine Wohnung. Trotzdem sind wir oft zusammen, so dass es immer irgendwelche Spannungen gibt. Dabei streiten wir uns über Kleinigkeiten. Zum Beispiel, wenn wir im Studio sind und der eine ist für den anderen zu laut, dann schreit er ihn an, oder sonst irgendwas. Wir streiten uns ab und zu eigentlich sehr gern. So jeder mit jedem, aber das nimmt man nicht so ernst bei uns, denn nach fünf Minuten hat sich der Streit schon wieder gelegt. Es gehört irgendwie bei uns dazu. Und ausserdem bereinigen solche Streitereien immer wieder die Situation. Es ist nicht so, dass wir uns schlagen.

Ist es hart, in einer Gruppe zu arbeiten und Erfolg zu haben?

Unter Umständen kann es hart sein, wenn man einen Plan hat, den man ableisten muss, wie z.B. eine vier Wochen Tournee mit zwanzig Spieltagen kann hart werden, weil man lange Strekken fahren muss. Doch das liegt eben daran, dass man diesen Plan absolvieren muss. Ansonsten finde ich es aber nicht hart, weil man ja das tut, was einem Spass macht.

Wie lange machst Du schon Musik?

Na, so ungefähr zwanzig Jahre. Eigentlich schon von klein auf, denn mein Vater war Musiker und von Haus aus ist immer Musik gemacht worden. Meine musikalische Entwicklung sieht eigentlich ziemlich logisch aus, so dass ich sagen kann, dass ich an dem Punkt, wo ich jetzt angekommen bin, zwangsläufig ankommen musste. Es hat zwar sehr lange gedauert und wird vor allem noch länger dauern.

Wie lange kann man Musik machen?

So wie sich die Musik heute darbietet, wird sie nicht bleiben. Die Musik ändert sich jedes Jahr und ich kann überhaupt nicht sagen, was in zwanzig Jahren für eine Musik gemacht werden wird. Vielleicht wird die Musik in zwanzig Jahren von 80-Jährigen gemacht. Vielleicht sind das denn die Stars. Man kann es nicht wissen. Z.B. in den 60-ger Jahren waren die Zwanzigjährigen die Stars. Doch heute sieht das schon wieder wesentlich anders aus. Der heutige Musikerdurchschnitt ist älter als vor zehn Jahren. D.H. der Durchschnitt, derer die die heutige Musik machen, jene Musik, die aktuell ist. Deshalb glaube ich, dass Musik machen nichts mit dem Alter zu tun hat. Denn man kann auch noch mit siebzig Musik machen.

Gibt es musikalische Kriterien?

Nein, überhaupt nicht. Denn wenn heute nur zum Beispiel genügend Promotion für siebzigjährige Musiker gemacht würde, dann hiesse es nur, die Alten machen die einzig wahre und echte Musik. Denn Musik zu verkaufen ist nur eine Frage der Werbung und es geht weniger darum, musikalische Substanz an den Mann zu bringen. Es zählt nur das, was du den Leuten einreden kannst. Natürlich ist es auch eine Frage des Feelings, welches die Musiker selbst mitbringen. Wenn heute jemand die Gefühle der 30-er Jahre reproduziert, so wird er sicherlich auf den Arsch fallen. Es muss schon etwas Neues sein, etwas revolutionäres. Ich meine, wenn man einmal aufgehört hat, Revolutionär zu sein, dann hört es auf, dann ist es vorbei.

Ist Eure Musik revolutionär?

Relativ. Ja, sie ist relativ revolutionär. Denn gemessen an anderen Musiken ist sie schon revolutionär. Wir sind eigentlich keine Gruppe, die reproduktiv ist, sondern wir bemühen uns, neue Wege zu finden. Natürlich gibt es auch andere revolutionäre Gruppen, die von diesem Bandleader-Schema abgehen und Schlagzeuger nicht als jemanden einstufen, der innerhalb der Gruppe die sozialschwächste Stellung einnimmt. So war das früher nur der Fall und heute wird es noch immer verschiedentlich praktiziert. Früher war ein Schlagzeuger der letzte Dreck. Und damals gab es Sätze wie: „Das Orchester besteht aus sechs Musikern und einem Schlagzeuger“. So was gab’s und das ist mit allem Ernst behauptet worden. Heute kann ich es auch noch feststellen. Da kommen Leute zu mir und fragen, was ich spiele, wenn ich denen antworte – Schlagzeug – schiessen sie sofort die nächste hinterher und sagen „Wie nur Schlagzeuger, kannst du kein Melodie-Instrument spielen oder so was!“ Den grössten Eindruck bei einem reaktionären Publikum erzielst du noch immer, wenn du Klavier spielen kannst.

Wie verkaufen sich Eure Schallplatten?

Du, wir sind sehr zufrieden. Unsere Single „Spoon“ hat über 200.000 erreicht und auch unsere LPs, gemessen an anderen deutschen Gruppen, verkaufen sich recht gut. Bei „Tago Mago“ ist es etwas anderes. Ich glaube aber nicht, dass hierbei der Preis ausschlaggebend ist, sondern ich meine, die Hülle ist sehr beschissen. Es könnte besser sein, wenn das Cover anders wäre, denn in England haben wir eine andere Hülle, die wesentlich besser ist. Und wir konnten schon feststellen, dass sich das beim Verkauf bemerkbar macht.

Wie siehst Du die deutsche Musikszene?

Man ist in Deutschland wesentlich kooperativer als z.B. in England. Bei uns herrscht nicht so ein starkes Konkurrenzfeeling. Man weiss, das sind die DÜÜLS und die machen „Amon Düül Musik“ und das ist KRAFTWERK, die machen ihre Musik. Man akzeptiert, dass jeder seinen Stil gefunden hat und andere Leute versuchen nicht, darauf einzusteigen, sondern gehen andere musikalische Wege. In England habe ich das Gefühl, dass einer vom anderen kopiert. Ich kann die wenigsten Gruppen auseinanderhalten.

Arbeitet Ihr zur Zelt an einer neuen LP?

Ja, aber ich muss dazu sagen, dass wir noch nichts Konkretes haben. Wir nehmen ab und zu mal etwas auf, aber Arbeitstitel und Grundgedanke fehlen uns im Augenblick völlig. Vielleicht, dass es in drei oder vier Wochen anders aussieht. Denn wir schreiben ja nicht unsere Musik. Weisst Du, wir können ja auch den ganzen Tag im Studio arbeiten, denn wir sind nicht an irgendwelche Termine gebunden. Nur müssen wir pro Jahr zwei LP’s produzieren, das sind die einzigen Termine, die für uns wichtig sind. Wir geben nur noch die fertigen Bänder unserer Schallplattenfirma. Eine Regelung, die ich noch am besten finde, denn man hat mehr künstlerische Freiheit. Die Redaktion: Gerne wäre jemand von der Redaktion mit den CAN nach England gefahren, um aus nächster Nähe über diese Tournee zu berichten. Doch leider scheiterte es an der unnachgiebigen Haltung ihrer deutschen Vertragsfirma.