James Brown – I’m Real


Lange genug hat James Brown zwar stinkesauer, aber mehr oder weniger tatenlos zugesehen und zugehört, wie sich ganze Hundertschaften Hip Hop-Discjockeys und Rap-Gruppen seine alten Grooves klauen, neue Nummern daraus bauen und sich goldene Nasen damit verdienen. Jetzt schlägt der Godfather Of Soul zurück. Mit Full Force!

Full Force haben dem Altmeister fast das gesamte Album geschrieben, arrangiert und produziert —- und gleich nach einer kurzen, gospeligen Liebeserklärung {„Full Force loves you Godfather -— long live the king.“) geht’s gnadenlos in die Vollen. Im Titelsong nimmt sich James Brown die „copy cats“ zur Brust: die Jungs, die schamlos Teile seiner alten Platten absamplen, um daraus ihre „eigenen“ zu machen. „Ich bin das Original, ich bin der Lehrer, ich bin superbad, und keiner ist gut genug, meine Sachen zu machen“, brüllt er die Sound-Diebe an und zeigt ihnen, wo’s langgeht.

„Static“, so ein Songtitel, ist Mr. Brown überhaupt nicht, logo; und für seine jungen schwarzen Brüder und Schwestern hat er immer gute Ratschläge parat: “ Wenn ihr euer eigenes Geld verdienen wollt, haltet die Augen offen, reißt das Maul nicht so weit auf und laßt die Finger von Crack“ („Time To Get Busy“).

Die einzige Ballade dreht sich um „You And Me“, „She Looks All Types A‘ Good“ preist äußere Qualitäten, und mit „Keep Keepin“ predigt er gute alte James Tugenden wie Treue, Strebsamkeit und Zuverlässigkeit. „Can’t Git Enuf“ zitiert aus „Sex Machine“, dann geht’s nochmal um Geld, und in der Schlußnummer „Godfather Runnin‘ The Joint“ läßt er sich von einer Human Beatbox begleiten.

Full Force beweisen, daß die Vergangenheit des Godfathers mehr Zukunft hat als die Gegenwart seiner Plagiatoren. Sie nehmen seine klassisch-scheppernden Mülleimer-Beats, die hektischen Gitarren und schmetternden Bläser, mit denen er berühmt wurde, und betten sie in moderne Hip Hop-Arrangements mit Techno-Soul und Scratch-Effekten.

Mit den fast schon poppigen Anklängen seiner letzten Studio-Produktion GRAVITY („Living In America“ etc.) hat das nichts mehr zu tun: I’M REAL ist wieder purer, schweißtriefender Tanz-Stoff allerschwärzester Sorte, bei dem auch uralte Brown-Kumpel wie Saxophonist Maceo Parker ins Horn stoßen.

Und wenn einer James Brown samplen darf, dann nur James Brown selber -— immer wenn’s verdächtig aus den Boxen knistert, haben Full Force klassische Rhythmus-Spuren alter Platten mit-verwertet.

I’M REAL ist keine leere Drohung — mit diesem Album bleibt James Brown seinen eigenen Roots 100%ig treu UND gleichzeitig voll auf der Höhe der Zeit. Spätestens jetzt müssen sich Discjockeys, die immer noch jeden Abend blind zu „Sex Machine“ greifen, den Vorwurf gefallen lassen, daß sie wohl irgendwann stehengeblieben sind.

JAMES BROWN ÜBER SEIN NEUES ALBUM

I’M REAL enthält auch ein kurzes Interview mit dem Godfather, in dem er sich zu seinem neuen Album äußert. Die Antworten sind allerdings auch für schwarze Amerikaner nur mit Mühe verständlich (sie klingen als hätte James Brown beim Reden anderthalb Big Macs im Mund); darum hier die deutsche Übersetzung: Frage: „Was ist so besonders an diesem Album?“ J. B.: „Was besonders ist? Es stellt eine Menge Dinge richtig, die richtiggestellt werden mußten. Ich hatte noch nie ein Album mit Füll Force gemacht — das war schon eine Herausforderung. Und es war schön zu merken, daß sie Sachen machten, die ich schon früher gemacht habe. Aber ich bleibe bescheiden. Die Texte sind sehr intelligent… sehr intelligent. Ich sah mir die Texte an und sagte: ,Da hat jemand was im Kopf.“ Frage: „Ist der Rhythmus anders?“ J. B.: „Das sind Sachen, die ich schon vor 20 Jahren gemacht habe. Was ich vor 20 Jahren gemacht habe, machen die morgen!“

Füll Force — die Kraft hinter James Brown

Füll Force sind sechs muskelbepackte Herren aus Brooklyn, die auf die wohlklingenden Namen Paul Anthony, Shy Shy, B-Fine, Bowlegged Lou, Curt-t-t und Baby Gerry hären. Sie haben sich nicht bloß mit drei eigenen Alben und einigen Tanzhits (z. B. „Alice, I Want You Just For Me“, T985) einen Namen gemacht, sondern auch als Produzenten. Ihre Zusammenarbeit mit Lisa Lisa & Cult Jam brachte der jungen Dame eine ganze Reihe Nummer-1-Hits in den Staaten, von „I Wonder If I Take You Home“ (’85) bis „Lost In Emotion“ (’87). James Browns Plattenfirma brauchte nicht zweimal zu fragen, ob Füll Force auch Lust hätten, mit dem großen alten Mann des Soul ins Studio zu gehen. „Das hätten wir auch für zwei Dollar gemacht“, lacht Bowlegged Lou. „Alles, was wir können, haben wir von IHM gelernt, und jedesmal wenn wir auf Tour sind, hören wir im Bus James Brown-Platten.“

Erst hatten sie etwas Bammel vor ihrem Idol, aber nachdem ihnen Dan Hartman, der Browns letztes Studio-Album GRAVITY betreut hatte, versichern konnte, daß an den Gerüchten über den „schwierigen“ und „autoritären“ James Brown nichts dran sei, bereiteten sie sich fieberhaft auf ihr erstes Treffen mit der lebenden Legende vor.

„James kam ganz allein ins Studio, mit Sonnenbrille und im schwarzen Pelzmantel“, erinnert sich Lou. „Er fragte: ,Centlemen, wie geht’s?‘, und wir wurden richtig ehrfürchtig. Das war mehr als irgendein neues Projekt für uns — wir wollten den Godfather dahin zurückbringen, wo er angefangen hat, und ihm ermöglichen das zu tun, was er am besten kann.“

Und das ist Füll Force mehr als gelungen. Kein Wunder, daß noch mehr namhafte Kundschaft auf der Matte steht: Inzwischen waren sie mit Michaels Schwester LaToya Jackson im Studio, haben beim neuen Album der Weather Girls mitgemischt und Samantha Fox auf die Sprünge geholfen. Nancy Wilson hat ebenfalls Interesse angemeldet, außerdem steht demnächst ein ganz besonderes Duett auf dem Programm: Füll Force und Kiss (jawohl, genau die)!