James Brown


Es war wohl eines der dreckigsten Open-airs -— und das gleich über drei lange Tage hinweg. Nicht nur, daß der Zustand der sanitären Anlagen buchstäblich zum Himmel stank (und die Besucher notgedrungen alle möglichen und unmöglichen Eckchen aufsuchten); auch hatten einige Chaoten nachts ihre Kräfte gemessen und die einzig verfügbare Waschgelegenheit der Wasserhähne entledigt, wodurch sich die Hälfte des Festivalgeländes in knöcheltiefen Schlamm verwandelte. Bei traumhaften 25′ C entwickelte sich ein ebenso traumhafter Duft…

Und hier sollte ER auftreten? ER, der außer Paris nur noch einen einzigen Termin in Europa machte; eben in Bruchhausen-Vilsen.

Doch allen Unkenrufen zum Trotz: James Brown kam. Bevor sich jedoch der Godfather im angemieteten Mercedes anschiffen ließ und sich standesgemaß genau in Höhe seines Luxuswohnwagens aus den Autositzen pellte, erreichte die Veranstalter statt des erwarteten Bühnen-Equipments zunächst einmal ein Blatt Papier. Ein Zettel, auf dem haarklein geschrieben stand, was an diesem denkwürdigen Abend wo auf der Bühne zu stehen habe, damit Mr. Brown sich herabläßt, diese überhaupt zu betreten. Daß die geforderten Instrumente zum Teil bis zu 15 Jahre alt und fast unmöglich zu beschaffen waren, interessierte seine Eminenz wenig.

Nicht gleichgültig dagegen war ihm der Zustand der Klos hinter der Bühne, die allerdings im Vergleich zu den öffentlichen Örtlichkeiten beinahe als hygienisch bezeichnet werden konnten. James Brown aber ließ den Mercedes erneut anschmeißen und sich tatsächlich zum Klo in den nächstgelegenen Ort fahren.

Nach dieser Show hinter der Bühne begann dann endlich, mit knapp zweistündiger Verspätung, die Show auf der Bühne. 20 Minuten spielten sich die Musiker der James Brown-Band warm, bevor dieser die Bruchhausener Bretter betrat.

Was sich dann zwei Stunden lang vor dem (für einen James Brown) spärlichen Publikum abspielte, war so professionell, so eingespielt und so amerikanisch, daß uns deutschen Provinzlern, egal ob aus Berlin, München oder halt Bruchhausen, Augen und Ohren übergingen. Nur zweimal unterbrach er kurz die musikalische Darbietung, um den Applaus dankend entgegenzunehmen; ansonsten sang, schrie und schwitzte er sich ohne Pause durch fast 30 Jahre Musikgeschichte. Die Titel waren mit perfekten Percussionübergängen verbunden, wobei „Sex Machine“ und „Living In America“ immer wieder als Hauptthemen aufgegriffen wurden.

Obwohl Brown inzwischen schon fast das Rentenalter erreicht hat, bewegt er sich auf der Bühne, wie man es aus uralten Fernsehausschnitten der 50er Jahre kennt. Er kniet sich auf die Erde und singt ohne Mikrofon, den Blick in den nebelverhangenen Nachthimmel gerichtet, als ob es das letzte Stück Musik sei. was da seinen Lippen entweicht. Dramatik ist angesagt, packend — manchmal aber auch lächerlich und überzogen zugleich.

Doch niemand nahm ihm das an diesem Abend übel. Er konnte es sich auch leisten, die Bühne ohne eine der lautstark geforderten Zugaben zu verlassen.